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WÜRZBURG / MAIN-TAUBER-KREIS
Lämmer kommen verkrüppelt auf die Welt
Kerngesund: Lämmer der Coburger Fuchsschafe im Stall der Thorwarts in Fuchsstadt. Doch nicht alle Tiere sind gesund auf die Welt gekommen. Das Schmallenberg-Virus hat offenbar zwei Lämmer befallen.
Foto: Wilma Wolf | Kerngesund: Lämmer der Coburger Fuchsschafe im Stall der Thorwarts in Fuchsstadt. Doch nicht alle Tiere sind gesund auf die Welt gekommen. Das Schmallenberg-Virus hat offenbar zwei Lämmer befallen.
Von unserer Mitarbeiterin Wilma Wolf
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:47 Uhr

Das Schmallenberg-Virus, das bei Rindern, Schafen und Ziegen Tot- oder Missgeburten verursacht, hat den Landkreis Würzburg erreicht. Am Dienstagabend bekam Martin Thorwarth aus Fuchsstadt Nachwuchs im Schafstall: ein Muttertier brachte Zwillinge zur Welt. Die Kleinen lebten, doch sie waren nicht lebensfähig. „Die Füße waren total verkrüppelt, die wären gar nicht auf die Beine gekommen“, sagt er auf Anfrage. Also entschloss er sich, die Tiere zu erlösen. Und verständigte das Veterinäramt in Würzburg. Mitarbeiter holten die toten Tiere ab und schickten Proben zur Untersuchung an das Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen nach Erlangen.

„Die waren froh, dass ich das gemeldet habe, weil sie so die Ausbreitung des Erregers besser verfolgen können“, erklärt Thorwarth. Für ihn steht fest, dass es das Schmallenberg-Virus ist. Obwohl er im letzten Sommer und Herbst keinerlei Symptome bei den Mutterschafen bemerkte. In diesem Zeitraum dürften die Tiere von Stechmücken gebissen worden sein, die das Virus übertragen. Insgesamt ist seine Herde mit 80 Tieren gesund. Auch die 60 seit Weihnachten geborenen Lämmer und die 30 kleinen Ziegen erfreuen sich bester Gesundheit und springen trotz der Eiseskälte munter im Stall herum. Ein Zicklein erblickte letzte Nacht das Licht der Welt – gesund, aber noch etwas benommen.

Die Stechmücke, die das Virus in sich trägt, ist in Afrika, Asien und Australien schon länger bekannt, erklärt Veterinäroberrätin Susanne Greiner-Fischer vom Landratsamt Würzburg. Der Krankheitserreger wurde im vergangenen Herbst erstmals in den Niederlanden entdeckt. Dort sei er inzwischen flächendeckend verbreitet. In Deutschland wurde das Virus zum ersten Mal im November 2011 nachgewiesen. Bei Rindern in Schmallenberg im Hochsauerland. Daher auch der Name: Schmallenberg-Virus.

Wie das Virus zu uns kommt, darüber können Fachleute nur spekulieren. Eins ist sicher: der Überträger ist eine heimische Bremse. Wenn die sticht, reagieren die Tiere oft mit Fieber, Durchfall oder einer eingeschränkten Milchleistung. Die Symptome verlaufen jedoch in der Regel mild und werden möglicherweise gar nicht bemerkt, weiß Greiner-Fischer. Für die Föten im Mutterleib aber hat das Virus gefährliche Folgen.

„Die Veterinäre waren froh, dass ich das gemeldet habe, weil sie so die Ausbreitung des Erregers besser verfolgen können.“

 

Martin Thorwarth

Landwirt in Fuchsstadt

 

Über die Plazenta gelangen die Erreger zu den Embryonen. Dort sammeln sie sich im Gehirn und Nervensystem und beeinträchtigen die Entwicklung, dass es zu starken Missbildungen führt. „Neben Aborten, Früh- oder Fehlgeburten kommt es zu Verkrüppelungen der Gliedmaßen oder Wasserköpfen bei Kälbern und Lämmern“, weiß die Fachfrau.

Im benachbarten Main-Tauber-Kreis trat der neue Erreger vor ein paar Tagen erstmals in einer großen Schafherde bei Freudenberg auf. Der Schäfer verlor zwanzig Lämmer. „Ein Fötus war mumifiziert, der Körper ganz verdreht, andere hatten Wasserköpfe, typische Anzeichen für das Schmallenberg-Virus“, erklärt Gerhard Wegmann, Amtstierarzt im Landratsamt Main-Tauber auf Anfrage. Für einen sicheren Nachweis wurden Proben an das chemische und Veterinäruntersuchungsamt nach Karlsruhe geschickt. Die Ergebnisse werden in einer Woche erwartet.

Aus verschiedenen Regionen Baden-Württembergs und Bayerns, zum Beispiel Miltenberg, ist inzwischen bei einigen Verdachtsfällen sicher bestätigt, dass es sich um das neue Virus handelt, sagt Wegmann. Wobei man davon ausgehen muss, dass es keine Übertragung von Tier zu Tier gibt. Auch für den Menschen sei der Erreger nach derzeitigem Kenntnisstand ungefährlich.

Und wie sollen sich betroffene Landwirte nun für die kommende Mückensaison rüsten? „Das Friedrich-Loeffler-Institut unterstützt nach eigenen Angaben die Entwicklung eines Impfstoffes, wobei noch nicht klar ist, ob einmal infizierte Tiere einen Immunschutz gegen die Krankheit aufbauen“, erklärt Greiner-Fischer.

Deshalb stellt das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit all seine Erkenntnisse anderen Fachinstituten und Pharmafirmen zur Verfügung. Doch für einen Impfstoff brauche es viel Zeit, ein paar Monate bis zum nächsten Sommer reichen dafür nicht. Und solange nicht klar sei, wie viele Tiere überhaupt betroffen sind, wird die teure Impfstoffherstellung wohl nicht mit Hochdruck betrieben, vermuten Experten.

Klar scheint indes, dass man auf Bundesebene die Einführung der Meldepflicht für die Erkrankung vorbereitet. Um eine Infektion der Tiere zu vermeiden, besteht derzeit allerdings nur die Möglichkeit der Stechmückenbekämpfung mit Repellentien, zu deutsch Mückenschutz, die auf die Haut aufgetragen oder aufgesprüht werden und die Übeltäter fernhalten sollen.

Um die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit zu unterstützen, sollten sich Tierhalter bei Verdacht auf das Schmallenberg-Virus an die Veterinärämter wenden (für den Landkreis Würzburg Tel. (09 31) 80 03-6 81 und für den Bereich Main-Tauber (0 79 31) 48 27-62 53.

 
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