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SCHWEINFURT
Im Einsatz für den letzten Eindruck
Von unserer Mitarbeiterin Ursula Lux
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:30 Uhr
Pietätvoll. Marco Pfister bereitet einen Verstorbenen für die Aufbahrung vor.
Foto: Ursula Lux | Pietätvoll. Marco Pfister bereitet einen Verstorbenen für die Aufbahrung vor.

Seit fast 6000 Jahren kennt man den Brauch, Verstorbene einzubalsamieren, um ihren Leib für die Nachwelt zu erhalten. Den Brauch der Mumifizierung verbindet man in Europa hauptsächlich mit dem Alten Ägypten. Der Körper musste unversehrt sein, damit die Seele ihn nach einer Wiederbelebung nach dem Tod auch wiederfinden und wiedererkennen kann.

Von solchen Vorstellungen sind die Menschen heute oft weit entfernt, dennoch spielt die Einbalsamierung auch in diesen Tagen noch eine wichtige Rolle. Marco Pfister, gelernter Bestatter, hat damit oft zu tun. Der junge Mann ist frischgebackener Thanatopraktiker. „Irgendwann stößt man als normaler Bestatter an seine Grenzen“, berichtet er. Manchmal sind Verstorbene so entstellt, dass eine würdevolle Verabschiedung durch die Angehörigen nicht mehr möglich ist. Dann beginnt seine Arbeit.

Würdevoller Abschied

Als geprüfter Thanatopraktiker führt er temporäre Konservierung, also Einbalsamierungen durch oder sogenannte Rekonstruktionen, beispielsweise, wenn der Körper durch Gewalteinwirkung, Unfalltod, Krankheit, Verfärbung, außergewöhnlich schnelle Verwesung oder Suizid entstellt ist. Nicht nur für den ersten, auch für den letzten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Schließlich sollen Angehörige ihre Großeltern, Eltern oder Kinder so in Erinnerung behalten, wie sie zu Lebzeiten ausgesehen haben.

Außer bei Brandopfern und Wasserleichen oder in Fällen fortgeschrittener Verwesung könne man in der Regel 90 Prozent der Verstorbenen ihr altes Aussehen zurückgeben, erklärt Pfister. Es ist ein aufwändiges Verfahren, das penible und sauberste Arbeit erfordert. Pfister geht dazu an seinen Arbeitsplatz, den Obduktionstisch. Meist hat er ein Foto vom Verstorbenen dabei. Dann beginnt er damit, Wunden zu schließen, rekonstruiert Gesichtszüge, desinfiziert, wäscht, balsamiert und frisiert die Verstorbenen, damit sie ein letztes Mal hübsch aussehen.

Einmal allerdings hat er dies auch schon bei einem Freund tun müssen. „Das war einerseits leichter, denn ich wusste ja, wie er aussah, andererseits auch schwerer“, gibt er zu, denn er sei in diesem Fall ja auch emotional betroffen gewesen.

Nicht nur die optische Wiederherstellung gehört zu seinem neuen Aufgabengebiet, auch Einbalsamierungen stehen an, um die Verwesung hinauszuzögern. Dazu wird das Blut im Körper durch einen die Verwesung hemmenden Stoff, meist auf Formalinbasis, ersetzt. Unabdingbare Voraussetzung ist dies beispielsweise, wenn der Leichnam ins Ausland überführt werden soll.

Oft aber wird die Einbalsamierung aus ganz anderen Gründen gebraucht. „Immer öfter wollen sich Verwandte und Freunde vom Verstorbenen verabschieden“, erklärt Pfister. Heutzutage sei es aber oft so, dass die Kinder der Verstorbenen weit verstreut seien und es einige Zeit dauere, bis sie zu ihren Verstorbenen kommen können. Dann ist eine Einbalsamierung der einzige Weg, um auch noch Wochen später in Würde Abschied zu nehmen.

In Deutschland steckt die Thanatopraxie noch in den Kinderschuhen, bundesweit gibt es rund 150 geprüfte Thanatopraktiker. Pfister ist in Schweinfurt der einzige, er begann seine Ausbildung vor gut eineinhalb Jahren am Deutschen Institut für Thanatopraxie in Düsseldorf gemeinsam mit zwölf anderen Bestattern. Bei der Freisprechungsfeier im Bundesausbildungszentrum für Bestatter in Münnerstadt waren dann allerdings nur noch fünf übrig.

Bezahlt hat diese Weiterbildung sein Chef Ralf Michal. Der Arbeitszeitverlust und die Nebenkosten gingen auf sein Konto. In mehreren Wochenkursen absolvierte er rund 200 Stunden Theorie. „Davon war die Mikrobiologie die größte Herausforderung“, erzählt Pfister. Das war der Stoff, den auch Medizinstudenten im dritten Semester lernen müssen.

Ehrenkodex

50 Einbalsamierungen unter Aufsicht eines geprüften Thanatopraktikers musste er nachweisen. „Das konnte ich glücklicherweise in Münnerstadt machen“, sagt Pfister. Auch ein Auslandspraktikum war nötig. Pfister ging nach New Castle in Großbritannien. „Dort werden bis zu 80 Prozent der Verstorbenen einbalsamiert und man hat viel mehr Erfahrung“ erzählt er. Heute nimmt er Einbalsamierungen auch für Bestatterkollegen vor, hat einen eigenen Stempel und er musste den „Ehrenkodex der Thanatopraktiker“ im Bundesverband der Deutschen Bestatter unterschreiben. Darin verpflichtet er sich zu einem „pietät- und würdevollen Umgang mit den Verstorbenen“ und „zur ehrlichen Achtung aller Rassen, Religionen und Glaubensrichtungen und den daraus resultierenden Sitten und Gebräuchen“.

 
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