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WÜRZBURG/EISINGEN
Gespräche mit dem Tod
Gespräche mit dem Tod       -  Raimund, 61 Jahre. 1987 infizierte sich der Gärtner beim Drogenkonsum mit HIV.  Damals hätte wohl niemand erwartet, dass Raimund inzwischen beinahe 30 Jahre mit dem Virus in seinem Körper leben würde.
Foto: Christoph Weiß | Raimund, 61 Jahre. 1987 infizierte sich der Gärtner beim Drogenkonsum mit HIV. Damals hätte wohl niemand erwartet, dass Raimund inzwischen beinahe 30 Jahre mit dem Virus in seinem Körper leben würde.
Sarah-Sophie Schmitt
Sara Sophie Fessner
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:43 Uhr

Protokolle: Sie kennen sich nicht, haben sich im Alltag nie getroffen und doch haben sie eines gemeinsam: Sie alle sind dem Tod begegnet. Von ihren Ängsten, von ihren Hoffnungen und von ihren Gesprächen mit dem Sensenmann erzählen sie – in Worten und Bildern. Der Würzburger Fotograf Christoph Weiß hat sie für den Verein „ Hilfe im Kampf gegen den Krebs“ fotografiert. Seine und auch die Bilder seines Kollegen Norbert Schmelz sind derzeit in einer Ausstellung der Würzburger Uniklinik zu sehen.

Raimund Link aus Würzburg , seit 27 Jahren HIV-positiv:

""Herr Link, Sie wissen ja", so hörte es sich an, mein Todesurteil. Diese Worte ziehen sich durch mein Leben wie ein roter Faden. Ich kann sie nicht abschütteln. Ich erinnere mich noch genau an damals. Ich saß auf dem Bett meiner Zelle im Gefängnis. Ich war wegen Drogenhandels eingesperrt. Die Tür ging nur wenige Sekunden auf und sofort wieder zu. Der Polizist sagt nur diesen kurzen Satz und ich wusste Bescheid. Mir war sofort klar, was er meinte. Ich habe HIV. Das war’s, war mein erster Gedanke. 1988 war das. Ich habe damals Drogen genommen. Schon als Jugendlicher in der achten Klasse habe ich mit Haschisch angefangen.

Später kamen andere Sachen dazu, auch Heroin. Bei mir drehte sich alles um den nächsten Schuss. Anfang dreißig war ich damals. Ob die Spritze sauber war oder nicht, war mir aber egal. Ich brauchte meinen Stoff. Ich wusste, dass das gefährlich war, dass ich mich so infizieren konnte. Aber die Sucht war größer als die Angst. Das Rumgifteln ist ja eh irgendwie ein Spiel mit dem Tod. Ich habe wohl eine schmutzige Spritze erwischt. Wann und wo genau, ich weiß es nicht, aber mir fallen etliche Situationen ein. Vielleicht in Frankfurt, vielleicht in Amsterdam. Ich war viel unterwegs, hatte einen großen Freiheitsdrang. Oft war mir einfach alles zu eng.

Da saß ich nun also auf meinem Bett in der Zelle. Die Tür war zu, die Fenster vergittert. Was sollte ich machen?! Zwei Stunden saß ich da und habe nachgedacht, wie mein Leben nun laufen könnte. Zwei Jahre habe ich mir noch gegeben. Ich wurde nicht wütend, hatte keine Angst. Ich wusste: Jetzt musst du es so nehmen, wie es ist. 27 Jahre ist das nun her. Ich bin seit vielen Jahren clean. Wie lange genau weiß ich nicht. Zeit ist mir nicht wichtig. Was war, das war, und was kommt, das kommt. Heute sitze ich immer noch hier und mache mir meine Gedanken. Angst vor dem Tod habe ich nicht, hatte ich nie. Er gehört für mich dazu. Viele meiner Freunde sind an Aids gestorben.

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