Als Hauptursache der Pleite beim Weltbild-Verlag in Augsburg wird meist „die Branchenkrise“ genannt, ausgelöst durch den Online-Händler Amazon. Experten sagen aber, es habe hausgemachte Fehlentscheidungen gegeben und der Aufsichtsrat habe nicht genau hingeschaut. Bis November 2011 war ein bekannter Würzburger unter den Aufpassern: Dr. Adolf Bauer, der aktuell kommissarisch tätige Würzburger Oberbürgermeister und langjährige Finanzdirektor der Diözese.
Bauer war viele Jahre Mitglied im Aufsichtsrat des Verlags, der den 27 deutschen Bistümern direkt oder indirekt gehört. Bis vor gut zwei Jahren war er der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende in Augsburg. Bauer habe wie die anderen Mitglieder des Gremiums den Job offenbar nicht gründlich gemacht, lautet der Vorwurf eines Insiders, der namentlich nicht genannt werden möchte.
Adolf Bauer kontert gegenüber dieser Zeitung mit einer kurzen schriftlichen Erklärung: „Ich kann zu diesen Vorwürfen nichts sagen, für Informationen und Erklärungen ist der jeweilige Aufsichtsratsvorsitzende zuständig. Die Gesellschafter bestimmen den Aufsichtsrat. Ich gehöre dem Aufsichtsrat nicht mehr an und habe damit keine laufenden Informationen aus dem Unternehmen. Deshalb kann ich auch zum weiteren Verlauf nichts sagen.“ Bauers Aufsichtsratstätigkeit endete im November 2011. Nachdem Weltbild-Chefaufseher Klaus Donaubauer am 17. November 2011 mit sofortiger Wirkung zurückgetreten war, musste vier Tage später auch Stellvertreter Bauer den Hut nehmen. Die zur Krisensitzung ins Würzburger Kloster Himmelspforten geeilten deutschen Bischöfe hatten den Daumen gesenkt.
Der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) kritisierte damals nur die Geschäftsführung, die ausgewechselten Aufsichtsräte wurden öffentlich nicht gerüffelt. Dabei ist von Gesetzes wegen der Aufsichtsrat zur Kontrolle der Geschäftsführung verpflichtet.
Die Meldung vom Wechsel im Aufsichtsrat ging im Skandal-Geschrei um Sex- und Esoterik-Angebote des Weltbild-Verlages unter. Die Kirchenmänner empörten sich öffentlich über Tausende Erotik- und Esoterik-Artikel im Katalog, darunter Titel wie „Schlampen-Internat“ und „Anwaltshure“.
2011 war allerdings längst klar, dass „abträgliche Literatur“ nicht das einzige Problem des Verlages war. Auch die nackten Unternehmenszahlen wiesen immer deutlicher auf ein Desaster hin. Der Umsatz brach ein, so dramatisch, dass sich später kein Käufer für den Verlag fand, obwohl die Bischöfe beschlossen, Weltbild zu verkaufen. Heute wird der Sanierungsbedarf mit 135 Millionen Euro beziffert.
„Die Eigentümer müssen über Jahre nicht auf die Geschäftspolitik geachtet haben“, folgert der Buchmarktexperte Holger Ehling, früher Sprecher der Frankfurter Buchmesse. Einem funktionierenden Aufsichtsrat hätte ein so hoher Sanierungsbedarf viel früher auffallen müssen.
Auch im Bistum Würzburg wird nun über die Verantwortung des früheren Kontrolleurs Adolf Bauer geredet. Mit „Schmutz“ und „Schund“ bei den Buchtiteln sei die Glaubwürdigkeit verloren gegangen, der Verlag habe den digitalen Wandel verschlafen, zudem habe man fahrlässig auf eine integrierte Unternehmensplanung verzichtet und viel Geld für eine „überdimensionierte IT“ versenkt, so unser Informant aus gut informierten Kirchenkreisen. Bauer habe wohl nur einen kleinen Teil seiner Energie auf den Job als Aufsichtsrat in Augsburg konzentrieren können. Der heute 68-Jährige tanze auf zu vielen Hochzeiten, kritisiert der Mann, der Bauers Ämter und Pöstchen seit Jahren im Blick hat.
Adolf Bauer war von 1979 bis 2010 Finanzdirektor und Leiter der Bischöflichen Finanzkammer, umfangreiche Bauprojekte und 34 Stiftungen sind in dieser Zeit entstanden. 1978 bis 2000 war er Stellvertretender Vorsitzender der Finanzkommission des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD). In dessen Verlags- und Urheberrechtskommission arbeitete Bauer ab 1982 mit. Bauer war in der Arbeitsgruppe Aufbau Ost, in der Ökumenischen EDV-Arbeitsgruppe, als Berater im Verbandsausschuss und von 1979 bis 2010 im Verwaltungsrat des VDD aktiv.
„Bedeutendere Ausmaße hat im Laufe der Zeit Bauers politisches Engagement angenommen“, schreibt der Journalist Werner Häußner über Bauer in einem Porträt anlässlich seines Abschieds als Finanzdirektor der Diözese. Erst viele Jahre stellvertretender und dann Vorsitzender der CSU-Fraktion im Stadtrat, ist Bauer seit 1996 zweiter Bürgermeister.
Bauer hatte beziehungsweise hat eine Reihe weiterer Aufsichtsratsposten inne, darunter bei der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV), der Caritas-Einrichtungen gGmbH, beim St.-Bruno-Werk, das kirchlichen Immobilienbesitz verwaltet, und im Echter-Verlag. Die Commerzbank führt den Finanzdirektor i. R. als Mitglied ihres Regionalbeirats. In Vereinen schulterte Bauer weitere Bürden.
Bei einer solchen Ämterfülle könne niemand alle Aufgaben konsequent wahrnehmen, sagt der Insider. Seinen Namen will der Bauer-Kritiker nicht in der Zeitung lesen, weil er dann berufliche Nachteile fürchtet: Adolf Bauer sei nicht immer nur jovial und volksnah.
Der Aufsichtsrat
Das Kontrollgremium gibt es bei Kapitalgesellschaften und Organisationen. Die Einrichtung eines Aufsichtsrates ist teilweise gesetzlich vorgeschrieben, teilweise per Satzung oder Gesellschaftsvertrag vereinbart.
Aufsichtsräte erhalten üblicherweise für ihre Arbeit eine Vergütung. Die Höhe legt bei Aktiengesellschaften die Hauptversammlung fest. Die Vergütungen schwanken meist in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens stark und werden oft in den jährlichen Geschäftsberichten veröffentlicht. Verletzen Aufsichtsräte ihre Pflichten schuldhaft, so haften sie gegenüber der Gesellschaft (AG oder GmbH) für einen etwaigen Schaden in derselben Weise wie der Vorstand oder die Geschäftsführer. Der Verschuldensmaßstab ergibt sich – wie auch die Pflichten – aus den Bestimmungen des Aktiengesetzes und aus dem allgemeinen Verhaltensstandard eines „ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns“. Außerdem muss der entstandene Schaden kausal auf die schuldhafte Pflichtverletzung zurückzuführen sein. text: tito