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CHARKOW
Kranke und Schwache leiden für Stadien und Straßen
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 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:47 Uhr

„Der Ausbau der vier EM-Austragungsorte in der Ukraine geht eindeutig zu Lasten der Kranken und Schwachen.“ Das sagt Michael Schnatz, Projektkoordinator für Mittel- und Osteuropa beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Köln. „Die EM ist ein Prestigeprojekt, aber die Ukraine ist mit der Finanzierung völlig überfordert.“

Der ASB hat vor Jahren in der Ukraine eine Organisation geschaffen, die in Charkow und in der Hauptstadt Kiew tätig ist – mit tatkräftiger finanzieller und logistischer Unterstützung der bayerischen Arbeiter-Samariter. Vor allem die ASB-Verbände München, Würzburg und Nürnberg-Fürth engagieren sich seit Jahren mit umfangreichen Hilfslieferungen wie zuletzt in diesem Mai, mit der Überlassung von Krankentransportfahrzeugen und mit Geld. Das ist auch nötig, denn ukrainische Mittel fließen immer spärlicher.

Die Samariter kümmern sich in beiden Städten um alte Menschen, von denen viele als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt wurden. In Kiew wurde außerdem eine Kurzzeitpflegeeinrichtung für hirngeschädigte Kinder und ihre Familien geschaffen – die einzige dieser Art in der Ukraine.

„Uns vom ASB Würzburg war es sehr wichtig, den ambulanten Pflegedienst in der Ukraine zu unterstützen“, sagt Thomas Klüpfel, in Personalunion Geschäftsführer des ASB Bayern und Würzburg. „Wir wissen, dass nach der ersten Anlauffinanzierung durch die Stiftung ,Erinnerung, Verantwortung und Zukunft' das Projekt von der Stadt Kiew nicht weiter gefördert wurde. Deswegen haben wir uns entschlossen, für zwei Jahre die Personalkosten für zwei Pflegeteams in Kiew zu übernehmen. All diese ehemaligen Zwangsarbeiter sind mittlerweile hochbetagt und in der Regel pflegebedürftig.“

Die ukrainischen Samariter sorgten zeitweise für hundert Patienten. Seit dem Machtwechsel in der Ukraine kommt der Staat seinen Finanzierungszusagen nicht mehr nach, sodass der Pflegedienst nur noch in eingeschränkter Form und mit vielen ehrenamtlichen Kräften aufrechterhalten werden kann. Schon aufgrund der Finanzkrise kam es seit 2010 in der Ukraine zu massiven Etatkürzungen. Viele Städte und Gemeinden sind hoch verschuldet, sodass Zahlungen für soziale Leistungen stark reduziert oder ganz gestrichen wurden. Ein Sparpaket brachte im November 2011 zusätzlich drastische Kürzungen für Rentner und Kranke.

Unbeeindruckt von der sozialen Notlage wurde in den EM-Austragungsorten, wie von der FIFA gefordert, jahrelang gebaut, renoviert und saniert. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge liegen die Kosten zwischen zehn und 25 Milliarden Euro. Allein für den Umbau der Stadien in Kiew und Charkow wurden rund 500 beziehungsweise 44 Millionen Euro investiert. Beide Städte müssen laut ASB einen großen Teil des Budgets selbst tragen – mit den erwähnten negativen Folgen im Sozialbereich.

Auch in Charkow leiden Hunderte von Menschen unter den Folgen. Hier musste der Pflegedienst der ukrainischen Samariter jüngst auf ein Minimum heruntergefahren werden, da die Regionalverwaltung Charkow die zugesagten Mittel von 75 000 Euro für den Zeitraum 2011 bis 2014 als Kofinanzierung bisher nicht überwiesen hat.

„Ich freue mich sehr auf die EM in unserem Land“, sagt Swetlana Lewkowska, Geschäftsführerin der Samariter in Kiew. „Ich möchte, dass sich die Fans willkommen fühlen und ein großes Fußballfest erleben. Aber es darf nicht vergessen werden, auf wessen Kosten das Ganze auch geht.“

Spendenkonto: ASB Bayern, Konto 240 162 131 bei der Sparkasse Nürnberg, BLZ 760 501 01, Stichwort „Ukraine“.

 
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