Zu seinem 300. Geburtstag im Jahr 2012 erwartet den Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach ein ebenso ungewöhnliches wie überraschendes Geschenk. Im Hofgarten von Ansbach steht eine 50 Jahre alte Agave americana. Zu seinen Ehren, den man „der Wilde“ nennt, scheint sie alle Kraft zusammengenommen zu haben, um den damaligen Landesherren des Fürstentums mit einer Blüte zu erfreuen. Blühende Agaven sind in unseren Breiten eine echte Rarität. Es ist wie ein kleines Wunder, dass die 6,36 Meter hohe Pflanze sich ausgerechnet zu diesem Datum präsentiert. Ein Wunder wie im Jahr 1626, als an gleichem Ort die erste Blüte einer Agave americana, auch Hundertjährige Aloe genannt, nördlich der Alpen zu bestaunen war.
Wer Ansbach, circa 40 Kilometer südwestlich von Nürnberg, aufsucht, findet eine Residenz mit Spiegelsaal und Originalmöbeln und kann durch den anschließenden, durch eine notdürftige Blickachse verbundenen Hofgarten samt Orangerie spazieren. So wie die Anlage sich heute darstellt, entspricht sie den Ideen der Markgräfin Christiane Charlotte, der Witwe des Markgrafen Wilhelm Friedrich, die nach dessen Tod 1723 die Regierungsgeschäfte für ihren unmündigen Sohn übernommen hatte, und ihrem Oberbaudirektor Karl Friedrich von Zocha. Beide orientieren sich damals an der französischen Gartenkunst. Sie sorgen 1723 dafür, dass aus dem vorhandenen Park samt Tiergehege – erstmals Anfang des 16. Jahrhunderts im Kräuterbuch vom Leibarzt des Ansbacher Markgrafen Georg der Fromme erwähnt – ein Barockgarten wird. An jenen Dr. Leonhart Fuchs, der seinerzeit ein umfassendes Buch der Heilkräuter verfasste, erinnert der moderne Heilkräutergarten vor dem 2002 neu erbauten, gläsernen Citrushaus. Hinter Buchsbaumumrandungen wachsen Ringelblumen („die blum in die laug gelegt, mach schön gelb har“), Schwarzer Holunder („treiben aus den roz“) und Steinklee („nimpt er hinweg allerley flecken und masen des angesichts“), deren Beschilderungen den Leibarzt im O-Ton zitieren.
Die Markgrafen-Witwe legte besonderen Wert auf eine schlossähnliche Orangerie, wie sie allerorten unter Blaublütigen üblich ist. Schließlich kann man dort im Sommer, wenn die Pflanzen im Freien stehen, dem Zeitgeist gemäß höfische Feste feiern.
Erst unter dem letzten Markgrafen Christian Friedrich Carl Alexander von Brandenburg-Ansbach (1757 bis 1791) wird das Geld knapper und der Hofgarten sparsamer bedient. Der verbraucht es nämlich mit seiner jungen Geliebten in England, verzichtet gegen eine jährliche Leibrente auf Titel und Macht. So ist das Ansbacher Schloss kein Herrschersitz mehr und bleibt, uns zur Freude, fortan unverändert.
Heute bestechen Symmetrie und blühende Pracht vor der gefällig renovierten Orangerie. Kübelpflanzen haben Tradition in der 500-jährigen Gartengeschichte des gepflegten Parks. 150 solcher Pflanzen zieren die historische Anlage: Lorbeer, Buchs, Palmen, Zitronen recken sich in quadratischen weißen Kübeln, die nach dem Vorbild der Pflanztöpfe von Versailles gefertigt sind und eine optimale Versorgung der Pflanzen gewährleisten, gen Himmel. Die überhöhten Beete, im Stil von „Eselsrücken“ angelegt und ohne Buchsumrandung, blinkern farbenprächtig-plastisch vor lauter Löwenmäulchen, Flox, Tagetes, Tabakblumen und Co.
Außer repräsentativen Beeten und gezirkelten Wegen gibt es dunklere Pfade und manch lauschiges Plätzchen im Ansbacher Park. Graswiesen, regelmäßig von einem Landwirt bearbeitet, bieten allerlei Kleingetier Nahrung und Lebensraum, und für sonnenhungrige Parkbesucher ist eine Liegewiese ausgewiesen. Unendlich viele Bäume werfen Schatten im gesamten Hofgarten, kleine Gehölzgruppen mit Birken und Lärchen als landschaftliches Element setzen Akzente. In einem mystischen Hain, düster und ein bisschen unheimlich, steht ein Memorial an Ansbachs berühmtesten Sohn. In der Nähe soll Kaspar Hauser, in der Biedermeierzeit als rätselhafter Findling von Gerüchten umhüllt, er sei der einer Intrige zum Opfer gefallene und als Baby vertauschte Erbprinz von Baden, ermordet worden sein. Bis heute legen Ansbacher Bürger ein Blümchen an den Gedenkstein. Auf dem steht die lateinische Inschrift „Hic occultus occulto occisus est XIV. Dec. MDCCCXXXIII“ (Hier wurde ein Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet 14. Dezember 1833). Im Augenblick ist der geheimnisvolle Fremde in den Hofgarten zurückgekehrt. Bis 27. Oktober stehen dort 150 Kaspar Hauser-Figuren samt einem Notenständer, auf dem Aquarelle aus seiner Feder zu sehen sind. Gefertigt hat dieses Plastikensemble Ottmar Hörl. Der Konzeptkünstler will aufmerksam machen auf die kreativen Seiten von Kaspar Hauser, dessen künstlerische Leistung von den Spekulationen um seine Herkunft überlagert werden.
Nicht weit entfernt findet sich das Denkmal für Johann Peter Uz (1720 bis 1796), jenes deutschen Dichters, der mit seinem Werk ein bürgerliches Gegengewicht setzte zur vielfach höfisch beeinflussten Kultur des Rokoko. Eine Pracht sind die beiden Doppelalleen aus uralten Lindenbäumen. Zu Zeiten der Markgrafen werden die Linden regelmäßig in vier Meter Höhe beschnitten und wachsen zu zwei geschlossenen Laubengängen heran. Nachdem man die Bäume ab 1790 frei sprießen lässt, formieren sie sich zu einem „Lindendom“. Heute werfen sie Schatten auf die Flanierwege und geben Dohlen und dem geschützten Juchtenkäfer natürliche Wohnstatt.
Hofgarten Ansbach
Kontakt: Schloss- und Gartenverwaltung, Promenade 27 in 91522 Ansbach; Tel. (09 81) 95 38 39-0 E-Mail: sgvansbach@bsv.bayern.de
Schloss und Hofgarten sind ganzjährig geöffnet, Führungen auf Anfrage möglich. Der Hofgarten wird nachts abgesperrt. Im und vor dem Citrushaus sind regelmäßig Skulpturenausstellungen zu sehen. Für den Sommer 2013 hat der Nürnberger Kunstprofessor Otmar Hörl die Skulpturenmeile „Der Künstler Kaspar Hauser“ konzipiert und zeigt bis 27. Oktober Kaspar-Hauser-Figurengruppen samt Notenständer, auf denen reproduzierte Aquarelle von Kaspar Hauser zu sehen sind.
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