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WÜRZBURG
Kunsthistoriker Stefan Kummer beendet seine Uni-Laufbahn
Von unserem Redaktionsmitglied Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:55 Uhr

Zurücklehnen und den Ruhestand wörtlich nehmen ist Stefan Kummers Sache nicht. Wenn am 31. März um Mitternacht das Wintersemester 2012/13 und damit eine jahrzehntelange wissenschaftliche und akademische Laufbahn an der Würzburger Universität zu Ende geht – der dann emeritierte Ordinarius für Kunstgeschichte wird die Hände sicher nicht in den Schoß legen. Denn noch liegt mit der Entstehungsgeschichte der Würzburger Residenz ein großes Forschungsprojekt vor ihm, das ihn in den nächsten Jahren in Anspruch nehmen wird.

Etwas mehr als ein Vierteljahrhundert lang hat der gebürtige Würzburger das Institut für mittlere und neuere Kunstgeschichte an der Universität seiner Heimatstadt geleitet. 1987 kam Kummer, nachdem er zuvor in Tübingen und Freiburg gelehrt hatte, nach Würzburg, wo er Kunstgeschichte, Klassische Archäologie, mittelalterliche Geschichte sowie Vor- und Frühgeschichte studiert hatte, zurück. Hier übernahm er neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität auch die Position eines des Mitvorstands am Martin-von-Wagner-Museum. Neben der italienischen Kunst der Renaissance und des Barock war einer seiner Forschungsschwerpunkte die Kunstgeschichte Würzburgs.

„Ich akzeptiere es, aber es fordert mich nicht zur Auseinandersetzung heraus.“
Stefan Kummer über Konkrete Kunst

Und was bleibt am Ende einer solch langen Ära an besonderen Erinnerungen? Da fällt Stefan Kummer zunächst der Deutsche Kunsthistorikertag ein, den sein Institut 2011 erstmals in Würzburg veranstalten durfte. 1200 Kunsthistoriker nahmen daran teil, was Kummer als eine „Anerkennung für den kunsthistorischen Standort Würzburg“ wertet.

Gerne denkt er auch daran, dass in den letzten Jahren mehrere große Forschungsprojekte an seinem Institut bewilligt wurden, darunter auch das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Residenzprojekt. Und natürlich sind da auch die 220 Magister- und 40 Promotionsarbeiten, die er betreute.

Im Wagner-Museum freut er sich in erster Linie über die vielen Neuerwerbungen und auch darüber, dass in seiner Ära vier große Bestandskataloge, beispielsweise zu den Tiepolo-Skizzenbüchern, erstellt und veröffentlicht werden konnten. Besonders glücklich ist er darüber, dass das Museum viele Arbeiten jüngerer Künstler zeigte und erwarb.

Dabei gilt Kummer doch in den Augen vieler eher als ein Traditionalist, der mit zeitgenössischer Kunst nicht soviel anzufangen weiß. Der Kunsthistoriker widerspricht: „Ich habe nur ein bisschen einen anderen Geschmack“. Er mag nämlich schon die deutschen Expressionisten, Francis Bacon, Lucian Freud oder Wassily Kandinsky. Aber er räumt ein: „Das Figurative liegt mir schon mehr“. Und wie ist es mit der Konkreten Kunst? „Ich akzeptiere das, aber es fordert mich nicht zur Auseinandersetzung heraus“, sagt er ganz diplomatisch und doch eindeutig.

Kummer hat auch viel geforscht, was sich in vielen Veröffentlichungen niederschlägt. „Ich habe mehrere wissenschaftliche Leben“ resümiert er. Zunächst war da die italienische Kunst, speziell die Mailands und Roms. Später verlegte er sich mehr aufs Regionale, denn als er eine Familie hatte, wollte und konnte er nicht mehr so ausgiebig reisen. Und schließlich fand er in Würzburg, sozusagen vor der Haustüre, „das Tor in die Welt“, nämlich die Residenz.

Mit ihr wird er auch die nächsten Jahre verbringen, die mehr vom Unruhe- als vom Ruhestand geprägt sein werden. Denn trotz zahlloser Veröffentlichungen über das Würzburger Wahrzeichen gibt es noch wissenschaftliche Lücken. Eine davon ist die Entstehungsgeschichte des fürstbischöflichen Schlosses, deren Erforschung seit rund 90 Jahren stagnierte.

Kummer und seine Kolleginnen Verena Friedrich und Michaela Neubert wollen dies ändern und konnten in den Archiven anhand zahlreicher Schrift- und Bilddokumente erstmals die Bau- und Ausstattungsgeschichte rekonstruieren. Denn glücklicherweise haben diese Archivalien den Krieg unbeschadet überstanden.

„Niemand kommt nach Würzburg, damit das 21. Jahrhundert schreit: Ich bin auch da!“
Stefan Kummer über das Würzburger Stadtbild

Man kann jetzt die Bauorganisation nachvollziehen, weiß, welche Handwerker wann tätig waren oder welche Spannungen es zwischen den Hof- und den städtischen Künstlern gab. Und vor allem welchen Anteil Balthasar Neumann am Entwurf und seiner Ausführung hatte. „Wir können jetzt ins Leben der Baustelle hineinblicken“ erklärt Kummer und fügt an: „Die Residenz war kein genialer Geistesblitz Neumanns, sondern entstand durch mühsames Arbeiten am Detail.“ Jetzt geht es an die Auswertung und das Schreiben des auf zwei Bände angelegten Werks, was einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Der erste Band, der die Jahre 1719 bis 1729 behandeln wird, soll in zweieinhalb Jahren fertig sein.

Neben dem Hochschullehrer und Forscher gab es auch noch den Stefan Kummer, der sich engagiert für das Stadtbild seiner Heimatstadt einsetzte, vor allem als Vorsitzender des Verschönerungsvereins, den er von 2001 bis 2011 leitete. Er vermisse bei der Neu- und Umgestaltung der Alt- und Innenstadt oft das gestalterische Element, sagt der Kunsthistoriker. Neben Kritik („die Wöhrl-Fassade ist zu interimistisch und wird sich nicht lange halten“) erkennt er aber auch Positives: „Ich bin froh, dass die Fassade des Kilianshauses zwischen Dom und Neumünster als Zeugnis des Wiederaufbaus weitgehend erhalten geblieben ist“.

Wenn sich moderne Architektur ins Stadtbild einfügt, hat Stefan Kummer nichts dagegen, aber: „Die Leute kommen doch nicht nach Würzburg, damit das 21. Jahrhundert schreit: Ich bin auch da!“

 
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