„Wir haben ein Bildungsproblem in der Region“
Dies hat sich laut einer Pressemitteilung Anfang September in einem Büro in der Region zugetragen. Die Geschäftsführerung hat sich an diese Redaktion gewandt, will aber den Namen ihres Betriebs nicht öffentlich lesen, „da ihre Firma keine Kraft und kein Budget für Rechtsstreitigkeiten hat“, sagt sie. Ihr Urteil aber steht fest. „Wir haben ein Bildungsproblem und wir haben ein Ausbildungs- und Arbeitskraftproblem auf dem Land.“ Es gebe immer weniger Auszubildende und diese würden sehr viel Kraft der Ausbilder erfordern.
Der Auszubildende im beschriebenen Fall habe zunächst einen guten Eindruck gemacht. Er habe die ersten Schritte am PC schnell erlernt und gut gelöst. Erst im Lauf der Woche habe der Ausbilder die Kenntnisse in politischer Bildung geprüft. Entsprechende Fragen konnte der 16-Jährige aber nicht beantworten. Der Versuch, dies zu ändern, sei von den Eltern mit der Herausnahme des Jungen aus der Lehre beantwortet worden. „Das Kind wurde aus der Ausbildungs-Hölle befreit“, kommentierte der Ausbilder ironisch. Er habe die Eltern zu einem Gespräch gebeten, an diesem hätten die aber nur uninteressiert teilgenommen.
Ist das nun ein Einzelfall? Oder sind Azubis nicht in der Lage, einfache Fragen zum politischen System zu beantworten? „Ich würde jetzt nicht so schwarzmalen“, sagt Max-Martin Deinhard, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt. Ein Organigramm der politischen Organe zu zeichnen, sei gegebenenfalls nicht so leicht. Das könnten vermutlich die wenigsten auf Anhieb. „Den Namen der Bundeskanzlerin oder des Bundespräsidenten aber sollte natürlich jeder kennen“, sagt er. Schließlich verlange der Lehrauftrag auch Kenntnisse von Sozialkunde. Befragungen, die die IHK jährlich bei ihren Mitgliedern durchführt, würden jedenfalls nicht dafür sprechen, dass die Ausbildungsreife abnehme, so Deinhard.
Überwiegende Zahl der Arbeitgeber mit Auszubildenden zufrieden
Wenn es von Arbeitgeberseite Kritik gebe, dann weniger an der Allgemeinbildung. Beklagt werde vielmehr mangelnde Leistungsbereitschaft, Disziplin, Motivation und Belastbarkeit. Deinhard betont aber, dass die überwiegende Zahl der Arbeitgeber mit ihren Auszubildenden zufrieden sei. Auch ein Stadt-Land-Gefälle könne er nicht beobachten.
Festzustellen sei aber der Trend, dass es etwa Realschüler, die früher noch eine Lehre begonnen hätten, jetzt auf weiterführende Schulen ziehe. Dadurch verändere sich das Bewerberfeld für die Ausbildungsberufe und manche Betriebe würden bei schwächeren Auszubildenden mit Nachhilfe reagieren. Denn auch der Betrieb habe ein Interesse daran, dass der Auszubildende die Prüfungen gut schaffe. Viele Probleme würden sich allerdings daraus ergeben, dass Jugendliche den falschen Lehrberuf ergreifen, einen, der nicht ihren Fähigkeiten und Vorstellungen entspricht.
Ein bis drei Stunden Sozialkunde im Azubi-Stundenplan
Für die Handwerkskammer für Unterfranken ist der Fall aus dem Landkreis Main-Spessart ebenfalls eine Ausnahme. „Vereinzelt hören wir von Innungen und Betrieben, dass Auszubildende die Ausbildungsreife noch nicht in Gänze besitzen. Eine Verallgemeinerung stellt dies jedoch nicht dar“, sagt Pressesprecher Daniel Röper. Dennoch sei auch der Handwerkskammer bewusst, dass durch technische Neuerungen Handwerksberufe insgesamt „immer komplexer werden und sich die Anforderungen an Auszubildende und Mitarbeiter erhöhen“. Neben praktischen Fähigkeiten habe im dualen Ausbildungssystem deshalb auch die Allgemeinbildung der Azubis einen hohen Stellenwert „auch was das politische System in Deutschland betrifft“, sagt Röper.
Konkret bedeutet das mindestens eine Stunde Sozialkunde im Stundenplan der Azubis, je nach Beruf können es auch drei sein, erklärt Uwe Tutschku, Rektor der Würzburger Franz-Oberthür-Schule: „Wir sind stark bemüht, mündige Staatsbürger zu entlassen.“ Deshalb hat sich seine Schule jetzt vor der Bundestagswahl an der U-18-Wahl beteiligt: „Politik ist bei uns im Unterricht ein wichtiges Thema.“