Was vergessen war, kommt wieder: Heimische Kräuter kennen zu lernen und zu verwerten, fasziniert immer mehr Menschen. Die Rückbesinnung auf Kräfte der Natur haben uns chinesische Mediziner vorgemacht. Auch die späte Ehrung der Nonne und Pflanzenkennerin des 12. Jahrhunderts, Hildegard von Bingen, trägt zur Popularität von Klostermedizin und Phytotherapie bei.
In mittelalterlichen Darstellungen, wie der Madonna im Rosenhag von Martin Schongauer oder beim Naumburger Meister, sind wichtige Heilpflanzen abgebildet, denn Selbstbehandlung war für viele Gläubige eine Notwendigkeit. Noch unsere Großeltern kannten sich mit Hausmitteln gegen allerlei Krankheiten bestens aus.
In der Apotheken-Umschau nennt Prof. Andreas Hensel (Uni Münster) gute Gründe, warum heute wieder 42 Prozent der Bundesbürger auf die Heilkraft der Natur setzen: Pflanzlichen Arzneimittel hätten weniger Nebenwirkungen als synthetische, weil sich der menschliche Organismus im Laufe der Evolution an pflanzlichen Wirkstoffe angepasst habe. Zudem verstärkten und beeinflussten sich die Substanzen im Heilkraut gegenseitig so, dass die Verträglichkeit steige. Die meisten Ärzte befürworten eine unterstützende Heilung durch Naturmedizin, aber diese sei kein Ersatz für bewährte Medikamente wie Antibiotika, wird gewarnt. Wer selbst zum Sammeln in die Natur geht, muss sich gut auskennen, denn, wie beim Pilzesuchen, kann es zu gefährlichen Verwechslungen kommen.
Barbara Wallochny. selbst ernannte Kräuterfee mit Ausbildung zur Gesundheitsberaterin, hat Heilkräuter zu ihrem Hobby gemacht. Sie betreut in Marktbreit den Kneipp-Kräutergarten mit 70 unterschiedlichen Gewächsen und im eigenen, terrassenförmig angelegten Garten pflegt sie bekannte und seltenere Pflanzen. Bienen tummeln sich um die Spätblütler: Minze, Sonnenhut, Thymian und Rosen. Ein Holunderbaum ist reif für die Ernte. Gartenarbeit sei wie Meditation, meint die Hobbygärtnerin, die auch Vorträge hält und Führungen anbietet. „Mir geht es darum, das alte Wissen der Mönche und Kräuterfrauen weiterzugeben.“ Wichtig sei ihr auch, dass die Bienen in den Gärten genug unterschiedliche Blüten finden, und sie ist der Meinung, dass nicht alles, was Unkraut heißt, aus den Gärten verschwinden darf. Für ihren kleinen Kräuterladen sammelt sie bewährte Rezepte und mischt Blüten, Früchte, Beeren, Blätter und Wurzeln aus Lieferungen geprüfter Hersteller zu Gewürzen und Gesundheitstees. Geerntet werden die Kräuter am späten Vormittag, da haben sie die beste Qualität, raten auch Experten der Bayerischen Gartenakademie. Zum Einfrieren eignen sich Petersilie, Dill, Estragon oder Basilikum. Durch Trocknen können Mittelmeerkräuter, Minze, Bohnenkraut, Dill oder Liebstöckel konserviert werden. Die ungewaschenen Kräuter hängt man in Büscheln für zwei bis drei Tage an einen warmen, schattigen Ort. Danach werden die zerkleinerten Kräuter in Dosen, dunkle Gläser oder Papiertüten abgefüllt. Ihre Kräutermischungen bewahrt Barbara Wallochny maximal ein Jahr auf, danach verfliege langsam das Aroma.
Jetzt im Herbst schlägt sie vor, sich noch einen Vorrat an Heilpflanzen für den Winter anzulegen: So seien getrocknete Rosenblüten im Duftkissen gut gegen Kopfschmerzen und Schwindel. Pfefferminze oder die Wurzeln vom Liebstöckel helfen aufgebrüht bei Magenbeschwerden. Hopfenzapfen, als Tee eine halbe Stunde vor dem Einschlafen getrunken, wirken beruhigend, und wer jeden Tag ein Salbeiblatt kaue, schütze sich vor Halsschmerzen. Ein Bündel Rainfarn am Fenster hält Insekten ab, und Rosskastanien, geschält , halbiert, eingeweicht und aufgekocht, sind als Badezusatz wirksam gegen rheumatische Beschwerden.
Kräuterführung: Am Samstag, 22. September, ist FORUM 55 zu Gast bei der Kräuterfee. Siehe dazu auch: Wir bieten an.