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ALZENAU
Gartenoase trifft Energiepark
„Natur in Alzenau 2015“: 87 Tage lang können die Besucher eintauchen in ein sommerliches Blütenmeer, sich auf gärtnerische Schmankerl und über 2000 Veranstaltungen freuen. Gleich zwei unterschiedliche Parkanlagen bieten Information und Erholung.
Von unserem Redaktionsmitglied Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:30 Uhr

Severin Simon sitzt in seinem Destilliergarten und begutachtet sein Werk. „Die Gerste muss noch ein bisschen wachsen“, sagt Simon. Er ist Schnapsbrenner in der fünften Generation. Mit Hut und Bart ähnelt er seinem Urgroßvater, der die Brennerei Simon 1879 gründete. Sein Konterfei ziert heute noch die Flaschen von Whiskey, Gin und den Obstbränden der kleinen Manufaktur, die Hochprozentiges aus heimischem Anbau herstellt. Genau das will der Winzer und Brenner auch auf der Gartenschau „Natur in Alzenau“ zeigen. Neben Gerste für seinen Whiskey hat er auf seinem Areal im Energiepark Wacholderbeeren, Koriander und Kardamom für Gin sowie einige Obstbäume angebaut.

Alzenau ist die nordwestlichste Stadt Bayerns und mit ihren knapp 20 000 Einwohnern zugleich die sechstgrößte Unterfrankens. Die Region ist mit ihren Weinorten und ausgedehnten Waldgebieten auch ein beliebtes Ziel für Ausflügler, die insbesondere aus dem Rhein-Mai

Gartenschau Alzenau
Foto: Claudia Kneifel | Gartenschau Alzenau
Gartenschau alzenau
Foto: Jutta Kriegsmann | Gartenschau alzenau

n-Gebiet kommen. In diesem Jahr ist Alzenau Gastgeber der Bayerischen Gartenschau, die am 22. Mai beginnt.

Das Gelände ist zweigeteilt, in einen Generationen- und einen Energiepark. Verbunden sind die beiden Bereiche durch den Stadtpark. Stolz lässt Robert Sitzmann seinen Blick über den Park schweifen. Der Landschaftsarchitekt ist Geschäftsführer der Natur in Alzenau GmbH. Vor zwei Jahren war er maßgeblich an der Gartenschau „Natur in Kitzingen 2011“ beteiligt. „Jede Gartenschau ist anders, weil wir auf die jeweiligen geografischen Begebenheiten eingehen“, sagt er. Im Generationenpark treffen Jung und Alt aufeinander. Ein Hingucker ist der Spielplatz „Kuckucksnest“. Dort können die Kleinen in überdimensionalen Vogelnestern aus Holz herumtoben. Es gibt eine Balancierbrücke, Kletternetze, Stelzenparcours und eine Nestschaukel.

Für die Älteren, speziell Demenzkranke, wurde ein Bereich konzipiert, der sich „Garten mit allen Sinnen“ nennt. Sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen stehen dort im Mittelpunkt, erklärt Sitzmann. Klangobjekte, Fühltafeln und Hochbeete mit besonderen Duft- und Nutzpflanzen dominieren den umzäunten Garten. „Sinneseindrücke trainieren das Gehirn und können den Krankheitsverlauf der Demenz positiv beeinflussen“, so Sitzmann. Daneben gibt es auf der Gartenschau aber noch Einiges mehr zu erleben und zu sehen. Zum Beispiel eine Mustergrabanlage mit kunstvollen Steinmetzarbeiten und einem Urnengrab. Sechs Stelen aus Beton sind durch filigrane Eisenstangen verbunden. Darauf sind bunte Blätter befestigt, auf die die Namen der Verstorbenen eingraviert werden können.

Sechs Beispielgärten liefern Gartenfreunden Anregungen für die Praxis. Wie baue ich einen Schwimmteich? Was bringt eine Baumschaukel? Wie vertikale Begrünung gelingt, zeigt Landschaftsgärtner Patrick Vogt aus Gemünden. Begrünte Wände würden – besonders in Großstädten – immer populärer. „Grün ist die Farbe der Hoffnung. Mit der Farbe Grün assoziieren wir Wohlempfinden und Gemütlichkeit“, erklärt er. Man könne auch Wände und Dächer begrünen, so Vogt. Das Augenmerk liege dabei auf der Wasserverwendung: „So nutzen wir die Wasserentsorgung zur Wasserversorgung.“

Im gelben Pavillon stellen sich Mitglieder der Obst- und Gartenbauvereine den Fragen von Hobbygärtnern. Streuobst, Tomatenanbau, Insektenhotel, Balkonblumen – jede Woche steht ein anderes Thema auf dem Programm. Das Schaukräuterbeet ist unterteilt in Duft-, Küchen- und Heilkräuter. „Aber den Arzt können wir nicht ersetzen“, sagt Herbert Sittinger, Vorsitzender des Kreisverbands Gartenbau und Landespflege Alzenau. Er möchte vor allem Kinder wieder mehr für die Natur begeistern.

Über den Stadtpark gelangt man in den Energiepark, der an die freie Landschaft der Kahlaue grenzt. Neu ist der Aussichtssteg, der den Blick freigibt auf das renaturierte Flüsschen Kahl, das nun auf zwei Kilometern Länge wieder frei fließen kann. Im Zuge der Gartenschau ist dort ein Naherholungsgebiet mit Wasserlehrpfad entstanden. „Der Eisvogel und die Wasseramsel lassen sich wieder hier blicken“, freut sich Michael Naumann, Geschäftsführer der Natur in Alzenau 2015. Für ihn hat die Gartenschau schon jetzt viele positive Auswirkungen auf Stadt und Region.

Auch Serverin Simon und seine Frau Susanne wollen mit ihrem „Destillat Garten“ bei den Besuchern punkten. „Wir legen großen Wert auf Regionalität“, erklärt Simon. Seine Destillate reifen grundsätzlich in Fässern aus Spessarteiche. „Unsere Destillen befeuern wir mit Holz aus dem eigenen Wald. Das Obst stammt von eigenen, alten Streuobstwiesen. Das Korn für unseren Whiskey und Wodka aus eigenem Anbau.“ Während sich die Erwachsenen über edle Brände informieren, können die Kinder in einem Segelschiff aus Holz mit Sand spielen.

Im Energiepark gibt es viel zu entdecken. Um Rosenleckereien, Ziegen, Wiesenkräuter, Spargel und energiereiche Pflanzen geht es im Pavillon des Energieparks, präsentiert vom Gartenbauzentrum Nord am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen. Christine Bender und Joachim Lukas kümmern sich um die „Schule im Grünen“, das Kinderprogramm auf der Gartenschau. Zudem stellt die Rosenexpertin Delikatessen aus Rosen vor: Konfitüre, Sirup, Gelee, Essig, Zucker, Pfeffer, Salz und Tee. „Rosen sind ein Geschenk der Natur“, schwärmt Bender.

Dem Leben am und im Wasser widmet sich der Bund Naturschutz im blauen Pavillon. Gezeigt wird eine Ausstellung: „Biber – die guten Geister des Wassers.“ Entlang des Flüsschens Kahl werden wieder Biber gesichtet. „Keine zweite Tierart in Bayern leistet so viel für die Artenvielfalt und den Hochwasserschutz wie der Biber“, sagt Dagmar Förster, Vorsitzende der Bund Naturschutz Ortsgruppe. Er sei ein Baumeister der Natur, von dem auch wir Menschen profitieren würden. Alles, was der Landschaftsgestalter Biber brauche, sei ein Mindestmaß an Raum. Der fehle den Flüssen heute allerdings meist. So komme es immer wieder zu Konflikten zwischen Mensch und Biber.

Schüler können im Energiepark noch viel mehr lernen: So stehen auch die erneuerbaren Energien im Mittelpunkt. „Dafür haben wir beispielsweise Seifenblasen rülpsende Holzkühe, um den Methanausstoß der Tiere darzustellen“, erklärt Robert Sitzmann.

Kinder können aber auch die Wucht des Wassers durch selbst gebaute Staudämme erleben und mit einem Laufrad Energie erzeugen. Im Sonnenenergiegarten kann man selbst zum Zeiger einer Sonnenenergieuhr werden. Der Besuch einer Gartenschau soll Spaß und Informationen für die ganze Familie bieten.

In Bayern gibt es jedes Jahr eine Gartenschau – dabei wechseln sich Landesgartenschauen und die Regionalschauen „Natur in der Stadt“ ab. Die nächsten Landesgartenschauen sind 2016 in Bayreuth und 2018 in Würzburg geplant. Die nächste „Natur in der Stadt“ findet 2017 in Pfaffenhofen statt. Robert Sitzmann wird an der Gartenschau 2019 in Wassertrüdigen (Lkr. Ansbach) mitwirken. Er freut sich, dass mit den Gartenschauen in Bayern bislang mehr als 404 Hektar dauerhafte Grün- und Erholungsflächen entstanden sind. Das sei mehr als die Fläche des Englischen Gartens in München. Die Kosten für die Gartenschau 2015 in Alzenau belaufen sich auf rund fünf Millionen Euro. Das bayerische Umweltministerium fördert die dauerhaften Investitionen mit 1,6 Millionen Euro und zusätzlich mit 600 000 Euro aus einem Fonds der Europäischen Union. Robert Sitzmann schätzt, dass 300 000 Besucher zur Gartenschau kommen und somit Einnahmen in Höhe von zwei Millionen Euro erzielt werden.

Einen Destilliergarten, wie den von Severin Simon, hat es bislang jedenfalls auf keiner Gartenschau gegeben. „Mein Traum war immer Rum aus regionalem Anbau“, erzählt Simon. Doch er scheiterte zunächst an der Zuckerrohrmelasse – bis er auf die „Tres Hombres“ stieß.

Die „Tres Hombres“ ist ein ehemaliger Kriegsfischkutter, der nach über 60 Jahren zum Frachtsegler umgebaut worden war und seit Ende 2009 einen klimaneutralen Frachtdienst zwischen Europa und dem amerikanischen Kontinent unterhält. So hat Simon sein Ziel, perfekten Rum aus heimischer Produktion, erreicht.

Natur in Alzenau 2015

Am Freitag, 22. Mai, um 9 Uhr ist es so weit: Dann öffnen sich die Tore der Gartenschau in Alzenau. Bis zum 16. August können die Besucher zwei neu angelegte Parks mit insgesamt neun Hektar erkunden, das ist so groß wie etwa zwölf Fußballfelder. Gepflanzt wurden dort 500 Bäume und Sträucher und jeweils 1000 Quadratmeter Sommerblumen und Stauden. An dem 87 Tage dauernden Festival locken über 2000 Veranstaltungen. Die Tageskarte kostet 12 Euro für Erwachsene, Kinder bezahlen in Begleitung von Erwachsenen keinen Eintritt. Das Bayerische Umweltministerium hat Gartenschauen seit 1980 mit weit über 60 Millionen Euro gefördert. Insgesamt haben mehr als 20 Millionen Gäste die Gartenschauen besucht.

Infos: www.gartenschau-alzenau.de

„Mit der Farbe Grün

assoziieren wir Wohlempfinden und Gemütlichkeit.“

Patrick Vogt, Landschaftsgärtner aus Gemünden
 
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