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Fröhstockheim
Fröhstockheim: Das Schloss aus dem Bilderbuch
Hinter den Mauern von Fröhstockheim: Das einstige Wasserschloss ist kein Prunkbau – es will entdeckt werden.
Schloss Fröhstockheim
Foto: Obermeier
Von unserem Redaktionsmitglied Harald Meyer
 |  aktualisiert: 17.07.2022 02:32 Uhr

Das Navigationsgerät ist sich sicher: Kirchgasse 8. Also, Schloss Fröhstockheim ist gefunden. Der Blick irrt über Mauern, landwirtschaftliche Gebäude, findet eine Zufahrt – und dann endlich ein imposantes Viereck, bewacht von vier Rundtürmen. Das einstige Wasserschloss am Ortsrand ist kein Prunkbau. Es will entdeckt werden.

Das mächtige Gebäude verleugnet seine tiefe Verwurzelung mit der Fröhstockheimer Scholle nicht: Wer in den Schlosshof kommt, stößt auf viele Gutsgebäude, bevor der Blick vom Zuhause der einst größten „Bauern“ der Gegend gefangen wird – dem Schloss der Freiherren von Crailsheim.

 

Der letzte Landwirt aus dem uralten Geschlecht hat hier seinen Privatsitz: Dr. Crafft Freiherr von Crailsheim lebt hier mit Gattin Iris, zehn Hunden und – auf ausgedehnten Koppeln – 13 Pferden. Die Hundemeute tobt hier durch Stein gewordene Geschichte, durch Mauern, die des Schlossherrn – offensichtlich – ganzer Stolz sind.

Der Freiherr lenkt den Blick des Besuchers über die Architektur, die sich im Innenhof des einstigen Wasserschlosses entfaltet: Kunstvolles Fachwerk verrät Bodenständigkeit, schwere steinerne Türbogen stemmen ein Stück Mittelalter unter dicke Mauern, ein Turm mit Wendeltreppe zeigt das Können der einstigen Baumeister. Die schrägen Fenster zeichnen die Treppenschräge nach.

 

„Das Beste kommt noch“, sagt von Crailsheim, leitet durch einen langen Gang und ein Turmzimmer mit historischem Mobiliar – auf einen kleinen Balkon. Hier gibt's ein Glas Wasser mit hausgemachtem Holundersirup und einen märchenhaften Blick hinunter auf den Schlosspark.

Dessen Gartenarchitektur aus dem Barock und Rokoko hat ein prall sprießendes Grün bis auf kärgliche Reste überwachsen, der spätere englische Park hat ebenfalls in großen Teilen vor der Übermacht der Natur kapituliert. Herrscher im Park sind Baumriesen wie eine Linde oder eine gewaltige Blutbuche – und alles, was wurzelt, kreucht und fleucht. Von Crailsheim spricht mit leuchtenden Augen vom Gesang der Nachtigallen im auf rund 1,8 Hektar geschrumpften Park. Und von der Schlosshistorie.

Die beginnt im Nebel der Geschichte und in einer Wasserburg. Als deren Besitzer nennen frühe Urkunden von 1220 einen Fuchs von Stockheim. Danach senkt sich wieder ein Schleier über das Gemäuer, in dem 1455 das Geschlecht derer von Hessberg residiert. Die haben nicht lange Glück mit dem Besitz. In den Bauernkriegen wird die Anlage von Aufständischen erobert und zerstört.

Trommelwirbel in einer Ruine: Wolf von Crailsheim erscheint auf der Bühne der Fröhstockheimer Historie. „Der Glückselige“, wie sein Beiname lautet, kauft 1543 den Ort samt Gut und Lehensleuten, beginnt mit dem Wiederaufbau des Schlosses. Sein Wohnsitz bleibt aber Mainsondheim. Erst sein Sohn Ernst zieht in die Gemeinde, baut das Schloss neu und lebt bis 1596 im Ort. Seinem Andenken ist ein Epitaph in der Fröhstockheimer Kirche gewidmet, das Ernst mit seinen drei Frauen und deren 24 Kindern zeigt.

Schloss Fröhstockheim
Foto: Schleicher
Drei Generationen später: Das Barock hat sich als architektonische Mode durchgesetzt, und auch die Crailsheimer können sich seinem Glanz nicht entziehen. Die Freiherren setzen das heutige Mansardendach auf das Schlossviereck, die „zweimal eingeschnürten Kuppeln“ der Ecktürme entstehen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Nach dem barocken Höhenflug taucht der wuchtige Bau gemeinsam mit dem Adelsgeschlecht in die Höhen und Tiefen der Geschichte. Heere marschieren hier durch, der Krieg zieht das Schlossleben nicht selten in die Niederungen der Armut, und auch unter den Crailsheims ist nach Angaben der Familienchronik manches familiäre Scharmützel passiert. Wobei zerstrittene Brüder oder Vettern in gegenüberliegenden Flügeln des Schlosses mit der „bösen“ Verwandtschaft zusammenleben mussten.

Die Macht des Adels schwächelt im 19. Jahrhundert, auch wenn an dessen Anfang das Rentamt – mit Gerichts- und Verwaltungskompetenzen – im Torbau des Schlosses noch einmal ausgebaut wird. 1848 werden die Hoheitsaufgaben aufgelöst, auch wenn ein Symbol der weltlichen Gewalt, die Gerichtseiche für Todesurteile, noch im 20. Jahrhundert an der westlichen Verwaltungsgrenze wurzelt.

Die Crailsheims dagegen ziehen ihre Wurzeln aus Fröhstockheim zurück, das Schloss verödet. Richard von Crailsheim, Administrator des Adelshauses, verlässt Anfang des 20. Jahrhunderts den repräsentativen Bau, bezieht ein modernes Haus daneben. Bruder Krafft wohnt um 1900 in Schloss Rödelsee, den Gutshof in Fröhstockheim bewirtschaftet ein Pächter, obwohl Krafft wie später dessen Sohn Crafft Landwirtschaft studiert hatte, um die eigenen Felder zu bewirtschaften.

Die Wirren des Zweiten Weltkriegs führen die Crailsheims ins Fröhstockheimer Schloss zurück. Crafft zieht mit seiner Familie hier ein – und die Dorfbewohner suchen hier in den Kellern Schutz, wenn alliierte Bomber Würzburg ansteuern. 1945 zieht eine amerikanische Kompanie im Schloss ein. Die Crailsheims und ausgebombte Verwandte müssen raus, in einem Hofgebäude zusammenrücken.

Der Frieden bringt der Familie Arbeit und eine Aufgabe. Das Schloss sei „verfault“ gewesen, herabgewirtschaftet durch deutsche Soldaten, Besatzung und Flüchtlinge, sagt von Crailsheim. Sein Vater habe damals Schloss Rödelsee verkauft und den beträchtlichen Erlös in die Fröhstockheimer Mauern gesteckt. Gleichzeitig führte der Vater den Gutshof in die Neuzeit, formte ihn in eine moderne Landwirtschaft um.

Schlossherr und Bauer ist auch Sohn Crafft, der 1976 dem Wohnsitz der Familie noch einmal eine Schönheitskur verordnet. Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Brennrechts saniert er die „Außenhaut“, saniert das prächtige Fachwerk im Innenhof. Auch bei der Landwirtschaft setzt der Mann mit dem herzlichen Lachen noch Zeichen: Die Felder bebaut ein spezialisierter Großlandwirt. Das lässt dem passionierten Reiter Crafft von Crailsheim Zeit für Entspannung im Sattel und für ein entspanntes Schwätzchen bei Holundersirup, Einkochjahrgang 2008, auf dem Balkon eines Schlosses, das seinen barocken Charme vor dem kalten „Auge“ des Navigationsgeräts versteckt.

 
 
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