
Ausgewaschene Jeans zum kurzärmligen, blau-weiß gestreiften Hemd: ein Outfit, das andere zum Besuch des Biergartens anziehen würden, trägt der Personalchef eines Würzburger Unternehmens im Büro. Für einen Mann in seiner Position ist Walter Schmitz damit sehr leger angezogen. „Mode bedeutet mir persönlich nicht viel“, sagt er.
Von Bewerbern erwartet Schmitz bei einem Einstellungsgespräch dennoch, dass sie formal gekleidet erscheinen. „Beim ersten Treffen sollte der Bewerber zeigen, dass er sich angemessen kleiden kann. Wenn er dann sieht, dass es im Betrieb eher leger zugeht, darf er sich beim nächsten Mal gerne anpassen.“
1300 Euro für Kleidung und Schuhe
Anhand der Mode, die sie tragen, schätzen wir andere Menschen ein. „Von Leuten, die sich sehr sorgfältig kleiden, erwartet man, dass sie auch in anderen Lebensbereichen wert auf Details legen“, sagt Gerhard Schweppenhäuser, Professor für Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt.
Deutsche Haushalte geben laut Statistischem Bundesamt jährlich knapp 1 300 Euro für Kleidung und Schuhe aus. Ob wir uns für gemusterte Faltenröcke oder Gesundheitssandalen entscheiden, lässt Rückschlüsse auf unsere Persönlichkeit zu.
Form, Farbe und Material unserer Kleidung senden Signale an unsere Umwelt. Schweppenhäuser nennt Mode deshalb ein „Zeichensystem mit Codes, das den Körper zum Geltungsträger macht“. Aufgrund der Outfits, die wir wählen, ordnen wir uns einer gesellschaftlichen Gruppe zu.
Wenn der Würzburger Designer Tim Labenda an einer Kollektion arbeitet, hat er diese Gruppe fest vor Augen. „Die Kundin, die meine Mode mag, ist tendenziell älter als 35, verdient ihr eigenes Geld und interessiert sich für Design“, sagt er. Natürlich treffe das nicht auf jede Frau zu, die seine Stücke kauft. Doch für die Arbeit als Modeschöpfer sei es wichtig, diese „Grundfrau“ zu kennen. „Es hat mehrere Kollektionen gedauert, bis ich herausgefunden habe wer ,sie' für mich persönlich ist und was ,sie' braucht“, sagt der Jungdesigner.
"Man muss verstehen, was man anhat"
Um den Geschmack seiner Zielgruppe zu treffen, hat Labenda sogar schon Umfragen und Studien durchgeführt. Der Designer geht von einer bestimmten Persönlichkeit und einem bestimmten Lebensstil aus und kreiert die passende Mode dazu. Daran, dass man sich mithilfe von Mode zu etwas machen kann, dass man nicht ist, glaubt Labenda nicht. „Man muss verstehen, was man anhat und dahinter stehen, sonst funktioniert es nicht“, sagt er. Ähnlich sieht das auch der Wissenschaftler Schweppenhäuser.
Er weist darauf hin, dass wir durch Mode zum Teil zwar kalkulieren können, wie wir wirken, diese Kontrolle jedoch nie absolut ist. „Wir können nie mit Sicherheit sagen, wie wir bei jemandem ankommen. Das ist gut so, denn die vollständige Kalkulierbarkeit würde viele Chancen in der Kommunikation nehmen“, sagt er.
Während Mode einerseits der Selbstverwirklichung dient, ist sie andererseits fremdbestimmt. „Madonna hat Mädchen geholfen eine eigene Identität zu finden, indem sie sie nachgemacht haben“, sagt Schweppenhäuser. Ein solches Vorbild sei wichtig: „Bei der Kleiderwahl gibt es ein riesiges Angebot, Entscheidungen müssen getroffen werden. Das sind ja auch Belastungen, denen man ausgesetzt ist.“
Mode trägt unser Inneres nach Außen. Dass unser Inneres umgekehrt aber auch unser Äußeres beeinflussen kann, weiß Schweppenhäuser: „Wenn wir uns in unserer Kleidung besonders wohl oder unwohl fühlen, verändert sich unser Verhalten. Das hat viel mit dem Körpergefühl zu tun, ob ein Kleidungsstück beispielsweise bequem ist.“
"Kleidung ist ein Stein im Puzzle des Charakters"
Auch Labenda beobachtet immer wieder, dass Kundinnen in einem Outift aufblühen. „Mode kann etwas Besonderes in einem hervorbringen, etwas, was man vorher nicht bemerkt hat.“ Schweppenhäuser warnt davor, seinen Gegenüber ausschließlich nach Äußerlichkeiten zu beurteilen. „Kleidung ist ein Stein im Puzzle des Charakters, doch wir können nicht wirklich ins Innere gucken“, sagt er.
Personalchef Schmitz versucht deshalb, sich nie vom ersten Eindruck leiten zu lassen. „Ein guter Personaler muss sich über das Äußerliche hinwegsetzen“, sagt er. Zwar spiele die Kleidung im Bewerbungsgespräch durchaus eine Rolle. Zum Beispiel könne sie Rückschluss darauf geben, ob ein Bewerber ins Team passt. Grundsätzlich zähle im Gespräch aber vielmehr der Inhalt. Oder wie Schmitz es formuliert: „Der zweite Eindruck ist immer wichtiger.“