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GEMÜNDEN
Gericht beendet Geheimpolitik
Seit Oktober 2010 im Netz: Im Sommer 2009 erteilte die Stadt Gemünden nach Angaben von Bürgermeister Georg Ondrasch (oben im Bild) den Auftrag für eine neue Homepage, die erst über ein Jahr später online ging. Über die Gründe für die Verzögerung schwieg sich das Gemündener Stadtoberhaupt bislang beharrlich aus, muss aber jetzt auf Anordnung des Verwaltungsgerichts Würzburg der Main-Post umgehend fast alle geforderten Auskünfte geben, sonst droht ihm die Zwangsvollstreckung.
Foto: Michael Fillies | Seit Oktober 2010 im Netz: Im Sommer 2009 erteilte die Stadt Gemünden nach Angaben von Bürgermeister Georg Ondrasch (oben im Bild) den Auftrag für eine neue Homepage, die erst über ein Jahr später online ging.
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Fillies
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:56 Uhr

Ob Friedhofsgebühren oder die Sanierung des Freibads für 700 000 Euro – über Dinge allgemeinen Interesses lässt der Bürgermeister der 11 000-Einwohner-Stadt Gemünden (Lkr. Main-Spessart) den Stadtrat oft hinter verschlossenen Türen beraten. Ebenso verweigert er nach eigenem Ermessen Presseauskünfte unter Hinweis auf „nichtöffentliche Sachverhalte“. In einem Fall zwingt ihn jetzt das Verwaltungsgericht Würzburg zur Offenlegung angeblicher Geheimnisse.

Die drei Richter der siebten Kammer betonten das Auskunftsrecht der Presse gegenüber Behörden nach dem Bayerischen Pressegesetz und erließen am 17. Februar eine Einstweilige Anordnung (Aktenzeichen W 7 E 11.88). Derzufolge muss Bürgermeister Georg Ondrasch umgehend nahezu alle Fragen dieser Zeitung zum neuen Internetauftritt der Stadt beantworten. Der Auftrag dazu im Umfang von 38 000 Euro war im Sommer 2009 nicht öffentlich vom Stadtrat erteilt worden. Darüber informierte Ondrasch erst ein halbes Jahr später, nachdem es zunehmend Kritik am nicht mehr gepflegten alten Internetauftritt gegeben hatte.

Keine öffentliche Beratung

Die Fertigstellung der städtischen Homepage – üblicherweise eine Sache von wenigen Monaten – verzögerte sich um über ein Jahr. Nachfragen im Stadtrat wich der Bürgermeister aus; eine von 20 der 24 Ratsmitglieder geforderte öffentliche Beratung im Oktober vorigen Jahres setzte der 50-Jährige mit Rückendeckung des Landratsamts Main-Spessart unter Hinweis auf „schutzwürdige Interessen“ von städtischen Mitarbeitern und der Fachfirma als rechtswidrig ab. Dabei hatte die Firma zuvor bereits auf Anfrage dieser Zeitung festgestellt, das Projekt im März komplett übergeben zu haben.

Die Lokalredaktion dieser Zeitung stellte Anfang November eine Reihe von Fragen zum Internetauftritt, die der hauptamtliche Bürgermeister trotz mehrfacher Erinnerung und schließlich Mahnung ignorierte. Georg Ondrasch mutmaßte darin, wie er dem Gericht mitteilte, eine „gezielte Nötigung und Erpressung des 1. Bürgermeisters“ – er spricht und schreibt gern von sich in der dritten Person.

Das Verwaltungsgericht Würzburg, an das sich diese Zeitung wandte, sah das jedoch anders. Die Richter erkannten den gesetzlichen Auskunftsanspruch der Presse an und folgten weitgehend dem Antrag der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Professor Weberling.

Gesetzlicher Auskunftsanspruch

Die Richter stellten auch klar, dass es sich bei der Gemeindeordnung lediglich um eine Verfahrensvorschrift handle, die daher keine Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem gesetzlichen Auskunftsanspruch der Presse vorschreiben könne.

Im Bemühen, die Öffentlichkeit auszuschließen, erleidet das ehemalige CSU-Mitglied Georg Ondrasch zurzeit einige Niederlagen. Ins Amt kam der Diplom-Kaufmann und Verwaltungsoberrat vor drei Jahren. Er hatte mit seiner „Doppelqualifikation und idealen Kompetenz für das Amt des Bürgermeisters“ geworben. Seit der Wahl steht er unter anderem wegen seines Hangs zur Geheimhaltung in der Kritik und erhielt auch nach einem Zeitungsartikel über seine „Stadtratssitzungen als Schauveranstaltungen“ von der Rechtsaufsicht des Landratsamts Main-Spessart „Hinweise“.

Den Haushalt 2011 wollte er dennoch, wie schon 2010, nichtöffentlich beraten lassen. Diesmal aber verweigert sich die Stadtratsmehrheit. Eine Klausurtagung und vier Stadtratssitzungen – allesamt nicht öffentlich – waren voriges Jahr nötig, ehe der fertige Haushalt in öffentlicher Sitzung verabschiedet wurde; er wäre wegen der Geheimverhandlung rechtlich anfechtbar. Dieses Jahr hatte der Bürgermeister wiederum zunächst zwei Klausurtagungen und eine Stadtratssitzung anberaumt – nicht öffentlich. Die Politik der verschlossenen Türen aber lehnte der Stadtrat diesmal ab.

Nicht schutzbedürftige Themen

Er habe selbst den Wunsch nach mehr Öffentlichkeit, beteuerte der Bürgermeister daraufhin auf Nachfrage dieser Zeitung – und setzte die nächste nicht öffentliche Sitzung an: Sie enthalte nur rein schutzwürdige Themen wie den Stellenplan. Zu dem Zeitpunkt jedoch hatte Ondrasch bereits den Stadträten die Tagesordnung geschickt – sie sah Beratungen über die Öffnungszeiten des Freibads und andere sicherlich nicht schutzbedürftige Themen vor. Diese Punkte musste er auf Druck des Stadtrats streichen.

Den Hang zur Geheimhaltung von aus welchen Gründen auch immer für kritisch oder unangenehm empfundenen Themen haben nicht wenige Bürgermeister und manchmal auch Gemeinderäte. Nach der Bayerischen Gemeindeordnung aber unterliegt nur ein Bruchteil der Themen der Nichtöffentlichkeit: Grundstücksgeschäfte, Personalangelegenheiten, Anträge Einzelner zu gemeindlichen Abgaben. Im Jahr 2009 fiel in Gemünden mehr als die Hälfte aller Stadtratsbeschlüsse nicht öffentlich, hat ein Stadtratsmitglied ermittelt.

 
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