Bis 2100 soll sich in Würzburg die Jahrestemperatur im Schnitt um rund 5 Grad erhöhen. Macht doch nichts, höhnen manche Zeitgenossen. Wenn es im Winter nur 15 statt 20 Grad Minus hat, ist doch viel besser. Den Schnee würden viele ohnehin gerne nur in die Berge verbannen wo er hingehört. Und im Sommer könnte es manchmal etwas wärmer sein, heißt es nach einem nasskalten August. Doch die Milchmädchen-Rechnungen, die gelegentlich beim Lieblingsthema Wetter aufgemacht werden, gehen weit an der Wirklichkeit vorbei. Nach den wissenschaftlichen Prognosen stehen uns klimatische Extreme bevor.
Hitzetage und Tropennächte
Da wäre zum Beispiel eine Zunahme der Hitzetage im Sommer bis in den Bereich von 40 Grad Celsius. Hinzu kommen mehr Tropennächte, besonders im Talkessel von Würzburg, der schon immer etwas mildere Temperaturen hatte. Dabei wäre eine aufgeheizte Innenstadt besonders betroffen. Sie könnte von Besuchern ganz bewusst gemieden werden. Und es stellt sich die Frage, wer dann hier noch wohnen möchte. Im vorliegenden Klimaschutzkonzept der Stadt geht es deshalb auch darum, wie man durch gezielte Maßnahmen frühzeitig vorbeugen und die Veränderungen abmildern kann.
Die Klima-Erwärmung ist in jeder Hinsicht ein „heißes Thema“, vor allem, weil die Ansichten selbst der Experten weit auseinander gehen. Für die einen ist 2100 noch ewig weit weg, während andere deutlich sehen, dass auch Stadt und Region schon mitten im Prozess stecken.
Es geht oft um ein großes Missverständnis zwischen den Begriffen Wetter und Klima. Im nun vorliegenden Klimaschutzkonzept wird jedenfalls davon ausgegangen, dass die Stadt künftig mit zunehmender Hitzebelastung, mit Hochwasser und weiteren Klimafolgen zu kämpfen haben wird. Und gerade die ältere Generation, die glaubt mit den Klima-Entwicklungen nichts mehr zu tun zu haben, gilt neben gesundheitlich anfälligen Bürgern als besonders betroffen von Wetterextremen. Die könnten durchaus schon in den nächsten Jahren eintreten, weil die klimatischen Veränderungen kein zeitliches System haben.
Doch, so stellen die Gutachter fest, wird das Thema Klimaanpassung in Würzburg noch nicht systematisch und vernetzt bearbeitet. Deshalb wird die Etablierung eines „Netzwerks Stadtklima“ vorgeschlagen, das für die Region Auswirkungen des Klimawandels frühzeitig erkennen und strategische Handlungsempfehlungen erarbeiten soll. Dabei müsse die Innenstadt im Fokus liegen, weil hier die mittlere Jahrestemperatur ohnehin schon fünf Grad höher liegt, als an der Wetterstation am Neuberg an einer unbebauten Hangkante.
Brisanz aufgeheizte Innenstadt
Die Brisanz und Dringlichkeit der Situation, sowie die Notwendigkeit einer gezielten Vorsorge und die Sensibilisierung des gemeinsamen Handelns seien noch viel zu wenig bewusst, heißt es. So werde die klimatische Entwicklung Bemühungen der Stadtpolitik konterkarieren, die Bevölkerungsstruktur in der Innenstadt stärker zu durchmischen und den Zuzug junger Familien zu fördern. Hier bestehe unmittelbarer Handlungsbedarf. Für die Hitzeproblematik wird zur punktuellen Entschärfung ein kurzfristig umsetzbareres Pilotprojekt angeregt.
Als ein erster Schritt wird vorgeschlagen, durch Informationsarbeit die Öffentlichkeit wesentlich besser für dieses Thema zu sensibilisieren. Ein Ansatzpunkt wäre auch die Landesgartenschau 2018 mit einem Klima-Lehrpfad. Vor allem für Schulen und andere Bildungseinrichtungen, sowie Unternehmen kann man sich vorstellen unter dem Motto „Würzburg – heißes Pflaster“ die Thematik auf breiter Basis aufzuarbeiten.
Mehr Wasser, mehr Grün nötig
Will der Stadtrat in diesem Sinne zukunftsorientiert arbeiten, müsste er bei jeder Umgestaltung von Straßenräumen prüfen, ob Stellplatzbereiche wegfallen, entsiegelt und begrünt werden können. Er müsste auf helle Bepflasterung und Fassadenelemente achten die sich weniger aufheizen als dunkle. Zur Stadtkühlung müssten auch mehr offene Wasserflächen in die Überlegungen mit einbezogen werden.
Würzburger Wetterbeobachter erklärt: Was bedeuten fünf Grad Erwärmung?
Der Klimawandel ist längst im Gange, bestätigt Daniel Wünsch, Wetterbeobachter vom Deutschen Wetterdienst an der Außenstelle Würzburg. Die Fachleute lassen sich bekanntlich nicht von Momentaufnahmen der Witterung beeinflussen, sondern schauen auf ihre Statistiken. Daniel Wünsch sagt: „Wir haben seit 1990 zu warme Jahre“.
Basis ist ein Jahresmittel von 30 Jahren zwischen 1961 und 1990. Es ergibt eine Jahresdurchschnittstemperatur von 9,1 Grad. Seitdem geht die Kurve eindeutig nach oben, auch wenn das wärmste Jahr in der Langzeitstatistik mit 10,9 Grad Celsius auf das Jahr 1934 zurückgeht. Das Jahr 2012 liegt mit einer Durchschnittstemperatur von 10,3 Grad Celsius auf Platz 6, das Jahr 2003 mit seinem Hitzesommer kommt mit 10,6 Grad Jahresdurchschnitt auf Platz vier. Es fehlen in der jüngsten Zeit die negativen Abweichungen, also richtige Kältejahre.
Ein Plus von 5 Grad bei der Jahresdurchschnittstemperatur – was von Klimaforschern prognostiziert wird – wird nicht folgenlos bleiben, so die Einschätzung von Daniel Wünsch. „Dann liegen wir bei 14 Grad“. Wünsch will sich nicht in die Prognosen von Wissenschaftlern einreihen und verweist auf Fakten.
Die Winter sind immer nässer, aber meist ohne Schnee. Ihnen folgt dann immer häufiger ein trockenes Frühjahr. 2012 gab es das dritte trockene Frühjahr in Folge. Wenn wie im vorigen Jahr dann auch noch trockener Frost dazu kommt, hat das kritische Folgen für die Vegetation, die zum Start ins Jahr eigentlich Feuchtigkeit braucht. Die Sommer sind insgesamt wärmer und trockener geworden: „Wir haben hier keine ergiebigen Tropenschauer feststellen können“, sagt Wünsch. Das hat Folgen für das Grundwasser, das bei so geringen Regenmengen im Sommer überhaupt keinen Nachschub erhält. TEXT: Ric