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WÜRZBURG
Gesucht: Der Dorfwirt der Zukunft
Seit Jahren zu: Wie in zahlreichen unterfränkischen Gemeinden gibt es in Theilheim schon lange kein Dorfwirtshaus mehr, der „Schwarze Adler“ ist seit langem geschlossen.
Foto: Thomas Obermeier | Seit Jahren zu: Wie in zahlreichen unterfränkischen Gemeinden gibt es in Theilheim schon lange kein Dorfwirtshaus mehr, der „Schwarze Adler“ ist seit langem geschlossen.
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:29 Uhr

Einst wurde hier Politik gemacht und Familienfeste gefeiert, man traf sich zum Stammtisch am Sonntag nach dem Kirchgang, zum Bier nach Feierabend oder um einen zünftigen Schafkopf zu spielen: Doch inzwischen verschwindet sie aus verschiedenen Gründen immer häufiger von der Bildfläche, die klassische Wirtschaft, die einst sozialer und gesellschaftlicher Mittelpunkt der Dorfgemeinschaft war. Das muss nicht sein, meint Fachplaner Gerald Zirkelbach, der das Konzept „Wirtshaus hoch fünf“ entwickelt hat, mit dem er die Dorfwirtschaft für die Zukunft fit machen will – mit einem Mix aus Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistung.

Gerald Zirkelbach führt im Würzburger Stadtteil Rottenbauer das Planungsbüro ZKS Gastro Konzept GmbH. Seine Firma ist spezialisiert auf Konzeptentwicklung, Planung und Bau von Gastronomie- und Hotelprojekten. Dabei kommt Zirkelbach viel herum und konnte unterwegs feststellen, dass in den Dörfern immer mehr teils prachtvolle und Jahrhunderte alte Gasthäuser leer oder kurz vor der Schließung stehen. Ein Trend der sich fortsetzt, hat Zirkelbach beobachtet. In Unterfranken sogar noch stärker als im gesamten Freistaat Bayern, wo das Wirtshaus inzwischen in jedem dritten Dorf verschwunden ist.

„Diese Entwicklung ist noch längst nicht zu Ende“, glaubt Zirkelbach. Mit „Wirtshaus hoch fünf“ möchte er sie stoppen. Er setzt dabei auf verschiedene Faktoren. Denn ein leer stehendes Gasthaus einfach wieder in Betrieb zu nehmen, ist für den Gastro-Spezialisten zu wenig. Da braucht es schon ein bisschen mehr. Eine Dorfwirtschaft von heute muss auch den heutigen Gegebenheiten Rechnung tragen, um insbesondere für jüngere Gäste attraktiv zu sein. Getränkeausschank und das Auftischen von Speisen reichen allein nicht mehr aus.

Zirkelbachs Dorfgasthaus der Zukunft ist eine Art multifunktionales Dienstleistungszentrum, in dem sich Dorfbewohner wie gewohnt im Gastraum treffen, wo sie mit frischer regionaler und saisonaler Küche mit Produkten der einheimischen Landwirtschaft versorgt werden. Das schmeckt nicht nur, sondern ist obendrein noch ökologisch sinnvoll. Das Bier könnte in einer eigenen Hausbrauerei hergestellt werden (spart lange Lieferwege), und für die, die nicht zu Hause kochen wollen, gibt es als Essen im Glas fertige Gerichte aus regional erzeugten Zutaten zum Mitnehmen. Sozusagen eine Regionalisierung der To-Go-Gastronomie. Auch Senioren, Kitas oder Schulen könnten damit als zusätzliche Einnahmequelle für den Dorfwirt beliefert werden. Und hausgemachte Kuchen (eventuell von den Dorfbewohnern hergestellt) könnten in einem Tagescafé angeboten werden.

Es geht aber nicht nur um die Bewirtung. Auch die Nahversorgung spielt bei Wirtshaus hoch fünf eine wichtige Rolle. Hier greift ein pädagogischer Ansatz des Konzepts, denn ein Wirts(haus)laden zur Vermarktung regionaler vor Ort angebauter oder hergestellter Produkte (Obst, Gemüse, Metzger- und Bäckerangebot) könnte dazu beitragen, das Leben und Arbeiten auf dem Lande wieder attraktiver zu machen und die Bewohner stärker an ihr Dorf binden. Durch kurze Transportwege wird zudem die Umweltbelastung verringert.

Das gilt auch für den dritten Aspekt „Kultur und Bildung“. „In den Dörfern gibt es viele ältere, nicht mehr berufstätige Menschen, die sehr viel Wissen besitzen. Das muss man sich wieder stärker zu nutze machen“, meint Zirkelbach. Beispielsweise in einem ans Wirtshaus angedockten Reparaturcafé, in dem sich Alt und Jung austauschen können. Viele beschädigte Gegenstände des Alltags können nämlich, so Zirkelbach, wieder hergestellt werden und müssen nicht gleich durch neue ersetzt werden. Durch die Vermittlung von Wissen ließen sich alte Handwerkskunst und Bausubstanz bewahren, während ältere Menschen sich in Sachen Smartphone oder Digitaltechnik beraten lassen können. Dazu dienen könnten kulturelle Veranstaltungen, Vorträge, Seminare und Workshops im Dorfwirtshaus.

Eine wichtige Rolle spielt auch das Thema Mobilität und Energie. Auch hierzu kann ein Dorfgasthaus zentrale Anlaufstelle sein. Beispielsweise als Carsharing-Station, an der man sich ein Elektroauto oder ein E-Bike mieten und auch „auftanken“ kann. Mit einer selbst betriebenen Energieversorgung könne sich eine Gemeinde auch ein Stück weit unabhängig von großen Energiekonzernen machen, glaubt Zirkelbach.

Last not least ließe sich mit dem Dorfgasthaus des 21. Jahrhunderts das Thema Gesundheit und Wellness verbinden, indem Einrichtungen für medizinische Versorgung (Arztpraxis, Apotheke, Physiotherapie) und den Wellnessbereich (Massage, Kosmetik, Friseur, Sauna, Yoga) hier angedockt werden, glaubt der Planer. Das schafft zudem neue Einnahmequellen und Arbeitsplätze vor Ort.

Gerald Zirkelbach richtet sich mit seinem Konzept in erster Linie an Gemeinden. Und zwar sowohl an die Politiker als auch an die Bewohner, die örtlichen Vereine und natürlich Wirte, noch aktive oder ehemalige, die ein Interesse daran haben, ihre Zukunft vor Ort zu gestalten. Ideal wäre es, wenn in der Gemeinde noch ein Wirtshausgebäude vorhanden ist.

Das Konzept Wirtshaus hoch fünf kann mit wenigen Bausteinen starten und ist beliebig ausbaufähig. Es eignet sich für Gemeinden ab einer Mindestgröße von 600 bis 800 Einwohnern. Interessierte Gemeinden erhalten auf Wunsch bei der ZKS Gastro Konzept GmbH ein unverbindliches und kostenloses Erstgespräch.

Das ausführliche Konzept zum Nachlesen gibt es im Internet: www.wirtshaushoch5.de

Auch das Café Nußmann in Theilheim steht schon lange leer.
Foto: Thomas Obermeier | Auch das Café Nußmann in Theilheim steht schon lange leer.
 
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