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WÜRZBURG
Gedrängel: Auf dem Main geht's wild zu
Main als Tourismusmagnet: Immer mehr Kreuzfahrtschiffe sind auf dem Fluss unterwegs.
Foto: Hillenbrand, dpa | Main als Tourismusmagnet: Immer mehr Kreuzfahrtschiffe sind auf dem Fluss unterwegs.
Rudolfo Keller
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:30 Uhr

Güterschiffe, Schwimmer, Motorboote, Segler, Wasserskifahrer und Angler – gut ein Dutzend Sportarten, Freizeitvergnügen und Berufe teilen sich im Sommer über den Main. Häufiger als man erfährt, kommt es zu brenzligen Begegnungen, zum Glück aber nur selten zu Unfällen.

Behäbig tuckert die „Joliba“ aus Magdeburg vor dem Stadtstrand flussaufwärts. 82 Meter ist sie lang und schiebt eine mächtige Bugwelle vor sich her, fast einen Meter hoch. Richtung Randersacker, beim Graf-Luckner-Weiher, absolviert zur gleichen Zeit ein Schwimmer sein Morgentraining. Auf der linken Flussseite gleiten zwei Vierer des Rudervereins in schmalen Booten mit kräftigen Schlägen in Richtung Würzburg.

Sie alle tummeln sich auf dem Main, doch die Kräfteverhältnisse könnten unterschiedlicher kaum sein: Die Frachtschiffe sind bis zu 110 Meter lang, fast zwölf Meter breit und je nach Ladung mehrere Hundert Tonnen schwer. Das Ruderboot mit zehn oder zwölf Metern Länge wiegt gerade ein Tausendstel davon. Und der Schwimmer, der mit dem Kopf aus dem Wasser schaut, ist so klein, dass er vom Steuerstand des Frachters kaum zu erkennen ist.

Teils Leichtsinn im Spiel

Wie gehen Ruderer und Schwimmer mit dieser Situation um? Der Schwimmer ist da ganz entspannt: „Immer schön die Augen offen halten, rechtzeitig nahe zum Ufer schwimmen. Dann schaukelt es zwar etwas, aber das passt schon.“

Bei der Wasserwacht, die ihren Würzburger Stützpunkt gegenüber dem Stadtstrand hat, sieht man das etwas kritischer: Glücklicherweise seien schwere oder gar tödliche Unfälle sehr selten, sagt Jörn Rausch vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK), zu dem die Wasserwacht gehört. „Aber sie kommen vor, und dann ist die Bergungsarbeit für die Wasserwachtler sehr belastend.“ Bei ihren Patrouillenfahrten stellen die Wasserwacht-Mitarbeiter immer wieder fest, dass sich die meisten Schwimmer vernünftig und vorsichtig verhalten – aber dass zuweilen eben auch Leichtsinn im Spiel ist.

Toter Winkel für Frachtschiffe

Auch für den stärksten Main-Nutzer, die Frachtschiffe, ist das mitunter dichte Getümmel auf dem Main problematisch. Von seiner Kommandobrücke aus sieht er zwar sehr weit, doch die letzten 200 Meter vor dem Bug liegen – vor allem bei leeren Schiffen – in einem toten Winkel. Auch Kameras, mit denen inzwischen viele Schiffe ausgerüstet sind, helfen nur bedingt. In Flussbiegungen etwa nützen sie gar nichts.

Ist ein Schwimmer erst einmal in den Bereich der Bugwelle oder in den Sog auf der Längsseite geraten, gibt es oftmals keine Rettung mehr für ihn. Und einen solchen Schiffskoloss innerhalb einer überschaubaren Strecke zu stoppen, ist unmöglich. Das heißt: Im günstigsten Fall knallt der Schwimmer gegen die Bordwand, im Ungünstigsten gerät er in die Schraube. Das gleiche Schicksal wie einen unvorsichtigen Schwimmer kann auch Paddler, Ruderer und sogar Motorboote treffen.

Bis vor sieben Jahren hatte auch der damalige Würzburger Yachtclub sein Vereinsheim und seine Anlagestelle am Mainkai. Im Zuge der Arbeiten für die Anlegestellen für die großen Kreuzfahrtschiffe musste er wegziehen und hat weiter flussaufwärts als „Wassersportclub Eibelstadt“ (WSC) eine neue Bleibe gefunden. Dadurch sei jetzt vieles entspanter; insbesondere die nicht immer ganz konfliktfreien Begegnungen mit den leichten und zerbrechlichen Booten der Rudervereine gehören jetzt der Vergangenheit an, sagt Gerhard Braun, Präsident des WSC. Ins Gehege komme man sich dort höchstens mal mit Anglern, die ihre Köder gleich beim Hafeneingang auswerfen oder die Angelschnüre über die halbe Mainbreite spannen, doch in der Regel lasse sich das alles mit Vernunft und ein paar Worten klären.

Schwieriger sei der Umgang mit Güterschiffen und den großen Kreuzfahrtschiffen. „Wenn die direkt vor der Hafeneinfahrt vorbeiziehen, ist deren Sog manchmal so stark, dass das halbe Hafenbecken leergesogen wird und Boote auf Grund gesetzt werden“. Auch das schwimmende Vereinsheim der WSC leide unter den raschen Wechseln des Wasserstandes.

Während Braun den regional fahrenden Güterschiffen in dieser Hinsicht ein gutes Zeugnis ausstellt, ist man mit den international fahrenden Kreuzfahrern eher unzufrieden. Braun billigt ihnen zwar mangelnde Ortskenntnis und hohen Termindruck zu, aber der Begriff „Rücksichtslosigkeit“ ist da und dort immer wieder zu hören.

Abgesteckte Wasserski-Reviere

Mit 20 oder 30 Stundenkilometern sind auch die Wasserskifahrer und Wakeboarder flott auf dem Wasser unterwegs. Trotzdem sind Konflikte mit ihnen selten, denn sie haben ihr eigenes, genau abgestecktes Revier zwischen dem Wehr bei der Randersackerer Schleuse und der Kalten Quelle. Die größte Sorge der Wasserskifahrer sind denn auch Schwimmer, die sich leichtsinnig in die klar angezeigte Wasserskistrecke wagen, sagt Jana Toth vom Wasserskiclub Würzburg. Auf Hinweise des Clubs werde aber oft nur mit Unverständnis reagiert.

Ein Ärgernis seien auch Sportbootfahrer, die genau diese kurze Strecke zum Ankern aussuchen „und dann ihre Kinder ohne Schwimmweste in der Strecke schwimmen lassen“. Das ist nicht nur wegen der schnellen Boote riskant – sondern auch wegen eines weiteren Nutzers des Mains: den Elektrizitätswerken. Die Wehre, die das Wasser für die Turbinen aufstauen, stehen zwar ruhig da, doch die Strömung, fast unsichtbar, ist heimtückisch. Sogar kräftige, erfahrene Schwimmer können hier in gefährliche Situationen geraten.

Schwimmer schwer zu erkennen

Auch für Ruderer seien Schwimmer sehr schwer zu erkennen, sagt Peter Wimmer vom Akademischen Ruder-Club Würzburg. „Und Schwimmer können die Geschwindigkeit von Ruderbooten schlecht einschätzen, ebenso wie die Spannweite der Ruder“. Aber warum rudern sie denn auch so nahe am Ufer, wo sie Badende gefährden und sich in den Angelschnüren verheddern können? „Weil wir den großen Schiffen, die in der Mitte des Mains fahren, ausweichen müssen.“ Tja, auch das Freizeitparadies Main hat eben seine Grenzen.

Klaus-Uwe Kiehne, regionaler Leiter der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, ist als Paddler selbst Teilnehmer im Freizeitparadies Main. Er schätzt die Situation so ein: „Natürlich ist es nicht immer einfach. Aber, ein bisschen Vernunft und Toleranz vorausgesetzt, geht es eigentlich ohne wirklich große Probleme.“

Main als Arbeitsplatz: Ein Frachtschiff.
Foto: Peter | Main als Arbeitsplatz: Ein Frachtschiff.
Main als Sportplatz: Wasserski- und Wakeboard-Sportler sind in abgesteckten Bereichen unterwegs.VARASANO
Foto: Foto: | Main als Sportplatz: Wasserski- und Wakeboard-Sportler sind in abgesteckten Bereichen unterwegs.VARASANO
Main als Freizeitgelände: Badespaß.
Foto: Obermeier | Main als Freizeitgelände: Badespaß.
 
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