Der Gründer und Chef des Filmportals Kino.to wirkt gefasst. Soeben hat er vor dem Landgericht Leipzig die Quittung für sein jahrelanges illegales Treiben erhalten: Viereinhalb Jahre Haft, sein Millionenvermögen wird „abgeschöpft“. Trotzdem wirkt der 39-Jährige erleichtert, als er seine Angehörigen umarmt. Der Haftbefehl wurde vorerst außer Vollzug gesetzt, er kann das Justizgebäude nach einem Jahr Untersuchungshaft freien Fußes verlassen. Seinem Anwalt zufolge will der Mann „unter diesen Abschnitt seines Lebens einen endgültigen Schlussstrich“ ziehen.
Kino.to, das einst größte deutsche Streamingportal, ist Geschichte. Doch der Kampf um den Schutz der Urheberrechte im Internet geht weiter. Längst gibt es Nachfolge-Portale, die Nutzer klickten jetzt einfach frühere Konkurrenten von Kino.to an, die ähnlich konspirativ und abgeschirmt vorgingen, sagt Matthias Leonardy, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU).
Der Drahtzieher von Kino.to hatte vor Gericht ebenso wie fünf zuvor verurteilte Komplizen ein Geständnis abgelegt. Demnach begriff der gelernte Fußbodenleger aus Leipzig schnell, dass man im Internet Geld verdienen kann. Viel Geld. Das Mittel zum Zweck: Filme, für die man sonst im Kino oder in der Videothek bezahlen muss. Über Kino.to gab es sie kostenlos zu sehen. Auf dem Portal waren Millionen Links gesammelt, die zu insgesamt 135 000 raubkopierten Filmen, Serien und Dokumentationen führten.
Ums Urheberrecht scherte sich niemand. Nie habe einer der Kino.to-Macher versucht, mit einem Rechteinhaber in Kontakt zu kommen, stellt der Vorsitzende Richter Karsten Nickel in der Urteilsbegründung klar. Über Werbung wurden Millionen eingenommen. GVU-Mann Leonardy spricht von einer „werbewirtschaftsfinanzierten Internetkriminalität“. Allen, vom Gründer über den Programmierer bis hin zum sogenannten Uploader der Raubkopien bei Kino.to, sei es ums Geldverdienen gegangen, sagt Chefankläger Dietmar Bluhm.
In Tonga oder Tuvalu
Es sei das zweifelhafte Verdienst des 39-Jährigen und seiner Mitstreiter, „Millionen Menschen an Urheberrechtsverletzungen gewöhnt“ zu haben, sagt Bluhm. Eine ganze Generation von Internet-Nutzern glaube inzwischen: Geklaut ist normal. Dass Künstler Geld benötigen, um ihre Werke zu schaffen, werde einfach ausgeblendet. „Alle Einnahmen von Kino.to hätten nicht ausgereicht, um auch nur einen Blockbuster zu bezahlen“, gibt Bluhm zu bedenken. Die Kino.to-Macher hatten in ihren Prozessen ausgesagt, sich in einer rechtlichen Grauzone gewähnt zu haben. Sie glaubten demnach, dass nur das Kopieren von Filmen und das Verbreiten der Raubkopien strafbar sei, nicht aber das bloße Anbieten der Links. „Das ist falsch“, sagt Staatsanwalt Bluhm. Vom Fall Kino.to müsse „das Signal ausgehen, dass sich alle strafbar machen, die sich an Raubkopie-Portalen bereichern und bereichert haben“.
Allerdings scheint es nach wie vor schwierig, der Hintermänner der Portale habhaft zu werden. „Das ist ein weltweites Phänomen“, sagte GVU-Geschäftsführer Leonardy. Die Domains werden in Ländern wie Tonga oder Tuvalu angemeldet, die Server stehen vielleicht in den Niederlanden, Russland oder der Ukraine. Auch an Kino.to sei die GVU drei Jahre lang dran gewesen, bis schließlich ein Streit ums Geld ihr den Erfolg brachte. Mehrere Kino.to-Mitstreiter seien unzufrieden mit ihrem Verdienst gewesen – gemessen an den Millionen, die der Chef scheffelte. Sie gaben die entscheidenden Tipps.