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IPPESHEIM
Heidschnucken für den (Un-)Ruhestand
Schafzucht Schule war gestern. Heute bestimmen weitgehend Tierhaltung und Landwirtschaft den Tagesrhythmus von Ex-Rektor Bruno Buchen.

Von unserer Mitarbeiterin

Sabine Dähn-Siegel

 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:51 Uhr

Jahrzehntelang (beg-)leitete Bruno Buchen als Pädagoge und Chef der Staatlichen Berufsschule Kitzingen/Ochsenfurt und der Staatlichen Wirtschaftsschule Kitzingen den Werdegang junger Menschen. Jetzt widmet er einen Großteil seiner Zeit vierbeinigen Lebewesen: Heidschnucken. Vom Schulhaus auf die Schafweide – dahinter steckt nicht etwa des Neu-Ruheständlers Befürchtung, sonst niemandem und nirgendwo mehr etwas zu sagen zu haben. Triebfeder war vielmehr der Wunsch, einen Ausgleich zum Berufsalltag und ein ausbaufähiges Hobby für die Zeit danach zu finden.

Auf der Suche nach sinnvoller Freizeitbeschäftigung kam ihm der Zufall zu Hilfe. Bei einem Urlaub in der Lüneburger Heide hatten es Bruno Buchen die Grauen Gehörnten Heidschnucken angetan. Wenig später stand sein Entschluss, in die Zucht dieser anspruchslosen und widerstandsfähigen Tiere einzusteigen. Ein ausgefallenes Pläsier? Nicht für den gelernten Landwirt und Agraringenieur, der sich von der Maxime „Zurück zu den Wurzeln“ leiten ließ und nach der Devise handelt „Wenn, dann gescheit“.

Die Voraussetzungen für die Schafhaltung sind gut in seinem Wohnort, dem mittelfränkischen Markt Ippesheim. Hier, an den Ausläufern des Steigerwalds, in der „Fränkischen Toscana“ gibt’s noch reichlich kleine Weiden und Streuobstwiesen, sogenannte „Bameländle“. Einige davon pachtete der Neuling in Sachen Schafzucht, um mit fünf Tieren – zwei Muttern (so die Fachbezeichnung) mit je einem Lamm und einem weiblichen Jährling – im Frühjahr 2009 loszulegen. Wenige Monate später kaufte er einen „1a-Siegerbock“ dazu, der fleißig für Nachwuchs gesorgt hat.

Zur Herde gehören derzeit rund 50 Tiere, die sich in der Holzöd als Landschaftspfleger nützlich machen dürfen. Am Eingang zu dem mit 5,5 Hektar kleinen, wertvollen Naturschutzgebiet treffen wir Heinrich Beigel, von Berufs wegen und in Ippesheim ehrenamtlich mit Naturschutz befasst. Er weist auf die hier vorhandene intensive Verzahnung von blütenreichem Halbtrockenrasen mit Gebüsch- und Gehölzbeständen hin, die es zu erhalten gilt. „Auffällig sind hier die zahlreichen verschiedenen Orchideen- und Enzianarten“, erzählt der Biologe, während wir durch mindestens kniehohes, von gelbem Färberginster, Süßholz-Tragant und Vogelwicke durchsetztes Gras stapfen. Hübsch anzuschauen, aber laut Beigel Zeichen der „Versaumung“, denn diese Pflanzen lassen niedrig wachsenden Arten kaum eine Chance. „Das Areal muss unbedingt intensiver beweidet und vor Verbuschung geschützt werden.“

Pflegemaßnahmen

Schmackhafter Job für Schafe! Wie Beigel erzählt, hat hier bis 1938 eine regelmäßige Sommerweide stattgefunden, danach wurde die Fläche nur ab und zu bei Nässe als Herbstweide genutzt. Lange Zeit wurde nichts gegen die Verbuschung gemacht, erst nach Ausweisung als Naturschutzgebiet 1984 übernahmen örtliche Landwirte das Entbuschen. Ab 1996 war dann die Herde eines Wanderschäfers zuständig, der sich 2012 aus dieser Fläche zurückzog. Seit diesem Frühjahr hat Buchen das Gebiet gepachtet und lässt dort, in Absprache mit dem Landschaftspflegeverband im Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim und der Unteren Naturschutzbehörde, seine Heidschnucken weiden.

Nur: Außer einigen wenig wasserhaltigen Kötteln, die denen des Hasen ähneln, weist nichts auf lebende Rasenmäher hin. Keine Wolle im Gestrüpp – „die kommt bei gesunder Haltung nicht vor“ –, keine typische Lautkulisse. Liegen sie an diesem heißen Nachmittag wohl auf der faulen Haut? Bei unserer von Buchens normalem Rhythmus abweichenden Ankunft ruhen die meisten im Schatten von Bäumen und Gebüsch innerhalb ihres sichtbar abgefressenen Weidestücks, das von einem transportablen Elektrozaun abgegrenzt wird. Der und seine sachgerechte Installation sind wichtig, damit sich kein Schaf aus dem Staub machen kann. „Eines schlupft unter dem Draht hindurch und der Rest macht's nach. Und dann wird’s anstrengend – für mich“, weiß der Schafhalter aus eigener Erfahrung.

Ausbüxen will heute keiner der Gesellen. Dass die Besucher sie nicht interessieren, mag ja noch angehen, aber reizt sie die bunte Weide nicht, auf die Bruno Buchen den Weg freigibt? O doch: Nach kurzem Zögern sausen Schwarzbein Nummer eins und zwei an uns vorbei und sofort stürmt der ganze Rest hinterher. Wie ausgehungert stürzen sie sich auf die Blütenpflanzen und legen beim Fressen ein enormes Tempo vor. Maximal zwei Tage, dann ist auch dieses Areal „abgearbeitet“ und das nächste dran. Den Zaun zu versetzen und immer wieder um circa 800 Quadratmeter abzugrenzen, das sei schon etwas zeitaufwendig, sagt Buchen. Aber natürlich nicht seine einzige Pflicht.

Tägliche Kontrolle der Herde mittels begrenzter (Zu-)Fütterung von Getreide ist für ihn ein Muss. Außerdem braucht selbst eine etwa 45-köpfige Herde genügsamer Heidschnucken Wasser - pro Sommertag um die 20 Liter, die der fitte 65-Jährige kanisterweise zur Weide transportiert. Einen neuen Mineralleckstein benötigen sie nur alle paar Wochen.

Anspruchslos und widerstandsfähig

Und im Winter bringt der Hobbylandwirt seine Schäfchen ins Trockene? Von wegen! Regenarme, kalte Winter können ihnen nichts anhaben. Obwohl im Frühjahr geschoren – ein Fachmann brauchte für die 30 Schafe eineinhalb Stunden –, ist ihr Vlies schon wieder ganz schön dicht und voll und bis zum ersten Frost sicherlich auch lang. Schutz vor Wind und Wetter finden die Heidschnucken im Offenstall auf dem Gelände neben dem Wohnhaus des Ehepaars. Dafür, dass im Winterquartier dann bestes Heu bereitsteht, sorgt der Hobbylandwirt. Heuer hat er so um die 1000 Ballen, jeder circa acht Kilo schwer, eingelagert. Was brauchen seine Vierbeiner außerdem? „Etwas Getreideschrot, das den Nährstoffbedarf insbesondere in der Zeit vor dem Ablammen sichert, zweimal jährlich Wurmkuren und prophylaktisch Selen für die Lämmer.“ Das Ablammen verlief bislang fast immer unproblematisch, drei der heuer 19 trächtigen Schafe bekamen sogar Zwillinge.

Apropos Lämmer: Sie beginnen ihr naschhaftes Dasein – eine Worterklärung besagt, Schnucke käme von Schnökern, das ist Neugier- und Abwechslungsfraß – alle als schwarzes Schaf, die typische grau-weiße Färbung kommt erst nach dem ersten Haarwechsel voll durch. Den allerdings erleben nur wenige männlichen Lämmer: Sie werden vermarktet, ihr Fleisch landet in Topf und Pfanne von gehobener Gastronomie und Privatkunden.

Das Schlachten überlässt der „Jungzüchter“ einem Metzgermeister. Dem vertraute er kürzlich auch eines seiner zwei Schwäbisch-Hällischen Schweine, der „Ruhestandsüberraschung meiner Kollegen“ an. Das übrig gebliebene „Mohrenköpfle“ steht jetzt allein im einst gemieteten Stall eines alten Bauernhofes, den Buchen unlängst kurz entschlossen gekauft hat und peu a peu renovieren will. Aber das ist eine andere Geschichte . . .

Schafzucht

Graue Gehörnte Heidschnucke

Robuste, genügsame Schafrasse, die vom europäischen Mufflon abstammt. Beide Geschlechter sind gehörnt, lassen sich aber leicht unterscheiden. Das Gehörn der Böcke ist stark ausgeprägt und erinnert an eine Schnecke. Ausgewachsene männliche Tiere erreichen eine Widerristhöhe von bis zu 75 Zentimetern und ein Lebendgewicht bis zu 90 Kilogramm. Ausgewachsene weibliche Schafe dieser Rasse sind fünf bis zehn Zentimeter kleiner und mindestens 20 Kilogramm leichter. Die Brunst ist saisonal im Spätherbst, Lämmer kommen nach 150 Tagen Tragezeit mit einem Gewicht von zwei bis drei Kilo im Frühjahr zur Welt. Mehrlingsgeburten kommen eher selten vor.

Landschaftspfleger und Fleischlieferant

Die Landschafe eignen sich besonders für die Landschaftspflege auf trockenen, leichten Standworten. Sie verbeißen junges Gehölz und halten so die Landschaft offen – was ganz im Sinne des Naturschutzes ist, da viele Wärme liebende Pflanzen und Tiere nur in offenen, waldfreien Biotopen mit niedriger Vegetation existieren können. Lammfleisch von Heidschnucken ist wegen seiner hohen Qualität und des leicht wildartigen Geschmacks begehrt. Lamm muss jung geschlachtet werden, denn mit zunehmendem Alter wird das Fleisch grobfaseriger und die Verfettung nimmt zu. Die lange, strähnige Wolle der Heidschnucken hat keinen Wirtschaftswert; sie eignet sich nur für grobe Gewebe, zum Beispiel Teppiche. FOTO: DÄSI

 
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