Untermalt von einem französischem Chanson, schiebt sich ein Wagen gemächlich durch die mittelfränkische Landschaft, zwei Kinder springen in einem Garten Seil, dann rast ein ICE über die Bahnschienen, eine Pistole wird geladen, Schüsse fallen. So unterschiedlich wie die anfänglichen Szenenbilder gestaltet sich die gesamte Premieren-Folge des Franken-„Tatorts“ mit dem klanghaften Titel „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD). Mal spielt er in einem noblen Nürnberger Wohnviertel mit durchgestylten Häusern, dann wieder in einem heruntergekommenen Mietshaus mit kahlen Gängen und langen Fluren. Gerade noch ziehen weiße Schleierwolken am blauen Himmel vorbei, dann machen sich schwer bewaffnete Männer des Sondereinsatzkommandos bereit.
Die Macher des ersten Franken-„Tatorts“ setzen auf einen Wechsel aus schnellen Bildern – etwa wenn die Hauptkommissare Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) im Auto durch die Nacht brausen – und ruhigen, fast kammerspielartigen Momenten. Nürnberg zeigt sich von seiner urbanen, modernen Seite. Beispielsweise, wenn die Kommissare durch den Stadtteil Gostenhof fahren – vorbei am Justizpalast und den imposanten, wenn auch leer stehenden Gebäuden von Quelle und AEG. Wie ein Stillleben wirkt es hingegen, wenn die zu befragende Zeugin auf einem schwarzen Ledersessel in der Mitte ihres eleganten, fast steril wirkenden Wohnzimmers thront. Die langen Kameraeinstellungen sorgen für eine ruhige Atmosphäre, die den Zuschauer langsam in die Handlung holt. Allerdings nur zu Beginn. Denn gegen Ende nimmt die Geschichte richtig Fahrt auf – ohne jedoch auf Gemetzel, blutrünstige Szenen oder Effekthascherei zu setzen.
Die Handlung des Films ist schnell erzählt. Ein Universitätsprofessor wird beim Liebesspiel im Wald mit zwei Kopfschüssen ermordet. Die unbekannte Geliebte, die mit ihm im Wagen saß, kann entkommen und natürlich ist es das oberste Ziel der beiden Kommissare, besagte Frau zu finden. Dabei entwickelt sich die Handlung nicht stringent, sondern versucht den Zuschauer auf Umwegen zur Auflösung zu führen. Wobei die Geschichte teilweise arg konstruiert daherkommt.
Umso mehr Zeit nehmen sich die Macher dafür für die Einführung und Entwicklung der Figuren, deren Dialoge vor allem durch trockenen Humor überzeugen. Eine spannende Mischung ergeben die gegensätzlichen Charaktere der Hauptkommissare. Paula Ringelhahn – einst wegen der Liebe zu Demokratie und Freiheit vom Osten in den Westen gezogen – ist eine resolute, provokante Ermittlerin mit losem Mundwerk, die durchaus einmal laut werden und auf den Tisch hauen kann. Ihrem neuen Kollegen Felix Voss scheint das nicht immer angenehm zu sein, besticht er doch vor allem durch Einfühlungsvermögen und eine ausgeglichene Art. Allzu viel Privates erfährt man zunächst nicht von den beiden Polizisten. Voss stammt aus dem hohen Norden, ist gerade erst nach Nürnberg gezogen und muss – weil bei der Umzugsfirma etwas schiefgelaufen ist – in einem unmöblierten Zimmer hausen. Ringelhahn hat Probleme mit dem Gebrauch ihrer Waffe.
Gemein ist den beiden Figuren – bei denen die Chemie auf Anhieb zu stimmen scheint – ihre Entschlossenheit und die Bereitschaft, auch einmal die ein oder andere Regel zu umgehen. Das wiederum führt gleich in der ersten Folge zu lautstarken Auseinandersetzungen mit dem cholerischen Polizeipräsidenten Dr. Kaiser (Stefan Merki). Der erinnert mit seinem Wunsch, nach außen gut dazustehen und ein perfektes Bild seiner Stadt zu zeichnen, ein wenig an den Vice-Questore Giuseppe Patta aus den „Commissario Brunetti“-Filmen. In diesen explosiven Aufeinandertreffen ist durchaus auch Platz für den ein oder anderen subtilen Seitenhieb gegen die bayerische Landeshauptstadt. Feine Ironie statt polternde Schelte ist dabei das Motto.
Für echt fränkischen Charme sorgen die Kommissare Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) und Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) sowie der Leiter der Spurensicherung Michael Schatz (Matthias Egersdörfer), die das Team um Ringelhahn und Voss komplettieren. Wenn nach etwa fünf Minuten das erste Mal das Wort „freilich“ auftaucht, Schatz von „erodischen Sendungen“ und „dodaler Hingabe“ spricht, oder Goldwasser darauf verweist, dass vor Ort „die Katz' v'reckt sei“ schlägt das Frankenherz höher. Auf liebevolle Weise setzt der Film die fränkischen Eigenheiten und Liebenswürdigkeiten in Szene, ohne dabei ein provinzieller und verschrobener Hinterwäldler-Krimi zu sein. Auf die Fortsetzung – demnächst aus Würzburg – darf man gespannt sein.