
Ab und zu musste ich statt in den Kindergarten in den Luftschutzkeller.“ Eine der frühesten Erinnerungen von Josef Reubelt (Jahrgang 1941) ist die an den Luftschutzkeller, dessen Eingang direkt neben seinem Elternhaus in Schonungen war. In der gegenüberliegenden Wirtschaft „Drei Mohren“ befand sich der Lichtschalter für den Keller und über eine Leiter konnte man den Keller auch durch die Pfarrscheune verlassen.
Reubelt erinnert sich auch gut daran, dass die heimische Küche oft voller Menschen stand. Die Frauen, die während des Fliegeralarms in den Luftschutzbunker geflüchtet waren, hatten in der nächstgelegenen Küche für ihre Babys die Säuglingsnahrung warm gemacht.
Jähre später wurde die Familie noch einmal an den Luftschutzkeller, der sich auch unter ihrem Hof hinzog, erinnert: „Mit großem Getöse brach die Decke des Kellers ein.“
Die Nachkriegszeit ist Reubelt in guter Erinnerung. „Beim Milchgeschäft Bittermann musste ich mit meiner Milchkanne in der Hand in einer langen Schlange anstehen.“ In der Bäckerei seiner Eltern gab's 50 Gramm Hefe zu zehn Pfennig. Und wenn mit einem Pferdefuhrwerk das Mehl angeliefert wurde, passierte es nicht selten, dass die Pferde, während das Mehl ausgeladen wurde, die ganzen Geranien an den Fenstern abfraßen.
Kaum acht Jahre alt begann für den kleinen Josef schon der Ernst des Lebens. „Damals sprach noch niemand von Kinderarbeit“, erinnert er sich. Er musste in der Bäckerei mithelfen und Brot ausfahren. Das hieß früh um sechs Uhr losradeln, um sieben war er dann als Ministrant beim Gottesdienst eingeteilt, danach gab‘s Frühstück und dann ging es in die Schule. Unterricht gab es damals von acht bis zwölf und von 14 bis 15.30 Uhr. In der Mittagspause lieferte der Junge wieder Brot aus. „Manchmal reichte die Zeit nicht einmal mehr zum Mittagessen“, erzählt er.
Ein ortsansässiger Wagner baute später einen Anhänger, mit dem das Brot ausgefahren wurde. Erst mit dem Fahrrad, später mit dem Moped. Dabei konnte es geschehen, dass sich die Räder nicht mehr drehten, weil sie so voller Lehm und Dreck hingen. Die Straßen waren in den 1950er Jahren oft noch nicht befestigt.
1958 bekam die Familie ihr erstes Auto und Josef Reubelt wenig später seinen Führerschein. Aber auch das funktionierte nicht immer reibungslos. Einmal blieb Reubelt am Schrotberg, der damals noch nicht befestigt war, im Sand stecken. Der Landrat Georg Burghard, der dort oben wohnte, half dem jungen Mann; die Brotkörbe mussten ausgeladen werden, dann zogen sie mit vereinten Kräften das Auto aus dem Sand, um ein Stück weiter oben die Brotkörbe wieder einzuladen.
Die Bäckerei in der Hofheimer Straße lag immer mitten im Dorfgeschehen, weiß Reubelt. Die Bürger kamen mit ihren riesigen Blechen voller Kuchen und ließen dort backen oder sie hatten eine Trage voller Brote auf dem Buckel, um diese im Bäckerofen fertig zu backen. „In der Gastwirtschaft 'Drei Mohren‘ waren Amerikaner einquartiert“, erzählt Reubelt, „die haben ihren Truthahn in den Ofen der Bäckerei geschoben. Dafür hat Eduard, einer der Amerikaner, früh eine Kanne Bohnenkaffee für seine Bäcker gebracht“.
Auch die erste Schokolade und die ersten Orangen brachte Eduard in die Familie. Nicht so ganz einfach war es für die Bäcker, die Vorschriften einzuhalten. Damals durfte erst ab früh um vier Uhr gebacken werden, für das Samstagsgeschäft aber war dies viel zu spät. Da wurde bereits um ein Uhr nachts mit den Vorbereitungen begonnen. Josef Reubelt erinnert sich, dass immer einer abgestellt wurde, um die Straße im Auge zu behalten; wenn ein Polizeifahrzeug kam, klopfte der zweimal und in der Backstube wurde das Licht gelöscht, bis es Entwarnung gab.
Neben seiner Mithilfe in der Bäckerei wurde der Junge auch vom Pfarrer eingespannt. Viermal im Jahr mussten die Ministranten den Beitrag für den Johannes-Zweigverein eintreiben. „Ich habe immer gleich zwei Listen bekommen und musste am weitesten fahren. 'Weil du die Leut‘ am besten kennst‘“, meinte der Pfarrer. Auch für die Schüler gab es immer wieder einmal eine besondere Schulaktion, die hieß Kartoffelkäfer ablesen. Mit der Fähre setzte man dazu über zum Reichelshof, wo die Kartoffelfelder waren.
Wenn Reubelt an seine Kinder- und Jugendjahre in Schonungen zurückdenkt, erinnert er sich vor allem an ein lebendiges Dorf. Neben den Landwirten gab es viele Wirtschaftsbetriebe. Drei Limonadenfabriken, drei Schreiner, zwei Milchläden, drei Bäcker und zahlreiche Metzgereien, zwei Fahrradgeschäfte, Schuhmacher, Kurzwarenläden und einen Färber, um nur einige zu nennen. Acht Wirtschaften, davon zwei mit einem eigenen Tanzsaal, sorgten für das gesellige Leben. Auch eine eigene Poststelle hatte die Gemeinde schon, seit sich Reubelt erinnern kann.