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GEMÜNDEN
Interview: Jetzt kommt Kümmert!
Nach seinem Erfolg in der Castingshow war es ruhig geworden um Andreas Kümmert. Nun meldet sich der Gemündener mit neuem Album zurück und geht auf große Deutschlandtournee.
Interview: Jetzt kommt Kümmert!
Anita Schöppner
 und  Markus Rill
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:05 Uhr

Nobody knows you when you're down and out“, singt Andreas Kümmert im März in einem Proberaum in Eußenheim. Seit Jahren spielt der Mann aus Gemünden diesen 80 Jahre alten Song in fast jedem seiner Konzerte, rund 150 Mal im Jahr. Keiner kennt dich, wenn du ganz unten bist. Das Publikum – mal 15 Leute, mal 50 – hat das dem korpulenten Mann immer abgenommen. In ein paar Tagen wird er den Song in ganz Deutschland singen, in Hallen, die zwei- bis dreitausend Menschen fassen. Andreas Kümmert ist jetzt ganz oben, fast jeder kennt den Gewinner der TV-Casting-Show „The Voice Of Germany“. Doch das ist für den Mann mit der Ausnahmestimme kein Grund, jetzt nicht mehr den Blues zu singen.

Frage: Was hat sich für Dich nach dem großen Erfolg bei „The Voice of Germany“ geändert?

Andreas Kümmert: Für mich als Person hat sich nichts geändert. Natürlich ist es so, dass der Bekanntheitsgrad ein bisschen größer ist und der Marktwert gestiegen ist, aber ich habe mich – denk' ich – persönlich nicht viel verändert.

Sechs der zehn Konzerte aller „Voice of Germany“-Halbfinalisten um den Jahreswechsel verpasste der Sieger, weil ihm die Stimme fehlte. Ab Mitte Januar arbeitete Andreas Kümmert an seinem Sieger-Album, das möglichst bald nach der Sendung in die Läden kommen sollte. Am Freitag ist die Single „Just Like Me“ erschienen, am 4. April folgt das Album „Here I Am“.

„Hier bin ich“ ist durchaus ein programmatischer Titel. Zwar hat der 27-Jährige schon vorher zwei CDs in Heimarbeit aufgenommen, doch dieses Album erscheint bei Universal Records. Für die Aufnahmen wurden Top-Studiomusiker gebucht wie Lenny-Kravitz-Gitarrist Craig Ross, Songschreiber aus den USA eingeflogen und Produzent Justin Stanley verpflichtet, ein Mann, der schon mit Eric Clapton und Sheryl Crow gearbeitet hat.

Wie war die Zusammenarbeit?

Kümmert: Sehr entspannt. Ich habe mit Max Herre und Justin Stanley zusammengearbeitet. Es hat großen Spaß gemacht. Man lernt viel von Leuten, die schon so lange im Business sind und vor allem schon so lange in dieser Liga.

Inwieweit konntest Du Dich selbst beim Album einbringen?

Kümmert: Mehr als gedacht. Man hört ja normalerweise von Casting-Alben, dass man da nicht viel zu sagen hat, aber ich habe beim Sound mitreden dürfen, hab Co-Writings gemacht, also mit den Jungs zusammengeschrieben. Und es wurden auch zwei Titel von meinem alten Album noch einmal neu aufgelegt.

„Wir spielen Like My Daddy Said“, sagt Kümmert im Proberaum an. Seine Mitmusiker fragen: „Die neue Version oder die alte?“ – „Wir machen's wie immer“, sagt Kümmert und spielt das schwer rockende Intro-Riff auf seiner E-Gitarre.

Ist das Album geworden, wie Du wolltest, oder musstest Du Dich anpassen?

Kümmert: Es gibt natürlich bei großen Produktionen immer ein, zwei Sachen, die von der Plattenfirma mit eingeworfen werden. Zum Beispiel Lieder aus einem Song-Pool von Songwritern, die für die Plattenfirma arbeiten. Und davon haben wir auch zwei, drei Nummern genommen. Für Single-Aktionen et cetera.

Und das sind Songs, die Du nicht ganz so toll findest ...

Kümmert: Doch, ich finde die gut. Ich hab aber nicht daran mitgeschrieben.

Bei den Aufnahmen zum Album hat Kümmert mit herausragenden Profis gearbeitet, auf Tour geht er mit der Band, die ihn seit zwei Jahren live begleitet. Gute Musiker aus dem Landkreis-Main-Spessart – Studenten, Mediengestalter, Angestellte –, die zurzeit mehrmals in der Woche proben. An große Hallen, große Bühnen und zwei-, dreitausend Zuschauer ist keiner von ihnen gewöhnt.

Du gehst mit eigener Band auf Tour. Alles Musiker aus Main-Spessart, die Du selbst ausgesucht hast. Warum legst Du da so großen Wert drauf?

Kümmert: Das ist die Band, mit der ich seit etwa zwei Jahren live spiele. Ich kenn' die Leute, hab die sehr gern und weiß, dass sie kompetent genug sind, um so eine Tour zu machen.

Schlagzeuger Stefan Schön erklärt: „Ich muss mir für die Tournee Urlaub nehmen. Zum Glück sind wegen Ostern ein paar Feiertage dabei.“ Für die 14 Konzerte in 17 Tagen benötigt er zehn Urlaubstage. „Natürlich tue ich das gern, schließlich ist das eine einmalige Chance.“

Auch das Cover des neuen Albums wurde von der gleichen Grafikerin gestaltet wie das Cover des vorherigen Albums. Arbeitest Du gerne mit alten Weggefährten zusammen?

Kümmert: Definitiv ja. Für mich hat sich der Stand der Plattenfirma geändert und ein bisschen der Bekanntheitsgrad, aber ich selbst hab mich meiner Meinung nach nicht verändert. Und da finde ich es schon wichtig, dass auch die alten Leute, mit denen ich schon vorher gearbeitet habe, mit involviert werden.

Die fünf Musiker und zwei neu hinzugekommene Backing-Sängerinnen üben die Songs, die Kümmert seit Jahren spielt, darunter auch eine ganze Reihe von Coversongs, „With A Little Help From My Friends“, „To Love Somebody“, „A Whiter Shade Of Pale“. Das ist nicht die Art Songs, die Casting-Show-Teilnehmer ihrem häufig recht jungen Publikum für gewöhnlich vorsetzen.

Was sagt die neue Plattenfirma dazu, dass Du so bodenständig geblieben bist? Kommt ihr das nicht in die Quere?

Kümmert: Jein. Es gibt sicherlich Sachen, bei denen wir nicht immer einer Meinung sind. Aber ich werde mich auf keinen Fall für irgendwas oder für irgendwen verändern.

Es gab keinen Druck in diese Richtung?

Kümmert: Nee, gar nicht.

Du trittst jetzt in größeren Hallen auf, als du es vor deiner Teilnahme bei „The Voice of Germany“ gewohnt warst. Es ist wahrscheinlich ein Unterschied, vor 2000 oder vor 200 Leuten zu stehen. Gab es Tipps für die Auftritte?

Kümmert: Es kam in den letzten acht Jahren schon auch mal vor, dass ich größere Festivals gespielt habe vor zweieinhalb bis 3000 Leuten. Ich denke, dass ich auf der Bühne einfach so bin wie immer. Ich lasse mir da auch nicht reinreden. An meinem Bühnenverhalten oder an meinem Live-Verhalten wird sich nichts ändern.

Das letzte März-Wochenende verbringen Kümmert und Band in Berlin für Generalproben und ein Promotion-Konzert für von der Plattenfirma geladene Gäste. „Wir werden dort erstmals auf der für uns gestalteten Bühne und in den für uns ausgesuchten Klamotten spielen“, sagt Stefan Schön.

Wie ist die Gefühlslage vor der Tournee?

Kümmert: Ich setze meine Erwartungen meistens recht niedrig an. Wie du sagtest, ich bin's ja auch gewohnt, vor wenigen Leuten zu spielen. In den letzten acht Jahren habe ich teilweise auch nur fürs Thekenpersonal gespielt. Ich hoffe natürlich, dass die Leute zufrieden sein werden mit der Mischung von Songs, die wir da zusammengestellt haben.

Kümmerts Können und seine Attitüde haben auch den Australier Justin Stanley beeindruckt. „Andreas ist nicht nur ein Sänger oder ein Gitarrist. Der ist wirklich durch und durch ein toller Musiker“, schwärmt Stanley im Promo-Video. Die Plattenfirma scheint das ähnlich zu sehen. Noch kein Teilnehmer einer deutschen Casting-Show konnte sich bisher als Künstler etablieren. Aber bisher hat auch noch kein deutscher Casting-Show-Teilnehmer ein Album wie „Here I Am“ machen dürfen – mit starken Songs zwischen Soul und Poprock, vorzüglich produziert. „Das Album klingt wie 1973“, sagt Max Herre, Kümmerts Förderer bei „Voice of Germany“ und Co-Produzent von „Here I Am“.

Wie würdest Du das Album beschreiben?

Kümmert: Ich würd's als sehr organisch beschreiben, sehr auf dem Boden, ohne großen Schnickschnack. Und natürlich nur mit echten Instrumenten und ohne Samples. Es ist tatsächlich ein Album, das – vom Sound her – auch in den 60ern, 70ern hätte veröffentlicht werden können.

Bleibt die Frage, ob ein Album, das Einflüsse von Elton John, den Black Crowes, Joe Cocker und Ryan Adams vermengt, in den Charts neben den Beyoncés, Pharrell Williams' und Rihannas von heute bestehen kann.

Hast Du Angst, genauso schnell in Vergessenheit zu geraten, wie Du durch die Sendung berühmt geworden bist?

Kümmert: Was einem klar sein muss, ist, dass dieser Hype natürlich keine dauerhafte Geschichte ist. Aber mein Ziel war sowieso ein ganz anderes. Ich wollte meine Musik einfach mal an eine größere Öffentlichkeit bringen. Diese Präsenz in den Medien ist etwas, auf das ich nie scharf war. Ich möchte einfach Musik machen. Nicht im Sinne von im Fernsehen und in der Presse sein, sondern einfach Konzerte spielen und Platten machen.

Während Kümmert bei „Voice of Germany“ zum Star aufstieg, wünschten seine Weggefährten, dass er nicht zu viele Kompromisse würde eingehen müssen, um den Fernsehmachern zu gefallen. Mittlerweile fragen sich Leute, die ihn gut kennen, ob er sich mit seiner kompromisslosen Art nicht manchmal selbst im Weg steht.

Bei der Musikmesse in Frankfurt sollte Kümmert am 15. März am Stand von Gitarrenhersteller Gibson auftreten und einen Preis entgegennehmen. Nur sein Manager erschien. Als sich die Fans im Internet beschwerten, schrieb Kümmert, es tue ihm leid, dass er „aus privaten Anlässen nicht da sein konnte“. Er schob noch einen verbalen Mittelfinger hinterher: „Besonderer Gruß an mein Management - F.U.!!!“

Auf Deiner Homepage erwähnst Du mit keinem Wort den Sieg bei „The Voice of Germany“. Da steht nur lakonisch „20. Dezember (2013) TVoG finale“. Ist das Bescheidenheit oder willst Du nicht nur als der Gewinner einer Castingshow bekannt sein?

Kümmert: Vielleicht ein bisschen etwas von beidem. Ich bilde mir nix drauf ein, dass ich da gewonnen habe. Vielleicht ist es auch besser, wenn das viele Leute nicht wissen und meine Musik auf einem anderen Weg kennenlernen.

Den Stempel „Castingshow-Gewinner“ möchtest Du also auf gar keinen Fall haben . . .

Kümmert: Nee. Den möchte ich schon deswegen nicht haben, weil ich ja auch schon vorher musiziert habe und von der Musik gelebt und Platten gemacht habe. Es gab ja eine Zeit vor dieser „The Voice“-Sache.

Aber Du wirst schon auf der Straße angesprochen und musst mehr Fanpost beantworten?

Kümmert: Es gibt Fanpost – tatsächlich –, die ich einmal wöchentlich beantworte. Und das auf der Straße angesprochen werden – das hält sich eigentlich in Grenzen.

Im Proberaum wird Kümmert nur laut, wenn er singt. Zwischen den Songs ist es eher Stefan Schön, der das Wort führt. Er ist der Hausherr im knapp 30 Quadratmeter großen Proberaum. „Ich wohne hier mit meiner Oma. Sie hört nicht mehr gut, deswegen stört es nicht, wenn wir hier proben.“ Die Wände sind zwar mit Dämmstoff verkleidet, doch durch die Fenster klingen Rock'n'Roll und Blues auf die Straße. Zwischen den Stücken schaut Schön auf die Set-List und sagt an, welcher Song als nächstes drankommt.

Manchmal fragt Sängerin „Illa“ Henig, die für die Tour neu dazugestoßen ist, ob sie bei der nächsten Nummer mitsingen soll. „Frag den Kapellmeister“, sagt Kümmert dann. Keyboarder Sebbo Bach arrangiert die Background-Stimmen. Die zweite Sängerin Ines Koch hat Kümmert bei „The Voice“ kennengelernt. Als er auf Facebook nach einer weiblichen Stimme für die Tour suchte – „bevorzugt aus dem Raum Würzburg“ – meldete sich die Hamburgerin. Sie kam für einige Tage zum Proben nach Unterfranken und bekam von Kümmert die Zusage. Erst in Berlin trifft sie die Band wieder. In den letzten zwei Wochen vor Tourstart will die Band dann täglich komplett proben.

Welche Erwartungen knüpfst Du an Deine erste große Deutschland-Tournee?

Kümmert: Für mich ist die wichtigste Erwartung: Ich möchte den Leuten den Wert, den sie für das Ticket bezahlen, in Musikform zurückgeben. Ich möchte die Leute glücklich machen mit meiner Musik. Das ist die Erwartung, die ich an die Tour habe. Und an mich.

Der Gewinn der Casting-Show hat Kümmert eine Chance eröffnet, wie sie noch kein Künstler aus Mainfranken hatte: Bei einem Major Label ein Album aufzunehmen und eine Tour in einigen der renommiertesten Live-Clubs und Konzerthallen Deutschlands zu spielen – Batschkapp Frankfurt, Muffathalle München, Große Freiheit Hamburg, Live Music Hall Köln. Kümmert weiß, dass die nächsten Wochen und Monate für ihn wegweisend werden. Bisher konnte es mit seiner Musiker-Karriere nur aufwärts gehen, jetzt hat er eine Fallhöhe erreicht.

Ist es manchmal schwer, normal zu bleiben?

Kümmert: Eigentlich gar nicht.

Ist für Dich alles so gelaufen, wie Du es Dir vorgestellt hast?

Kümmert: Nein. Der Plan war ja, ein- bis zweimal Fernsehpräsenz, um meine Musik etwas bekannter zu machen, und dann rausfliegen und darauf aufbauen. Das ist ja dann ganz anders gekommen.

Ist es nach Deinem Sieg so gelaufen wie erhofft?

Kümmert: Eigentlich schon. Ich hab nicht sonderlich viele Interviews gegeben. Ich hab mich nicht in der Vordergrund gedrängt oder sonst was. Nachdem ich realisiert hatte, dass die Möglichkeit besteht, dass ich tatsächlich gewinne, habe ich mir vorgenommen, dass ich trotzdem bodenständig und gelassen einfach meine Musik mache.

Andreas Kümmert trägt weiter seine Kapuzenpullis und spielt den Blues. Im Eußenheimer Proberaum spielt eine gute, knackige Rockband mit einem herausragenden Sänger. Falls Ruhm, Erfolg und die Unterstützung der Plattenfirma nur vorübergehend sind, wird Kümmert einfach weitermachen wie vorher, mit einem Namen und einer Stimme, die dann viel mehr Leute kennen als vorher.

Es ist spät geworden nach dreieinhalb Stunden konzentrierten Probens. „Einen spielen wir noch“, sagt Andreas Kümmert um kurz vor 23 Uhr. „Sweet Home Chicago“.
 


Die Tourdaten

11. April: Kammgarn, Kaiserslautern

12. April: Stadthalle, Lichtenfels

13. April: Posthalle, Würzburg

15. April: Live Music Hall, Köln

16. April: Rosenhof, Osnabrück

17. April: Postbahnhof, Berlin

18. April: Große Freiheit, Hamburg

20. April: FZW, Dortmund

22. April: LKA, Stuttgart

23. April: Muffathalle, München

25. April: Schlachthof, Dresden

26. April: Kl. Haus Auensee, Leipzig. 27. April: Capitol, Hannover.

28. April: Batschkapp, Frankfurt

Die Band:
Tobias Niederhausen – Gitarre Jannis Reuter – Bass Sebbo Bach – Keyboards Stefan Schön – Drums Brigitte Henig, Ines Koch – Gesang, Im Vorprogramm spielen Lick And A Promise aus Marktheidenfeld.

Von diesem Proberaum geht's auf die Bühne: Brigitte Henig, Kümmert, Stefan Schön, Tobias Niederhausen, Sebbo Bach (von links).
| Von diesem Proberaum geht's auf die Bühne: Brigitte Henig, Kümmert, Stefan Schön, Tobias Niederhausen, Sebbo Bach (von links).
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