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Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz: Zeichnen bis zum letzten Schnaufer
Es gab zwei große Glücksfälle in unserem Leben“, sagt Achim Greser. „Der erste war, dass die 'Titanic' an unserer Arbeit interessiert war . . .“ – „und der zweite, dass die FAZ so mutig war, unsere Karikaturen ins Blatt zu nehmen“, ergänzt Heribert Lenz.
„Witze für Deutschland“ machen die Karikaturisten Achim Greser (links) und Heribert Lenz in ihrem Atelier in Aschaffenburg.
Foto: FOTO Markus Rill | „Witze für Deutschland“ machen die Karikaturisten Achim Greser (links) und Heribert Lenz in ihrem Atelier in Aschaffenburg.
Von unserem Redaktionsmitglied Markus Rill
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:09 Uhr

„In unserem Jahrgang der Grafikdesign-Studenten gab es nicht viele, die gezeichnet haben. Da war es leicht, sich kennenzulernen“, erzählt Greser, Jahrgang 61. Lenz, Jahrgang 58, hatte zuvor versucht, akademisches Zeichnen zu lernen. Kein Wunder, dass er einen Tick seriöser wirkt als sein Partner Greser. Der sagt „Ich wollte eigentlich Maler werden, bin aber zweimal an der Akademie abgelehnt worden – genau wie Hitler“ und lacht meckernd.

Wer keine Scheu hat, sich selbst mit Hitler zu vergleichen, der hat ein Humorverständnis, das nicht zwangsläufig zu Deutschlands größter konservativer Tageszeitung passt. Die FAZ, die heutzutage jeden Monat zwölf bis 14 Greser & Lenz-Zeichnungen veröffentlicht, war nie das Ziel der jungen Studenten. „Wir hatten die diffuse Hoffnung, vom Zeichnen leben zu können“, sagt Greser. „Uns schwebte ein Boh?me-Leben vor“, fügt Lenz hinzu.

Solche Ideen kamen ihnen an der Fachhochschule. „Die Professoren waren linkskritische 68er. Das war ein enormer Unterschied zu unserem unterfränkisch-bürgerlichen Background“, so Greser. Nach dem Studium verdiente sich Greser sein Geld durch Porträtzeichnen auf einer Fleischereifachwarenmesse, und Lenz machte das Layout für die Kataloge einer Spielwarenfirma.

Dank guter Kontakte zum Zeichnerkollegen F. K. Waechter bekam Greser 1986 eine Stelle als Layouter bei der linken Satire-Zeitschrift „Titanic“. 1988 kam Lenz mit ins titanische Boot. Gemeinsam verantworteten die beiden legendäre Covers der Satirezeitschrift wie „Zonen-Gaby: Meine erste Banane“, auf dem eine junge Frau stolz eine halb geschälte Gemüsegurke präsentiert, und „Wiedervereinigung ungültig: Kohl war gedopt“. So brachten sie gezeichnete Witze ins Blatt, jeder unter seinem eigenen Namen. Erst 1994 zeichneten Greser & Lenz erstmals im Team.

Nach einigen Jahren im bescheiden bezahlten „Titanic“-Job schauten sich die beiden nach Alternativen um. Achim Greser, der eine Freundin mit zwei Kindern zu ernähren hatte, erwog sogar, an der Tankstelle zu arbeiten. Die Rettung kam unverhofft aus dem konservativen Lager. „Der damalige FAZ-Kulturchef Gustav Seibt legte großen Reformeifer an den Tag und schaute sich im „Titanic“-Umfeld um, um frischen Wind in sein Blatt zu bringen.“

Der Lohrer brachte einige Cartoons zum Thema Lesen im Kulturteil und seinen Freund Heribert Lenz auf der Liste der freien Mitarbeiter der „Frankfurter Allgemeinen“ unter. Dann wurde Politikchef Johann Georg Reißmüller auf die ungewöhnlichen Zeichnungen aufmerksam. „Er fragte an, ob unsere Herangehensweise auch für politische Themen denkbar wäre“, erzählt Greser.

Gleich der erste Vorschlag von Greser & Lenz wurde veröffentlicht. Auf dem Höhepunkt der BSE-Krise zeigten sie zwei Eintagsfliegen, die eine Kuh umkreisen mit der Unterzeile: „Die gute Nachricht für Eintagsfliegen: BSE-Inkubationszeit liegt bei 10 Jahren“.

„Mit der typischen Nachkriegskarikatur, die Wagen im Dreck, kreisende Pleitegeier oder Sparschweine mit der Aufschrift ,Finanzpolitik' zeigt, haben wir nichts am Hut“, sagt Heribert Lenz. Stattdessen sei es ihr Anliegen „ein großes Thema auf die Nachbarschaft runterzubrechen“ und „die Medienaufgeregtheit zu enthysterisieren“. Statt den Leitartikel zu bebildern, wollen Greser & Lenz nichts anderes, als mit einem Sprechblasenwitz ein aktuelles Thema zu illustrieren.

Mittlerweile haben die beiden Zeichner alle Preise gewonnen, die es in Deutschland für Karikaturisten zu gewinnen gibt. Größeres Vergnügen bereitet ihnen jedoch die Erinnerung an ihr Treffen mit dem Bundespräsidenten. Nicht, weil die Skatpartie mit Johannes Rau so erbaulich gewesen wäre, sondern „weil wir im Schloss Bellevue einen Joint geraucht haben“, erzählt Greser mit lautem Lachen. „Als Hommage an die Beatles, die schon in Buckingham Palace gekifft haben“, ergänzt Lenz und mag sein Schmunzeln nicht unterdrücken.

Die weitere Lebensplanung? Ganz einfach: „Zeichnen bis zum letzten Schnaufer“, sagt Greser.

 
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