
Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein . . .“ Wer wüsste das besser als Würzburgs „Überflieger“ Heinz Gräf. 1957 hat er mit seinem Vater seine erstes Modellflugzeug gebastelt, noch als Jugendlicher seinen Flugschein gemacht. Heute zählt Gräf 17 000 Starts und Landungen. 25 Jahre war er Vorsitzender des Flugsport-Clubs Würzburg. Dass der Flugplatz am Schenkenturm heute dem Verein gehört und so gut dasteht, ist wesentlich sein Verdienst. Jetzt wurde „Käpt'n Heinz“ mit einer großen Feier im Hangar verabschiedet. Seine Freunde sangen zum Dank das berühmte Fliegerlied von Reinhard Mey.
Flug mit Heinz Graf in seiner gelber Oldtimer-Piper, Baujahr 1952, über Würzburg.
Auch der Oberbürgermeister, sein Stellvertreter und eine Reihe von Stadträten waren zur Verabschiedung gekommen. „Flugsport ist für uns untrennbar mit dem Namen Heinz Gräf verbunden. Danke Heinz“, würdigte ihn Nachfolger Michael Hoffmann und schenkte ihm zum Abschied eine Kapitänsmütze, dazu einen Zeppelinflug mit der Familie. OB Christian Schuchardt überbrachte den „Tanzenden Schäfer“. Ohne die Tatkraft von Gräf und ohne den Club gäbe es den Flugplatz nicht mehr, betonte Schuchardt dessen Bedeutung: Der Platz werde von vielen Geschäftsleuten genutzt, für Polizei- und Rettungsflugzeuge sei es die einzige Betankungsmöglichkeit im Raum Würzburg. Ullrich Braun, Vorsitzender des Luftsportverbands Bayern, zeichnete Gräf mit der Silbernen Ehrennadel des Deutschen Aero Clubs aus.
Angefangen hatte die unglaubliche Geschichte 1957. Vater Erich Gräf, selbst aktiv in der Vorstandschaft des Flugsport-Clubs, kam vom Arzt und brachte einen Modellbausatz mit. Der Arzt hatte ihm dringend geraten, das Rauchen aufzugeben, Gräf wollte nun das Geld für Zigaretten sinnvoller ausgeben. So begann der kleine Heinz, mit dem Vater den ersten Flieger, einen Kadett von Graupner, zu basteln.
Modellbau was damals verbreitet, denn nach dem Krieg durfte niemand fliegen, und so wurde die Leidenschaft der alten Haudegen erst mal im Kleinen gepflegt. Der Flugsport-Club hatte für seinen Modellsport eine Wiese bei der Feldscheune oberhalb von Zell gepachtet, da stieg die Familie Gräf 1957 mit ein. 30 Modellflugzeuge bastelte Heinz Gräf, 1964 wurde er deutscher Jugendmeister im Modellsegelflug auf der Wasserkuppe und er gewann mehrere Bayerische Meisterschaften.
1950 hatten die Alliierten das Sportfliegen wieder freigegeben, und so machten sich die Alten im Club daran, den ersten offenen Segelflieger selbst zu bauen: einen offenen Einsitzer SG 38 Schulgleiter. Clubheim und Werkstatt waren damals in der alten Pleicher Schule tief unten im Keller. Hier kam der kleine Heinz Gräf in Kontakt zur Fliegerei. Mit seinem Vater hatte er sich erkundigt, was das Segelfliegen kostete. „Fünf Pfennig die Minute, das war meinem Vater bei 2,50 Mark Arbeitslohn die Stunde zu teuer“, erinnert sich der Sohn. Jedenfalls trat Vater Erich Gräf 1959 dem Flugsport-Club bei und wurde Flugzeugwart für den Doppeldecker. Sein Sohn folgte 1961.
1963 hatten Bundeskanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle das Deutsch-Französische Jugendwerk gegründet und Sport zum verbindenden Element gemacht. „Ein toller Zug, was die Regierungschefs da gemacht haben“, findet Gräf noch heute. In der Flugzeitschrift des Vereins war bald ein Kurs ausgeschrieben, Gräf bewarb sich. So war er 1966 mit dabei, als 15 Franzosen und 15 Deutsche auf der Flugschule Hirzenheim bei Gießen ihre erste Flugstunde bekamen. Eltern und Großeltern hatten ihm den Lehrgang zum Urlaubsgeschenk gemacht. An seinen ersten Start kann sich Gräf noch gut erinnern: 5. August 1966, im Doppelsitzer. Nach 21 Starts durfte er erstmals alleine in die Luft. Bammel hatte er nicht, im Gegenteil: „Es ist doch phänomenal für einen jungen Menschen, wenn er fliegen darf.“
Im August 1968 kam Heinz Gräf zu den Segelfliegern am Schenkenturm. Drei Jahre zuvor hatte die Stadt es erreicht, den südlichen Teil des Militärflughafens mitbenutzen zu dürfen. Der Flugsport-Club hatte damals einen roter Doppeldecker Focke Wulf 44 „Stieglitz“ als Schleppflugzeug. „Als Jugendlicher wollte ich natürlich auch unbedingt in den Doppeldecker“, erinnert sich Gräf. 1972 war es soweit: sein erster Motorflug bei der Fluggruppe Herrmann Köhl in Hettstadt.
Absoluter Höhepunkt seiner 17 000 Starts und Landungen sei ein Flug im August 2000 gewesen: als Copilot beim legendären Flug über die Arktis. Am Steuerknüppel saß sein Freund und Vereinskamerad Horst-Peter Wölfel. Start war damals Oskosch nördlich von Chicago, wo beide die größte Flugschau der Welt besucht hatten. Der Flug in die Heimat ging über Nordkanada, entlang der Nordküste von Grönland nahe am Nordpol vorbei und im langen Nachtflug in der Mitternachtssonne über das ewige Eis. Am Ende hatten beide insgesamt 42 Flugstunden und 15 000 Kilometer hinter sich. „So etwas kann man nie vergessen.“
Noch ein Highlight begleitete sein Fliegerleben: Zum 50. Geburtstag schenkten im seine Frau Leni und seine Tochter Marie-Theres, die selbst mit 14 Jahren Fliegerin wurde, einen Flug mit doppelter Schallgeschwindigkeit in der Concorde. Bis zur Landung in den USA durfte Gräf im Cockpit sitzen. „So etwas gibt es nicht mehr“, sagt er noch immer begeistert.
Doch für ihn selbst ist das Segelfliegen immer noch die Nummer 1: Weil, sagt er, man hier geräuschlos mit der Natur verbunden ist. 1974 wurde der Würzburger Bayerischer Vizemeister im Segelfliegen, 1979 und 1980 war er bei den deutschen Meisterschaften ganz vorne mit dabei. „Ich war immer so ein Spinner, Wettkampf habe unglaublich gern gemacht.“
Gräf hat nicht nur sein Hobby gepflegt. Er hat sich in den Dienst der Gemeinschaft gestellt. 33 Jahre hat der Ingenieur und Berufsschullehrer in der Vorstandschaft des Flugsport-Clubs Würzburg gearbeitet, 25 Jahre davon als Vorsitzender. Der Verein kaufte 2001 den Verkehrslandeplatz von der Bundesrepublik, der der Stadt nur große Verluste eingebracht hatte. „Eine riesige Herausforderung.“ Fast eine Million Euro hat der Verein investiert, den Platz erneuert, einen Kanal gebaut, Asbestdächer saniert, Tankstelle und Fotovoltaik-Anlage errichtet. „Nächstes Jahr sind wir schuldenfrei“, freut sich Gräf auch für die 246 Vereinsmitglieder.
Wie enorm hoch sein Einsatz für diesen Erfolg war, schilderte Johannes Schraudolph. Der Freund erinnerte bei der Abschiedsfeier daran, wie der Verein Ende der 80-er Jahre zu zerreißen drohte. Gräf hatte den Vorsitz abgegeben, doch zwei seiner Nachfolger schmissen nach kurzer Zeit das Handtuch. In der Not sei Gräf wieder angetreten und habe mit „zwölf Aposteln“ an seiner Seite den Verein gerettet. Dazu gehörte die Übergabe der Hallen in einen Wirtschaftsbetrieb, die Hallengemeinschaft Würzburg Nord, deren Geschäftsführung Heinz Gräf nun von Gerhard Pröschel übernommen hat.