Manchmal kommt Tradition ziemlich unhandlich und sperrig daher. Der Boxring der Würzburger Kickers mit seinem roten Teppich ist mindestens so alt wie das Kiliani-Boxen, das heuer zum 27. Mal über die Bühne geht. Auf dem Frühjahrsvolksfest kam der Kickers-Boxring hingegen erstmals zum Einsatz.
Eine Spedition bewerkstelligte den Transport, der Aufbau wurde auf der Talavera in eigener Regie ab 7 Uhr in der Früh durchgeführt. Nun, eigentlich war es ja erst 6 Uhr, nachdem die Uhren nächtens um eine Stunde nach vorne gedreht worden waren. Diese Zeitumstellung musste denn auch als einer der Gründe herhalten, warum die Bänke im Festzelt diesmal merklich leerer blieben als beim letzten Kiliani-Boxen mit rund 900 Zuschauern. „Vielleicht finden wir ja nächstes Jahr einen Sonntag ohne Uhrenumstellung“, sagte Festwirt Michael Hahn im traditionsreichen Boxring. Ringsprecher Hermann Czujan aus Straubing begründete die lichten Reihen mit der allgemeinen Frühjahrsmüdigkeit.
Die Boxfreunde, die ins bestens temperierte Bierzelt kamen, sahen einen einseitigen Wettkampf, den die Würzburger Kickers und ihre Verstärkungen aus ganz Bayern beinahe nach Belieben dominierten. Zehn der elf Kämpfe, darunter ein Einlagekampf, gingen nach Würzburg. Die drei Lokalmatadoren – Ruslan Holowinski im Halbweltergewicht, Zelimhan Dadaev im Mittelgewicht und Schwergewichtler Romano Kujak – gewannen ihre Kämpfe allesamt nach Punkten. Die slowakischen Boxer, die für BC Dubnica an den Start gingen, zwangen ihre Gegner zwar immerhin in acht Kämpfen über die volle Distanz.
Den einzigen Erfolg für Dubnica verbuchte aber die talentierte Hanauerin Sahra Bormann, die die Gäste im Bantamgewicht (bis 53,525 kg) unterstützte. Der Schülerin sollte man im Boxring besser nicht zu nahe kommen. Dort lässt die amtierende deutsche Meisterin gerne ihre Fäuste mit geradlinigen Haken sprechen; abseits ist sie dagegen eher zurückhaltend. Dann übernimmt ihr Trainer Benjamin Romero, halb Spanier, halb Kubaner, das Kommando. Noch am Boxring lobte er Bormanns unterlegene Gegnerin Diana Loichinger aus Regensburg über das Mikrofon: „Du hast wirklich klasse geboxt!“ Das Kompliment war ernst gemeint, ganz ohne Kalkül hat es Romero freilich nicht ausgesprochen.
Denn der Hanauer hat ein Problem: Gegnerinnen für seine Sahra zu finden. Wenn der Name Bormann auftaucht, nehmen ihre potenziellen Konkurrentinnen die Beine in die Hand. So wurde Bormann unlängst südwest-deutsche Meisterin, ohne ein einziges Mal geboxt zu haben. Auch deutschlandweit kann ihr keine Gegnerin das Wasser reichen, Romero muss regelmäßig bei deutlich schwereren Boxerinnen anfragen. „Sahra zeigt Kämpfe mit Herz und nutzt jede Schwäche des Gegenübers gnadenlos aus“, nannte der Trainer eine ihrer vielen Stärken. Zur Weltmeisterschaft nach China fliegt „Hessens Boxerin des Jahres 2010“ in diesem Jahr dennoch nicht. Die strapaziöse Vorbereitung würde sie schulisch zu weit zurückwerfen. Die 21-jährige Bormann blickt bereits weiter nach vorne. Ab London 2012 ist das weibliche Boxen olympisch. In vier Jahren, wenn die olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro ausgetragen werden, ist sie im besten Boxalter. 31 Siege hat Bormann bereits in ihrer noch jungen Karriere eingefahren.
Seinen allerersten Erfolg überhaupt feierte Ruslan Holowinski im Bierzelt auf dem Frühjahrsvolksfest. Er besiegte im Eröffnungskampf Frederik Harsch nach Punkten. Beide Boxer hatten offensichtliche konditionelle Probleme. „Mir ist spätestens in der dritten Runde die Luft ausgegangen. Glücklicherweise erging es meinem Gegner auch nicht besser“, sagte der 23-jährige Holowinski, der in der Würzburger Lindleinsmühle zu Hause ist. Beim Boxen stößt man vielleicht schneller als bei jeder anderen Sportarten an die körperlichen Grenzen. Als finanzieller Kraftakt hat sich dagegen der sonntägliche Boxkampf für die Würzburger Kickers um ihren emsigen Organisator Karl-Heinz Wolfstädter entpuppt. Noch im Ring wandte er sich an die Sponsoren, die dem Spektakel mitunter auch physisch beiwohnten: „Ihr seid diesmal noch wichtiger als sonst.“ Aufgeben ist seine Sache nicht, auch Festwirt Hahn hat bereits grünes Licht für eine Neuauflage des Frühjahrs-Boxkampfes auf der Talavera im kommenden Jahr gegeben. Traditionsreiche Veranstaltungen mit Anziehungskraft brauchen halt ihre Zeit.
Volksfestboxen in Zahlen
Würzburger Kickers – BC Dubnica 19:11
Wertungskämpfe
Mittelgewicht: Mehli Gümes – Lukas Matunak; Sieger Gümes nach Punkten.
Mittelgewicht, Jugend: Zelimhand Dadaev – Jan Jankovec; Sieger Dadaev nach Punkten.
Bantamgewicht: Diana Loichinger – Sahra Bormann; Sieg Bormann nach Punkten.
Super-Mittelgewicht: Mike Lehnis – Rado Guti; Sieg Lehnis nach Aufgabe Guti.
Federgewicht: Sharafor Raman – Erik Masnicac; Sieger Raman nach Aufgabe Masnicac.
Weltergewicht: Aziz Nabiyev – Martin Kiss; Sieger Nabiyev nach Punkten.
Halb-Weltergewicht: Oleg Schäfer – Mario Zabojnik; Sieger Schäfer nach technischem K.o..
Bantamgewicht: Melani Miles – Veronika Kalouskova; Sieger Miles nach Punkten.
Mittelgewicht: Sacha Arsumanjan – Jan Dzanaj; Sieger Arsumanjan nach Punkten.
Schwergewicht: Romano Kujak – Martin Janak; Sieger Kujak nach Punkten.
Einlagekampf
Ruslan Holowinski – Frederik Harsch; Sieger Holowinski nach Punkten.