Der Dichter Emanuel Geibel hat ja nicht nur Stuss geschrieben, auch wenn man über die Zeilen „Und es mag am deutschen Wesen einmal noch die Welt genesen“ gnädig einen blickdichten Mantel der Literaturgeschichte breiten sollte. Von Geibel stammt nämlich auch: „Wer recht in Freuden wandern will, der geh' der Sonn' entgegen!“ Und dagegen ist wirklich nichts einzuwenden, zumal, wenn es sich a) beim Wanderer um die eigene Person handelt und sich b) der Brückentags-Miniurlaub in Thüringen abspielen soll, mithin also in „Deutschlands grünem Herzen“.
Tja, „der Sonn' entgegen“ – das wär's, wenn man schon mal ein paar Tage frei hat. Dabei: Einen Wanderer kann natürlich nichts abschrecken, schon gar nicht schlechtes Wetter! Letzteres gibt es ja auch gar nicht, sondern nur unpassende Kleidung, und wenn's doch schütten sollte: „Man ist ja nicht aus Zucker.“ Wirklich goldig, diese schönen Sprüche, die man gern zum Besten gibt, solange man sich nicht gerade selbst auf den Weg ins nächstgelegene mitteleuropäische Tiefdruckgebiet macht.
Äh, was sagt drei Tage vor der Abreise eigentlich der Wetterbericht? Auf dem Fernsehschirm fuchtelt ein mutmaßlich ADHS-geschädigter Meteorologe mit den Armen, dann ploppen hinter ihm die Wochentage auf: Montag: Sonne. Dienstag: Sonne. Mittwoch: nun ja, halb Sonne . . . Und dann . . . Wie? Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt. Nö, oder? Temperatursturz? Und hat der Typ dabei nicht auch noch gegrinst? Bloß runter vom Bildschirm mit dem Mann, völlig unbrauchbar!
Aber es gibt ja noch das Internet. Da fand sich doch bisher immer irgendeine Seite, die zuverlässig Sonne versprach, wenn alle anderen die dicken Wolken zeigten. Doch diesmal? Eine Verschwörung der übelsten Sorte!
Okay, wir finden uns damit ab. Die Temperaturprognose ist im einstelligen Bereich, die Stimmung auch. Wir suchen die dicke Jacke raus, imprägnieren die Schuhe, packen einen Ersatz-Regenschirm ein. Herrgott, da will man einmal weg, es ist aber auch . . .!
Ach ja, bei Ankunft am Rennsteig ist dann der Gebirgsbach das Einzige, was plätschert. Die Maisonne legt sich milde auf die Schieferfassaden, im Biergarten prostet man sich zu. „Herzlich willkommen,“, sagt der Hotelbesitzer, „Sie haben ja das schöne Wetter mitgebracht!“