Viele Fußballfans würden gerne mit Bernd Karrasch tauschen: Wenn unsereiner in und um Würzburg am Sonntag vor einem TV-Gerät oder einer Landwand erwartungsvoll beim Endspiel zuschaut, sitzt der Höchberger rund 9600 Kilometer entfernt von seinem bequemen Fernsehsessel daheim auf einem ungemütlichem Hartschalensitz mittendrin im WM-Geschehen in Brasilien.
Bernhard Karrasch hat sich Donnerstagnacht aufgemacht, um ein Geburtstagsgeschenk einzulösen. Im vergangenen Jahr feierte der ehemalige Apotheker in Höchberg 70. Wiegenfest. Seine „ältesten Freunde“ haben ihm als Geschenk eine Karte für das WM-Endspiel überreicht.
Deutschland – Argentinien: Dass es nun ausgerechnet so kommt, freut den Höchberger umso mehr, weil Karrasch bei einem Match mit der gleichen Paarung schon einmal dabei war: im Jahre 1990 beim Endspiel in Rom. Deutschland gewann mit 1 : 0 (Elfmeter durch Brehme in der zweiten Halbzeit).
Ein gutes Omen also? Bernd Karrasch ist optimistisch. Nach dem Riesenspiel gegen Brasilien sowieso: „Das war einmalig.“ Und am Sonntag gegen Argentinien? „Wir gewinnen, sagt der Höchberger voraus.
Aber: „Wir dürfen nur nicht überheblich werden“, warnt der Höchberger, auch wenn die Argentinier im Spiel gegen Niederlande schwach gespielt haben. Die Abwehr sei jedenfalls der stärkste Mannschaftsteil, mit dem sich die Löw-Jungs auseinandersetzen müssten.
Bernd Karrasch scheint in der Tat ein Hellseher zu sein. Vor über zwei Wochen habe er die Endspiel-Paarung vorausgesagt. Da könnte er seine Fähigkeiten bei einem Ergebnis-Tipp doch auch beweisen. „Das gewinnen wir“, kommt promt die Antwort. Und wie hoch? Da zaudert Karrasch ein bisschen; ein vorsichtiges 1 : 0 – aber ohne Verlängerung: „Dafür sind wir viel zu gut“. Das klingt schon wieder selbstbewusster.
Die Reise nach Brasilien hat der Fußballfan ein halbes Jahr lang geplant. Als die Endspielteilnahme der deutschen Elf sicher war, ließ er sich noch ein Transparent machen, das hat er auf die lange Reise mitgenommen. Darauf hat er etwas auf portugiesisch aufdrucken lassen. In großen Lettern prangt der Name seiner Heimatgemeinde Höchberg auf dem etwa ein mal ein Meter großen Schild.
Da heißt's für die daheim Gebliebenen: Genau hingucken. Vielleicht sehen wir Bernd Karrasch und seine drei Begleiter. Einer von ihnen hat übrigens das Endspiel-Ticket besorgt. Und das lief, wie es immer läuft: Einer kennt jemanden und so weiter....
Nach dem Endspiel wird die Höchberger Gruppe nicht gleich nach Hause fliegen. Eine kleine Rundreise ist noch vorgesehen. Ein Ziel ist unter anderem Salvador, bis 1763 die Hauptstadt Brasiliens und mit 2,7 Millionen Einwohnern nach Sao Paulo und Rio de Janeiro die drittgrößte Stadt des Landes.
Der historische Name der Küstenstadt lautet komplett „Sao Salvador da Bahia de Todos dos Santos“. Übersetzt: Heiliger Erlöser von der Bucht der Allerheiligen. Ein Glück, dass Höchberg nur acht Buchstaben hat, sonst hätte eine ganze Fußball-Mannschaft zum Transparent hochhalten mitfliegen müssen.
Würzburger noch ohne Ticket
Etwas getrübte Stimmung herrscht dagegen bei IHK-Geschäftsführer Ralf Jahn und seinen fünf Würzburger Freunden. Wie berichtet, sind die sechs Männer derzeit auf WM-Tour und haben trotz intensivster Bemühungen noch kein Ticket. „Die Schwarzmarktpreise sind astronomisch, da werden bis zu 15 000 Euro verlangt“, berichtet Jahn, den die Redaktion am Freitagnachmittag in Rio erreichte. Und auch die Mitgliedschaft einer seiner Reisebegleiter beim Fan-Club der Deutschen Nationalmannschaft habe nichts genutzt. Da hätte es nur eine Finalkarte für 500 Euro bei gleichzeitiger Buchung eines fast 2000 Euro teuren Fluges gegeben.
Aber einen Flug brauchen die Würzburger ja nicht. Immerhin können sie sich trösten, das „Jahrhundertspiel“ gegen Brasilien im Mineiro-Stadion in Belo Horizonte miterlebt zu haben. „Das war schon gewaltig“, sagt Jahn. Brasilien „blute“ zwar noch immer, doch „noch im Stadion haben uns Brasilianer anerkennend auf die Schulter geklopft und uns die Hand geschüttelt“.
Falls es mit den Tickets in letzter Minute nicht klappen sollte, will die „Caipodolski“-Truppe, wie sie sich nennen, das Finale am Strand an der Copacabana schauen. Dabei hoffen die Würzburger, die am Montag zurückfliegen, dass der Wunsch erfüllt wird, den ihnen ihre brasilianischen Freunde ans Herz gelegt haben: „Bitte schlagt die Argentinier!“