Die Würzburger hatten sich lange in Sicherheit gewähnt. Am 16. März 1945 wurde alle Illusion, als schmucke Bischofsstadt ohne große Industrie unversehrt davon zu kommen, zerstört. Die Bomben vor 70 Jahren mögen überraschend gefallen sein. Aber sie fielen infolge des verbrecherischen Regimes der Nationalsozialisten und der Entfesselungen des Zweiten Weltkriegs. Welche Gründe standen hinter dem Angriff? Was bedeutete er für die Menschen unmittelbar und für die Geschichte der Stadt? Wie ist der 16. März heute zu bewerten? Stadtheimatpfleger Dr. Hans Steidle wird darüber am Vorabend des Jahrestags, an diesem Sonntag, 15. März, in der Volkshochschule in der Münzstraße sprechen. In seinem Vortrag will Steidle den historischen Moment in der Geschichte Würzburgs vergegenwärtigen und bewerten. Beginn ist um 19.30 Uhr.
Dr. Hans Steidle: 1947 formulierte Leonhard Frank in seinem Roman „Die Jünger Jesu“, der im zerstörten Würzburg spielt: „Würzburg, das jetzt eine zerhackte Ruine ist, ein Denkmal der Hitler-Herrschaft.“ Damit benennt er den Kontext des 16. März 1945, denn NS-Deutschland verursachte die immense Zerstörung der Welt und das Völkermorden, den Zweiten Weltkrieg. Die totale Kriegsführung kehrte sich im Bombenkrieg gegen Deutschland. Eine solche Erinnerung umschließt auch Trauer.
Steidle: Jeder Würzburger kann deutlich den Zeitenbruch erleben, der mit der Zerstörung 1945 verbunden war. Man muss nur die modern wieder aufgebaute Altstadt und das Fehlen von historischen Originalgebäuden im Straßenbild sehen – mit Ausnahme vor allem der rekonstruierten Monumente. Der 16. März als Gedenktag lenkt die allgemeine Aufmerksamkeit auf die geschichtlichen Zusammenhänge und veranschaulicht die Leiden, die Kriege den Menschen bringen. Es geht um diese emotionale und intellektuelle Annäherung, die jeder leisten kann, um die Geschichte seiner Stadt besser zu verstehen.
Steidle: Es ist eine deutliche Veränderung eingetreten. Ursprünglich war es die Trauer der überlebenden Mehrheit um die Opfer des Angriffs, den Verlust der historischen einmaligen Stadt, aber auch die Erinnerung an die Entbehrungen der Nachkriegszeit. Dies mischte sich mit dem Bedürfnis, sich selbst als Opfer zu sehen und damit die deutsche historische Verantwortung zu mindern. Seit einigen Jahrzehnten orientiert sich das offizielle Erinnern an der Einbettung des Bombenangriffs auf Würzburg in den geschichtlichen Kontext und die Konsequenz, die Völkerversöhnung und die Notwendigkeit von Friedenswahrung.
Steidle: Ich kenne nicht sehr viele Menschen, die sich auf diesen Aspekt beschränken. Es gibt außerdem kein einheitliches Wir. Trauer um Opfer eines kriegerischen zerstörerischen Akts ist immer angebracht.
Steidle: In Würzburg sind aus der Zivilgesellschaft wichtige Initiativen entstanden, die sich der umfassenden Vergegenwärtigung der NS-Gräuel engagiert zuwenden: die Stolperstein-Initiative, die Initiative „Wir wollen uns erinnern“, „Würzburg ist bunt“. Die Repräsentanten Würzburgs, die Vertreter aller demokratischen Parteien und Religionsgemeinschaften arbeiten an einer offenen, demokratischen und politisch selbstkritischen Erinnerungskultur.
Steidle: Zunächst die Ruinen, in denen wir Kinder noch spielten. Dann die Erzählung meiner Mutter, die als Journalistin mit dem Zug am 16. März 1945 von Schweinfurt nach Würzburg zurückkehrte und vom Bahnhof Aumühle es gerade noch rechtzeitig in den Keller der damaligen Lehrerbildungsanstalt am Wittelsbacher Platz schaffte.
Steidle: Für die Menschen war es die unmittelbar erfahrene Kriegskatastrophe kurz vor dem Ende des Kriegs. Die Hoffnung, der Kriegszerstörung zu entkommen, wurde getrogen. Nicht nur die Stadt war eine Ruinenlandschaft, auch die Menschen fühlten sich in ihrer Existenz zunächst vernichtet. Für viele standen auch der Zufall und das Erstaunliche, dem Tod und Schrecken des Feuersturms entkommen zu sein, im Mittelpunkt. Dies war für viele auch ein Motiv für den aktiven Aufbau der Stadt und der eigenen Existenz.
Steidle: Seine historische Ursprünglichkeit, in der das Alter der Stadt an den Häusern und den Straßen unmittelbar ablesbar ist. Das alte Würzburg war eine reiche und vielgestaltige europäische Stadt. Das Nachkriegsstadtbild ist klarer, aber auch eintöniger und langweiliger geworden. Allerdings hat Würzburg mit dem Kriegsende und der Befreiung vom Nazismus durch die US-Army am 5. April 1945 auch die Chance gewonnen, zu einer weltoffenen, demokratischen und europäischen Stadt zu werden. Insofern bedeutet die Zeit vom 16. März 1945 bis zum 5. April 1945 einen Tiefpunkt und eine Wende in Würzburgs Geschichte.
Steidle: Ich habe mich in den letzten Monaten viel mit dem zerstörten Würzburg beschäftigt. Der Zerstörungsgrad war außerordentlich, und die Aufgabe gewaltig. Allerdings gab es erhaltenswerte Fassaden, die unnötig abgerissen wurden. Viel historische Substanz wurde weggeräumt und für immer zerstört. Aber mir geht es heute um die gegenwärtige Bausubstanz und deren Erhalt. Hier gilt es die Leistungen des Wiederaufbaus zu würdigen und zu schützen. Man gibt gegenwärtig ein bedeutendes Denkmal des Wiederaufbaus seitens der Stadt zum Abriss frei. Dies zu verhindern halte ich für wichtiger als die alte Diskussion um die „Sünden“ des Wiederaufbaus.
Steidle: Eine Vielschichtigkeit und Vielfältigkeit in den Formen des Erinnerns zwischen Trauern um Opfer und Gewalt über das Aufklären über den geschichtlichen Kontext bis hin zu einer politischen und persönlichen Praxis, die sich Völkerhass und Kriegsgewalt entgegenstellt.
Steidle: Ja. Der Gedenkraum im Rathaus ist inzwischen verbessert worden. Leider fehlt der Stadtgemeinschaft ein Ort der Erinnerung an die jüngere und jüngste Stadtgeschichte. Damit meine ich nicht ein Denkmal, sondern ein Stadtgeschichtliches Museum, das in der Altstadt gelegen die Entwicklung unserer Stadt im 19. und 20. Jahrhundert dokumentiert, aber auch aktiv in die Öffentlichkeit Würzburg hineinwirkt. Ich habe schon vor Jahren das Gebäude des ehemaligen Mozartgymnasiums als geeignete Stätte benannt. Daran hat sich nichts geändert.
Steidle: Bei der Vergegenwärtigung der Geschehnisse in der Nacht des 16. März, besonders der Lage der Menschen, aber vielleicht bei der Sorge, ob wir Deutsche und Europäer uns gegenwärtig wieder an Kriegsgefahr und Krieg gewöhnen.
Stadtgespräch zum 16. März
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