zurück
Im Wald der Jahresbäume
Grünes Klassenzimmer: Auf dem ehemaligen Sportplatz des TSV Aubstadt finden sich alle „Bäume des Jahres“, die seit 1989 durch das „Kuratorium Baum des Jahres“ bekannt gegeben werden.
Foto: Helmut Glauch | Grünes Klassenzimmer: Auf dem ehemaligen Sportplatz des TSV Aubstadt finden sich alle „Bäume des Jahres“, die seit 1989 durch das „Kuratorium Baum des Jahres“ bekannt gegeben werden.
Von unserem Redaktionsmitglied Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:18 Uhr

In Aubstadt (Landkreis Rhön-Grabfeld), kennt buchstäblich jedes Kind den Naturlehrgarten „An der Blöß“. Der Grund dafür ist ganz einfach, denn jeder Junge, jedes Mädchen, das einmal Vorschulkind am Aubstädter Kindergarten war, hat mindestens einen „Pflichttermin“ im Naturlehrgarten. Seit 1989, seit es den sogenannten Baum des Jahres gibt, wird im Naturlehrgarten oder Baumlehrpfad der jeweils aktuelle Baum des Jahres gepflanzt.

Seit 2001, damals war die Esche der Baum des Jahres, haben die Vorschulkinder des Kindergartens mit dem Obst- und Gartenbauverein die Patenschaft übernommen. So ist auf dem Gelände, auf dem bis in die 1960er Jahre noch die Kicker des heutigen Bayernligisten TSV Aubstadt ihre Spiele austrugen, ein in dieser Form wohl recht einmaliger Wald der Jahresbäume entstanden. Jedes Jahr im Oktober wird der Baum des Jahres von der „Baum des Jahres – Dr. Silvius Wodarz Stiftung“ (vormals Menschen für Bäume) und durch deren Fachbeirat, das „Kuratorium Baum des Jahres“ (KBJ), für das darauffolgende Jahr bestimmt.

Heuer im Oktober wird der aktuelle Baum des Jahres, der Holzapfel, die Vielfalt erweitern. 2014 wird dort der 25. Baum des Jahres gepflanzt, und die Vorschulkinder sind garantiert wieder dabei, um den Baum zu gießen und ihm ein langes Leben zu wünschen. Später, mitunter mit ihren Schulklassen, kommen die Kinder immer wieder vorbei, um nach ihrem Baum zu schauen, der genau wie die Kinder jedes Jahr ein Stückchen größer wird.

Doch bei aller Zuwendung der Kinder ist der Wald nicht alleine gewachsen und es hat viel Arbeit und Pflege gebraucht, weiß Bernhard Korb vom Obst- und Gartenbauverein Aubstadt, der sich um Stieleiche (1989), Gingko Biloba (Jahrtausendbaum zum Millennium) und all die anderen, teilweise exotischen hölzernen Kameraden kümmert. Die verschiedenen Baumarten haben mitunter extrem unterschiedliche Standortansprüche, sollen aber alle sozusagen in Sichtweite zueinander gedeihen. Damit dies gelingt, muss man schon ganz genau wissen, welcher Baum es lieber etwas feuchter hat und wer die pralle Sonne nicht so mag.

Dieser Parcours durch die Jahresbäume, den man auf gemähten Wegen durchwandern kann, ist aber noch lange nicht alles, was die Blöß zu bieten hat. In Sichtweite der jungen Nachwuchsstars im Wald der Vielfalt, steht eine uralte Eiche, die gerne als 1000-jährige Eiche bezeichnet wird und die längst in die Liste der Naturdenkmäler aufgenommen wurde. „1000 Jahre wird sie nicht ganz auf dem Buckel haben, aber 650 dürften es schon sein“, sagt Hans Bernd Bader, der sich als Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins federführend um das Areal kümmert und der noch viele Ideen hat, wie man das Gebiet weiter voranbringen könnte.

Die Eiche selbst macht ihrem Status als Naturdenkmal alle Ehre, denn wie ein Denkmal steht sie, angeschlagen aber unbeugsam, wie auf zwei stämmigen Beinen auf ihrem Platz. Immer wieder saniert und in ihrer Stabilität unterstützt, entschließt sich die alte Eiche Jahr für Jahr wieder frisches Grün auszutreiben und dem eigenen Leben einen Jahresring hinzuzufügen.

Wer Bratwurststand und kommerzielle Angebote am Naturlehrgarten erwartet, der wird enttäuscht. Die Blöß ist auch aufgrund ihrer Lage eher ein Platz für andächtige Naturgenießer. Die Aussicht von dem rund 370 Meter hoch gelegenen Plateau ist phänomenal. Bei klarem Wetter kann man bis weit in den Milzgrund, bis auf die Ausläufer der Haßberge bei Sulzfeld und vor allem weit ins Thüringer Land hineinschauen. Wer den großen und kleinen Gleichberg betrachten möchte, hat hier im wahrsten Sinn des Wortes beste Aussichten. Bis 1989, als man noch nicht problemlos in den Osten Deutschlands fahren konnte, hatte man von dort aus auch einen Blick Richtung „drüben“ – auf den „Todesstreifen“, der östliches und westliches Grabfeld voneinander trennte.

Unweit des Naturlehrgartens wurden auch Keltengräber entdeckt, die man grob auf die Zeit zwischen 400 und 800 vor Christus datiert hat. Auch die Hügelgräber zeigen, dass die Blöß, von der niemand mehr weiß, woher sie ihren Namen hat, schon immer ein Ort war, der die Menschen angezogen hat. Von diesem natürlichen Aussichtspunkt sahen unsere Vorfahren ganz genau, wenn sich etwa wandernde Völker näherten oder Tierherden durchs Land zogen.

Heute ziehen vor allem Menschen zu Fuß oder mit dem Rad umher. Der Radweg von Dom zu Dom von Fulda bis Bamberg führt genau am Naturlehrgarten vorbei, Wanderer nutzen die Bänke, um sich niederzulassen, sich zu stärken und die Aussicht zu genießen. Die Blöß, das ist ein friedlicher Ort, der seinen eigenen Zauber entfaltet, wenn man bereit ist, sich einzulassen auf die Natur, das Rauschen der Blätter und die Wanderung der Wolken.

Schulklassen kommen vorbei, um in der Natur von der Natur zu lernen. Genau in diese Richtung möchte Hans Bernd Bader das Gebiet entwickeln. In Anlehnung an die ehemalige Nutzung als Fußballplatz schwebt ihm eine Natur-Arena vor. Ein Platz nicht nur mit einem grünen Klassenzimmer, sondern in Vernetzung mit anderen Vereinen und Institutionen, ein Platz für vielfältige Naturerlebnisse. Vom Probeimkern bis zu Pilz- und Kräuterwanderungen ist vieles denkbar für Interessierte, die sich von der Natur einladen lassen wollen. Doch das ist Zukunftsmusik. Bislang ist der Naturlehrgarten an der Blöß ein Geheimtipp für Wanderer und Radler, die sich völlig ohne Touristen-Rummel auf herrliche Aussichten und die Stimmen der Natur einlassen möchten.

Die Blöß in Aubstadt

Die Blöß ist ein ideales Ziel für Wanderer und Radfahrer. Die Region Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld) bietet ohnehin zahlreiche Möglichkeiten, die Natur wandernd oder radelnd zu entdecken. Der Lehrgarten liegt darüber hinaus direkt am Radweg „Von Dom zu Dom“, der sich von Bamberg bis Fulda erstreckt. Besucher, die von Bad Königshofen kommen, biegen am Aubstädter Ortsausgang Richtung Milzgrund nach links ab. Von dort sind es nur noch 1200 Meter bis zur Blöß. Der Weg ist beschildert.

Führungen werden bislang noch nicht regelmäßig angeboten. Interessierte können sich aber an den Obst- und Gartenbauverein Aubstadt wenden. Dort werden Führungen für Gruppen organisiert. Schulklassen können selbstständig den Baumlehrpfad besuchen.

Infos: www.aubstadt.de

ONLINE-TIPP

Alle bisher erschienenen Artikel und weitere Bilder zur Gartenserie finden Sie unter www.mainpost.de/gartenserie

Blick auf die Gleichberge: Die Blöß ist vor allem ein hervorragender Aussichtspunkt.
| Blick auf die Gleichberge: Die Blöß ist vor allem ein hervorragender Aussichtspunkt.
Naturdenkmal: Wie ein Riese auf zwei Beinen mutet die 1000-jährige Eiche an.
| Naturdenkmal: Wie ein Riese auf zwei Beinen mutet die 1000-jährige Eiche an.
Immer im Oktober: Der „Baum des Jahres“ wird gepflanzt.
| Immer im Oktober: Der „Baum des Jahres“ wird gepflanzt.
Ein Garten für Blinde
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gartenserie 2013
Jesus Christus
Obst
Obst- und Gartenbauvereine
Schulklassen
TSV Aubstadt
Wanderer
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen