Im gleichen Jahr, in dem in Paris die Französische Revolution losgebrochen ist und Aufständische die Bastionen des Adels gestürmt haben, hat Freiherr Christian Truchseß von Wetzhausen zu Bundorf (1755-1826) zwanglos einen Garten errichten lassen, der auch seinen Untertanen offenstand. 1789 beauftragte der fränkische Adelige zwei namhafte Gärtner, in seinem Waldbesitz nahe der Bettenburg bei Manau, einem Stadtteil von Hofheim (Lkr. Haßberge), einen wildromantischen Landschaftsgarten nach englischem Vorbild anzulegen – ohne Tor und hohe Mauern, wie es üblich war für herrschaftliches Terrain.
Daniel August Schwarzkopf, Hofgärtner des hessischen Landgrafen, und Gartenarchitekt Christian Cay Lorenz Hirschfeld aus Hannover, der in England ausgebildet worden war, entwarfen die Pläne für den Landschaftsgarten. Der Wald wurde durchforstet, gerodet, bepflanzt. Stege überspannten Gräben und Schluchten. Entlang der angelegten Spazierwege entstanden sieben bis heute erhaltene Denkmäler.
Mit diesen Kunstwerken des Weimarer Hofbildhauers Martin Klauer und des Schweinfurters Adam Philipp Stößel verband der musisch begabte und literarisch interessierte Freiherr, der einem alten fränkischen Adelsgeschlecht entstammt, einen Wunsch: Sie sollten den Blick auf die in seinen Augen großartige alte Ritterzeit verklären und in Zeiten der napoleonischen Fremdherrschaft das nationale Bewusstsein schärfen.
Da nur das Alte imponierte, inszenierte Christian Truchseß von Wetzhausen die Kunstwerke in dem zuletzt in den Jahren 1982 bis 1984 instand gesetzten Landschaftsgarten ganz gezielt. Die Altenburg etwa wurde im Sinne der Romantik als malerische Ruine erbaut. Die Totenkapelle, als Gedächtnisstätte für Verwandte und Bekannte, datierte der Freiherr ins Spätmittelalter, auf das Jahr 1455 zurück. Die Kapelle ist jedoch tatsächlich erst in den Jahren nach 1789 entstanden, ebenso wie das Dichterhaus (auch Lusthaus genannt). Von diesem Häuschen aus blickt der Besucher durch Bäume hindurch auf die Bettenburg, den eigentlichen Dreh- und Angelpunkt des Landschaftsgartens. Der Bettenburg hat dieser mehr als nur seinen Namen zu verdanken.
Die Burg, die heute ein Seminarzentrum beherbergt und, anders als der Landschaftsgarten, nicht frei zugänglich ist, war nicht nur der Wohnsitz des Christian Truchseß. Sie war zugleich Musensitz. Der Freiherr war den Überlieferungen nach für seine Zeit nicht nur seinen Untertanen gegenüber ungewöhnlich freigebig, indem er beispielsweise in Hungersnöten die Armen auf seine Kosten speisen ließ. Als Mäzen sammelte er um sich Künstler und Intellektuelle. Dieser sogenannten Bettenburger Tafelrunde, in deren Zusammenhang auch immer wieder vom „fränkischen Weimar gesprochen wird“, gehörten Wissenschaftler, Musiker, vor allem jedoch Dichter an. Zu diesen zählten der Romantiker Jean Paul sowie der in Schweinfurt geborene Friedrich Rückert. Letztgenannter verlebte in den Jahren 1814/15 viele Wochen auf der Bettenburg und fand in besagtem Dichterhaus seinen schöpferischen Lieblingsplatz im Landschaftsgarten.
Auch die weiteren Denkmäler des in den Wald gebetteten Parks verschmelzen mit der Landschaft Wald, die sie umgibt. Das Minnesänger-Denkmal erhebt sich stufenförmig wie ein Altar. Hinter zwei steinernen Bänken zeigt ein Relief zechende Ritter, die Minnesängern lauschen. Die beiden Inschriften auf der Steinwand sind erhalten. Eine ist der Trinkspruch des kunstsinnigen Freiherrn Christian Truchseß: „Jung sind wir. Jung waren wir. Jung bleiben wir. Zur ewigen Jugend erwachen wir.“
Wer den Wegen weiter folgt, gelangt an ein Denkmal, das dem romantischen Wunschbild des Rittertums sehr augenscheinlich huldigt: Auf einem dreibogigen Postament thront das Relief der Reichsritter Götz von Berlichingen und Franz von Sickingen, die beide im späten 15. Jahrhundert geboren wurden. Einem Zeitgenossen dieser beiden, dem Humanisten, Dichter und Reichsritter Ulrich von Hutten, dem die Begründung eines deutschen Nationalmythos nachgesagt wird, ist ein weiteres Denkmal im Landschaftsgarten gewidmet, das aus einem kleinen Obelisken besteht, über dem ein von vier Säulen getragener Baldachin schwebt.
Aus einer Sandsteinsäule, geschmückt mit Medaillons, besteht das Denkmal der Geschwisterliebe. Die Medaillons tragen die Namen von Verwandten des Christian Truchseß. Dank des harten Sandsteins sind diese bis heute lesbar.
Kreisarchivpfleger Johann Reuscher aus Hofheim kennt den Landschaftsgarten Bettenburg wie seine Westentasche. Er führt dort regelmäßig Besuchergruppen. Er nennt den Landschaftsgarten ein „Kleinod“. Über mangelndes Interesse kann er sich nicht beklagen. Das Geschichtsbewusstsein der Menschen nehme zu, stellt der pensionierte Lehrer fest. Das im Landschaftsgarten inszenierte Spiel Christian Truchseß' mit dem Mittelalter-Idol zieht nach gut 200 Jahren noch immer. Besucher erreichen die steinernen Zeugnisse im Wald über einen ausgeschilderten Rundweg. Überlaufen ist der Landschaftsgarten dennoch nicht, auch nicht bei bestem Ausflugswetter. Das mag mit daran liegen, dass die insgesamt knapp zwei Kilometer langen, gut ausgeschilderten Spazierwege des Gartens wegen einiger Steigungen, Stufen und Gefällen für Besucher, die schlecht zu Fuß sind, wenig geeignet sind. Alle anderen Spaziergänger und Wanderer finden darin jedoch ein reizvolles Ziel: Kunst und Natur verbinden sich entlang der Wege.
Landschaftsgarten Bettenburg
Der etwa einen Kilometer westlich der Bettenburg bei Manau (Lkr. Haßberge) liegende Landschaftsgarten im Wald von Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen zu Bundorf ist frei zugänglich. Am bequemsten erreichen ihn Besucher über die Straße von Hofheim nach Manau. Nach dem Anstieg geht es links ab zum ausgeschilderten Parkplatz. Durch den Garten führt ein Rundweg. Gruppenführungen bietet Johann Reuscher, Tel. (0 95 23) 15 60, an, ebenso vermittelt diese die Touristinformation Haßberge in Hofheim, Tel. (0 95 23) 5 03 37 10, E-Mail: info@hassberge-tourismus.de, Internet: www.hassberge-tourismus.de Eine sorgfältige Beschreibung des Landschaftsgartens bietet Liselotte Sörgel-Füglein in ihrem Buch „Die Bettenburg. Wahrzeichen Hofheims“ (1989), erhältlich bei Holl-Druck in Hofheim.
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