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ELFERSHAUSEN
Leben zwischen Kälbchen und Großdemo
Mehr als nur ein Job: Alfred Greubel ist Milchbauer aus Leidenschaft und verbringt gerne Zeit mit den Tieren, so wie hier beim Tränken.
Foto: Schmitt | Mehr als nur ein Job: Alfred Greubel ist Milchbauer aus Leidenschaft und verbringt gerne Zeit mit den Tieren, so wie hier beim Tränken.
Von unserem Redaktionsmitglied Sara Sophie Schmitt
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:48 Uhr

In schwarzer Hose und mit Gummistiefeln marschiert Alfred Greubel durch die Gänge. Die Baseball-Kappe hat er tief ins Gesicht gezogen, in den Händen trägt er vier große, graue Eimer mit roten Nuckelaufsätzen. Alfred Greubel ist Milchbauer und gerade dabei, Kälbchen zu tränken. 130 hat er durchschnittlich im Jahr. Wie viele es aktuell sind, weiß er nicht genau, das ändert sich täglich. In dieser Nacht kamen zwei dazu, dafür werden am Abend acht junge Bullen abgeholt. Insgesamt hat er rund 110 Kühe in seinem Stall in Elfershausen (Lkr. Bad Kissingen).

Greubel liebt seinen Beruf. Einen anderen wollte der 44-Jährige nie machen. „Ein Geburtsfehler“, sagt er und lacht. Schon seine Eltern hatten Landwirtschaft. Doch seit dieser Zeit hat sich das Leben eines Landwirts verändert. Es ist schwierig geworden heutzutage als Milchbauer in Deutschland. In den vergangenen zehn Jahren hat sich ihre Zahl deutlich verringert. Laut Angaben des Bundesverbands der Milchbauern (BDM) gab es im Jahr 1999 deutschlandweit noch 150 000 Milchviehbetriebe. 2010 waren es noch 91 600. „Diejenigen, die jetzt noch da sind, sind die Besten“, sagt Greubel. Er ist noch da. Doch er macht sich Sorgen um die Zukunft der Milchbauern.

Der niedrige Milchpreis macht vielen Landwirten zu schaffen, obgleich er seit vergangenem Herbst leicht steigt. Laut Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) sei dies dringend notwendig, um die deutlich gestiegenen Produktionskosten aufzufangen. Derzeit liegt der Milchpreis bei rund 32 Cent pro Liter. Für Greubel sind es rund 42 Cent, denn seit Januar 2010 ist er Biobauer. Die Entscheidung fiel nach der Milchkrise 2008/2009. „Der Biomilchsektor zeigte sich stabiler“, sagt er. Doch auch 42 Cent sind seiner Ansicht nach zu wenig. Der BDM, bei dem Greubel Mitglied ist, setzt sich für einen flächendeckenden Milchpreis von 50 Cent pro Liter ein.

Hinzu kommt bei einigen Landwirten die Angst vor einer neuen Milchkrise, spätestens, wenn die Milchquote 2015 abgeschafft wird. „Dann können die Bauern so viel produzieren, wie der Stall hergibt“, sagt Eugen Köhler, Referent des Bayerischen Bauernverbandes, Bezirk Unterfranken. Eine Milchkrise befürchtet er nicht. „Die Bauern können sich auf die Situation vorbereiten.“ Zudem gehe er davon aus, dass Angebot und Nachfrage den Markt regulieren. Von einem staatlichen Eingreifen hält er nichts.

Ganz anders sieht das Milchbauer Greubel. Er befürwortet marktsteuernde Instrumente. Auch Brunner spricht sich dafür aus, Maßnahmen zu ergreifen, um die derzeit positive Tendenz am Milchmarkt beizubehalten. „Die Erfahrungen haben gezeigt, dass globale und freie Märkte Regeln und Leitplanken brauchen“, so Brunner in einer Mitteilung anlässlich des Weltbauerntages.

Ein solches marktsteuerndes Instrument könnte der freiwillige Produktionsverzicht gegen Ausfallentschädigung sein, der dieser Tage diskutiert wird. Das EU-Parlament hat diesem Vorschlag im März zugestimmt. Gemeinsam mit EU-Rat und EU-Kommission soll nun erneut abgestimmt werden. Eine Entscheidung wird für Ende Juni erwartet.

Die Idee: „Ist es in Krisenzeiten offensichtlich, dass mehr Milch produziert wird, als der Markt zu vernünftigen Konditionen absetzen kann, soll für die Milchbauern ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, weniger Milch zu erzeugen“, erklärt Romuald Schaber, der Bundesvorsitzende des BDM. So könne in der Milchkrise ein höheres Preisniveau gehalten werden als mit den bisherigen Interventionsmaßnahmen der Politik. Denn es gibt sie, solche Maßnahmen, die den Bauern in der Krise helfen sollen. Doch nach Ansicht des BDM reichen sie nicht aus. „Die derzeitige Interventionsschwelle beträgt 21 Cent“, so Schaber.

„Ein Bauer verliert nicht nur seine Arbeit, er verliert seine Heimat.“
Alfred Greubel, Landwirt

Im Klartext: Sobald der Milchpreis bei 21 Cent pro Liter oder weniger liegt, kaufen Ankaufstellen der EU Milch für 21 Cent auf und lagern sie als Butter oder Milchpulver ein.

„Das verschleppe die Krise nur“ kritisiert Greubel und fordert: Es muss sich etwas ändern. Dafür kämpft er. So wie vor sechs Monaten. Da ist er mit anderen Milchbauern nach Brüssel gefahren, um dort zu demonstrieren. Ihre Botschaft: für Marktregeln und gegen Almosen vom Staat. Er wirft der schwarz-gelben Bundesregierung „Angst vor Marktsteuerung“ vor. Dabei sind seiner Meinung nach eine EU-weite gemeinsame Marktordnung und der Lieferverzicht lebensnotwendig für die Bauern. „Die Alternative wäre, dass in einer Krise die Milchpreise so lange so niedrig bleiben, dass Bauern aufhören müssen.“

Aufhören kommt für Greubel nicht in Frage. „Ein Bauer verliert nicht nur seine Arbeit, er verliert seine Heimat.“ Der einzige Grund, warum er aufhören würde? „Wenn meine Kinder kein Interesse daran hätten, weiterzumachen.“ Doch danach sieht es nicht aus. Alle drei helfen im Betrieb, die beiden Älteren besuchen eine Fachoberschule mit Fachrichtung Agrarwirtschaft. Sie möchten in der Landwirtschaft arbeiten. Die Probleme, die sie erwarten, kennen sie. „Die Menschen müssen sich wieder bewusst machen, wie viel Arbeit, Zeit und Kosten in einem Glas Milch stecken“, sagt die 18-jährige Tochter Laura.

Trotz all dieser Schwierigkeiten: Ein Leben ohne Landwirtschaft, kann weder sie noch ihr Vater sich vorstellen. Greubel arbeitet täglich zwölf bis 14 Stunden, manchmal sogar länger. Gehalt zahlt er sich nicht. Urlaub macht er fast nie. Wenn er mal frei hat, ist er meist im Auftrag des BDM unterwegs. Auf einer Agrarministerkonferenz beispielsweise oder einer Demonstration. So wie kommende Woche, wo er mit anderen Mitgliedern des BDM vor dem Bundeskanzleramt gegen die Blockadehaltung von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) in Brüssel demonstrieren will.

Sein Ziel: der Wandel. Er glaubt daran, die Situation umdrehen zu können. „Wenn es so weitergeht, bleibt am Ende nur einer übrig“, sagt er. Dann schiebt er sich die Baseballkappe zurecht, streicht über seinen Pullover und nimmt die Mistgabel in die Hand. Die Kühe brauchen neues Futter. Boxen müssen gemistet werden. Die Kälbchen müssen Ohrmarken bekommen. Nach den Feldern muss er auch noch schauen. Es liegt noch viel Arbeit vor ihm.

Am Weltbauerntag, diesen Samstag, zeigen die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der BDM während des Bauernmarktes auf dem Würzburger Bürgerbräugelände die Fotoausstellung „Mensch-Macht-Milch“.

 
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