Wer beim Begriff Flohmarkt unwillkürlich an kleine bissige Insekten denkt, liegt wohl gar nicht so falsch. Die Ursprünge der heutigen Floh- und Trödelmärkte sollen nämlich in Paris liegen, wo Händler Ende des 19. Jahrhunderts die abgetragenen Kleider der Reichen aufkauften, um sie dann auf Märkten anzubieten. Manch eines der springgewaltigen Tierchen nistete sich da zwischen Pelzkragen und Pailletten ein und quälte den neuen Besitzer im wahrsten Sinne des Wortes bis aufs Blut.
Auch heute liegen auf den Flohmärkten Klamotten wieder voll im Trend. Fand man noch vor zehn Jahren allenfalls ausgesuchte und hochwertige Kleidungsstücke, die dann auch ihren Preis hatten, so wird heute immer häufiger Alltagsware verramscht. Eine Entwicklung, von der die Sammler und Jäger ganz und gar nicht begeistert sind. Die wollen sich nämlich nicht durch Berge von T-Shirts wühlen, sondern suchen Antiquitäten, Skurriles, Schallplatten, Antiquarisches und was man sich sonst noch alles so vorstellen kann – oder auch nicht.
Glaubt man den Händlern und Kunden, die seit 20 Jahren und länger Dauergäste auf den Märkten sind, war selbstverständlich früher alles besser. Der mittlerweile 67 Jahre alte Manfred Schiefer aus Bad Kissingen hatte schon mit zwölf Jahren seinen ersten Stand: In seiner Geburtsstadt Mannheim verkaufte der Knirps selbstgezüchtete Goldhamster. Ein Geschäftssinn, der ihm heutzutage gewaltigen Ärger mit Tierschützern und der Polizei einbringen würde.
Als er Ende der 80er Jahre seinen Eltern in die Rhön nach Gersfeld folgte, stellte er schnell fest, dass der gesamte Landkreis Bad Kissingen tiefstes Flohmarkt-Entwicklungsland war. Also begann er selbst Märkte zu veranstalten, zuerst nur in Bad Brückenau und später dann auch in Bad Kissingen. Ein zunächst einträgliches Geschäft. 100 Mark zahlte Schiefer anfänglich als Platzmiete, zehn Mark hatten die Händler für einen Tapeziertisch zu berappen. Bis zu 100 Händler nahmen teil. So ganz nebenbei konnte Schiefer auch noch echte Schnäppchen ergattern. Wie etwa ein Ölbild von August von Siegen, das er einem Flohmarkthändler für 30 Euro abgekauft hatte und das ihm später auf einer Auktion 1800 Euro eingebracht hat.
Und heute? „Die Leute sind einfach besser informiert“, weiß der ehemalige Kunststudent und aktive Kunstmaler. Viel trägt dazu das Internet-Auktionshaus Ebay bei, das Händler als Informationsportal nutzen, wenn es um die Festlegung von Preisen geht. Trotzdem liest man in schöner Regelmäßigkeit von sagenhaften Flohmarktfunden – so als sich jüngst eine in den USA für ein paar Dollar erstandene unscheinbare Schale als jahrhundertealtes und sehr wertvolles Chinaporzellan entpuppte.
Auch für Veranstalter scheinen die goldenen Zeiten vorüber. Auf 400 Euro beziffert Schiefer seine Unkosten für einen Flohmarkt auf dem ehemaligen Baywa-Gelände in der Bad Kissinger Salinenstraße. „Heuer habe ich noch nichts verdient“, sagt er angesichts des verregneten Frühjahrs, das natürlich gerade Freiluftveranstaltungen wie Trödelmärkte beeinträchtigt. Für große Märkte, wie auf den Mainwiesen in Würzburg müssen Veranstalter Tausende Euro im Voraus an die Stadt für die Platzmiete zahlen, ist Schiefer überzeugt. Und hat damit gar nicht so unrecht. Die genaue Summe lässt sich Pressesprecher Georg Wagenbrenner zwar nicht entlocken, räumt aber ein, dass für ein Paket von drei Veranstaltungen ein fünfstelliger Eurobetrag fällig wird.
Bei solchen Summen ist für Veranstalter die Verlockung groß, auch Händler mit Neuware aufzunehmen, weil sie von denen mehr Standgebühr kassieren können. Vor allem im Norden und Westen Deutschlands – die klassischen Flohmarkt-Hochburgen – finde man kaum noch Märkte ohne großen Neuwarenanteil, sagt Mitgeschäftsführer Gerd Reddersen vom Gemi-Verlag, der unter anderem die Fachzeitschriften „Trödler Original“ und „Sammlerjournal“ herausbringt. Reddersen, der als Student aus England importierte Antiquitäten am Ufer der Leine in Hannover verkaufte, hält diese Märkte aber für einen wichtigen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens von Migranten.
Die klassischen Trödelmärkte mit Antiquitäten, Designer-Möbeln, Bierkrügen, Briefmarken, Postkarten, alten Haushaltsartikeln und allerlei Krimskrams befänden sich dagegen seit Jahren auf einem dramatischen Rückzug. Einzig in Bayern funktioniere die alte Struktur noch. So wie jahrelang in Bergtheim vor den Toren Würzburgs. Dort hatte sich seit 1992 aus kleinen Anfängen eine regelrechte Kultveranstaltung entwickelt, die immer am 1. Mai und 3. Oktober bis zu 700 Händler und Zigtausende Besucher angelockt hatte. Das Besondere: Die Stände wurden nicht auf der grünen Wiese oder einem Platz aufgebaut, sondern in den Straßen des Neubaugebietes. Für die Ausrichter vom Roten Kreuz eine lukrative Sache.
In der jüngeren Vergangenheit mehrten sich allerdings die kritischen Stimmen. Anwohner, die von den zum Teil mitten in der Nacht anreisenden Händlern genervt waren, wollten den Markt gerichtlich verbieten lassen. Vor allem aber machte die Disziplinlosigkeit von Autofahrern Probleme, die trotz eindeutiger Hinweise parkten, wo sie wollten. Als dann auch Rettungswege zugestellt wurden, schritt die Polizei ein. „Die haben 250 Strafzettel verteilt“, sagt Hauptorganisator Ewald Bauer in Erinnerung des Flohmarktes vom Mai 2012. Im Oktober wurde die Veranstaltung dann nur noch in verkleinerter Form durchgeführt, heuer im Mai wegen der Widerstände und hohen behördlichen Auflagen schließlich gar nicht mehr.
Am 3. Oktober wollen Bauer und seine Mitstreiter aber einen Neuanfang wagen. Die Gemeinde hat zwar noch nicht zugestimmt, aber wenn alles klappt, dann soll auf dem Sportgelände und einem Teil des Mehrzweckhallen-Parkplatzes wieder ein Flohmarkt stattfinden.
In den ersten Jahren hatten Margitta Batzner aus Bad Kissingen und Anneliese Müller (Elfershausen) einen Stand in Bergtheim. Als es dann immer voller wurde, kamen sie nur noch als Schnäppchenjäger. Die beiden Freundinnen besuchen seit über 20 Jahren regelmäßig Flohmärkte in der näheren und weiteren Umgebung. Es ist vor allem die besondere Atmosphäre, die man auf den Märkten vorfindet, die sie anzieht und manches kurzweilige Gespräch zwischen Händlern und Kunden.
Denn trotz aller Veränderungen sind die klassischen Flohmärkte immer noch eine Art Biotop, in dem man außer Schnäppchen zu ergattern auch die unterschiedlichsten Menschentypen beobachten kann. Da sind zum einen die Sammler. Sie streifen, bisweilen mit Taschenlampe ausgerüstet, schon vor der ersten Morgenröte auf dem Gelände umher, um nicht zu verpassen, wenn die ersten Waren ausgepackt werden.
Ebenso früh dran sind die Wiederverkäufer. Die haben es auf der Suche nach billigen Schnäppchen vor allem auf unerfahrene Zeitgenossen abgesehen, die idealerweise den Haurat der verstorbenen Oma verhökern. Die Wiederverkäufer können eigentlich alles gebrauchen, sofern es nur „antik“ und günstig ist. Zu ihnen gehört auch jene Spezies, die an jedem Stand nach „Militärischem“ fragt – gemeint sind meist Dinge aus dem Zweiten Weltkrieg, vorrangig mit Hakenkreuz, für die es bedauerlicherweise eine zahlungskräftige Klientel gibt.
Etwas später am Tag kommen dann die interessierten Käufer, die entweder gezielt etwas ganz Bestimmtes suchen oder sich vom großen Warenangebot zu spontanen Käufen inspirieren lassen. Für sie ist ein Gang über den Flohmarkt eher eine willkommene Abwechslung bei der Freizeitgestaltung am Wochenende. Um die Mittagszeit trudeln schließlich die Gelangweilten ein, die eigentlich gar nichts kaufen wollen. Und dann, dann geht es auch schon wieder ans Zusammenpacken.
Flohmarkt-Tipps
Das beste Angebot findet sich auf den von der Stadt veranstalteten Flohmärkten auf den Würzburger Mainwiesen, weil hier die Standpreise niedrig sind und deshalb viele private Händler teilnehmen. Der nächste findet am 10. August statt.
Besonderes Flair bietet der Flohmarkt rund um die Adalbero-Kirche in Würzburg. Man sollte am 29. Juni aber spätestens um 7 Uhr zum Einlass da sein, um noch einen Platz zu ergattern. Auch die Schweinfurter Flohmärkte haben wegen ihres großen Warenangebots ihren Reiz. Der nächste findet am 6. Juli auf dem Volksfestplatz statt. Wer etwas weiter fahren will, dem sei der Graffl-Markt in der Fürther Altstadt empfohlen. Der nächste beginnt am 21. Juni um 16 Uhr. Geradezu Kultfaktor besitzt der Coburger Nachtflohmarkt, der am 13. September um 18 Uhr beginnt. Die Standpreise auf den meisten Flohmärkten liegen zwischen fünf und sieben Euro für den Meter Verkaufsfläche. TEXT: OlD