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UNTERFRANKEN
Fernbuslinien machen günstig mobil
Fernbuslinien Start-Up-Unternehmen wie FlixBus machen mobil – und das ganz schön günstig.
Auf nach Köln: Larissa bestieg für die Reise den ersten FlixBus, der in Würzburg Halt machte.
Foto: theresa Müller | Auf nach Köln: Larissa bestieg für die Reise den ersten FlixBus, der in Würzburg Halt machte.
Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:44 Uhr

Da kommt er, da noch einer.“ Die Erleichterung ist hör- und spürbar bei sechs jungen Frauen und Männern, als der erste und gleich danach ein zweiter orange-blauer „FlixBus“ des gleichnamigen Münchner Unternehmens in die Bismarckstraße in Würzburg einbiegt und gegenüber der Post stoppt. Einer ist Richtung Süden unterwegs, zur Jungfernfahrt nach Erlangen/Nürnberg. Der andere, auch eine Premiere, wird über Frankfurt nach Köln fahren.

Hier, ganz nah am Würzburger Bahnhof, halten auch die grünen Busse des Berliner Anbieters MFB MeinFernbus GmbH. Beide, FlixBus und MeinFernbus, künden von der Liberalisierung im Fernreiseverkehr. Mit dem Bus quer durch Deutschland – erst seit Anfang des Jahres ist es möglich, Konzessionen für nationale Fernbuslinien zu erhalten, auch wenn es parallel eine Zugverbindung gibt. Nun präsentieren sich mehr und mehr Anbieter als Konkurrenz zu Bahn, Billigfliegern und Mitfahrzentralen.

Lukas will von Würzburg nach Erlangen. Dass FlixBus jetzt die Strecke fährt, hat er bei www.mitfahrgelegenheit.de erfahren. Fürs Ticket hat er sechs Euro gezahlt. Das nennt er einen „schönen Preis“ und schimpft in einem Atemzug über die „unverschämten Preise“ der Bahn.

Larissa nickt zustimmend. Sie hat ihre Mutter in Rothenburg ob der Tauber besucht und will mit dem Bus nach Köln. Ihr Ticket hat 18 Euro gekostet. Ein Preis, der in etwa für eine Mitfahrgelegenheit verlangt wird, sagt sie: „So sechs Euro pro 100 Kilometer“ seien da üblich.

Raffaela und Lasse fahren ebenfalls nach Köln. Für je 13 Euro, also günstiger als Larissa. Sie haben früh gebucht – und je zeitiger, desto günstiger der Preis bei Fernbussen. „Auch auf lange Frist werden die Preise von FlixBus immer unter dem günstigsten Angebot der Deutschen Bahn liegen“, verspricht die Geschäftsführung. „In der Regel mindestens 50 Prozent günstiger als mit der Deutschen Bundesbahn“, heißt es bei MeinFernbus.

Zählt nur der Preis? Nein, sagt Andreas, der aus Erlangen kommt. Für ihn ist der gratis WLAN-Anschluss im Bus und die Sitzplatzgarantie wichtig, den Busfahrer lobt er als sehr freundlich. Stefan aus Nürnberg, auf der Fahrt unterwegs nach Frankfurt, findet es toll, dass der Kaffee im Bus lediglich 1,50 Euro kostet.

Von der Umwelt ist an diesem Morgen in Würzburg nicht die Rede. Die könnte vom neuen Fernbusangebot profitieren, schreibt FlixBus. In puncto Nachhaltigkeit habe ein durchschnittlich ausgelasteter Fernbus sogar im Vergleich zur Bahn die Nase vorn.

FlixBusse sind nach Frankfurt, Köln, München und Regensburg unterwegs. Würzburg und Nürnberg spielen eine zentrale Rolle im Streckennetz, erklärt das Unternehmen, das von den gebürtigen Franken André Schwämmlein, Jochen Engert und Daniel Kraus geführt wird und laut „Spiegel“ zu einem der wichtigsten „Player“ am neuen Markt gehört.

MeinFernbus steuert drei neue Ziele an. Täglich zweimal fahren die Fernbusse von Würzburg aus nach Heilbronn/Neckarsulm, Suhl/Zella-Mehlis und Berlin. Auch bei MeinFernbus bastelt man an einem möglichst dichten Streckennetz mit hoher Taktung, ab März will man die norddeutsche Metropole Hamburg ansteuern. Auch in den grünen Bussen ist WLAN kostenlos, auf allen Linien können bis zu fünf Fahrräder für neun Euro mittransportiert werden.

Die Start-Up-Unternehmen haben keine eigene Fahrzeugflotte. Sie sorgen für einen einheitlichen Markenauftritt, die Linienplanung, die Preisgestaltung, das Marketing, die Buchung und Betriebssteuerung sowie den Kundenservice. Den Betrieb gewährleisten Partner aus der Region. Die Marktöffnung berge erhebliches Potenzial für die Reisebusunternehmen, unterstreicht der Internationale Bustourismus-Verband. IBV-Präsident Richard Eberhardt sieht Chancen für erfolgreiche Fernbuslinien insbesondere bei Ost-West-Verbindungen, die über die Schiene nicht gut zu erreichen seien.

Der Reisebus ist bisher insbesondere für Gruppen von Jugendlichen und Senioren das Verkehrsmittel der Wahl. 59 Prozent aller Busreisenden sind derzeit über 60 Jahre alt, junge Reisende stellen mit 17 Prozent das zweite wichtige Segment dar. Um mehr Fahrgäste zwischen 30 und 60 Jahren anzusprechen, will die Bustourismus-Branche ihr Image aufpolieren. Der Bus werde zwar als umweltfreundliches und preiswertes Verkehrsmittel gesehen, gelte aber als altmodisch. „Und häufig weckt der Reisebus beim Verbraucher negative Erinnerungen an die Schulzeit“, so Eberhardt. Mit dem Slogan „Bus–Luxus für alle“ sollen künftig die meist mittelständischen Busunternehmen in Deutschland gemeinsam auftreten. Wilhelm Schmidt aus dem IBV-Vorstand sieht die Unternehmer selbst in der Pflicht, Busse und ihre Wahrnehmung in der Bevölkerung zu verbessern: „Das Erscheinungsbild vieler Busse ist grottenschlecht.“

Wie schnell sich ein Massenmarkt entwickeln kann, muss sich zeigen. Immerhin gibt es noch gewisse Beschränkungen. Beantragen müssen Busfirmen Linien weiterhin, und für Haltestellen gelten 50 Kilometer Mindestabstand. Das soll verhindern, dass Fernbusse insgeheim lukrative Strecken im Nahverkehr ins Visier nehmen, der mit Steuergeldern finanziert wird. Neben den jungen Bus-Pionieren sind auch etablierte Anbieter auf dem Sprung. Die Deutsche Bahn, größter Busbetreiber der Republik und Platzhirsch im über Jahrzehnte aus politischen Gründen geschützten Berlin-Verkehr, hat weitreichende Ausbaupläne ihrer Fernbusflotte zunächst aus Kostengründen auf Eis gelegt. „Zu Auswirkungen auf den Schienenfernverkehr können wir zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen“, erklärte ein Sprecher in Berlin.

Die zu erwartenden Auswirkungen der neuen Konkurrenz auf Verbindungen jenseits von 50 Kilometern sind zumindest laut einer Studie der TU Dresden eher gering. Auf gut fünf Prozent schätzt der Wissenschaftler Christian von Hirschhausen den möglichen Busanteil im Fernverkehr bis 300 Kilometer, was vor allem zulasten des Autoverkehrs erreicht werden könne. Die meist schnelleren Verbindungen mit der Bahn zählen für bestimmte Klientel nicht besonders: Vor allem Jüngere mit schmalem Geldbeutel und Ältere sind Zielgruppen der billigeren Busverbindungen, bestätigt FlixBus-Geschäftsführer Jochen Engert (siehe Interview).

„Auf den Premium-Strecken der Bahn werden wir kaum Konkurrenz machen können“, sagt Dieter Gauf, Hauptgeschäftsführer des Internationalen Bustouristik Verbandes (RDA). Dennoch gebe es genug interessante Verbindungen, auf denen die Busse ihre Vorteile ausspielen könnten.

Gauf rechnet mit einem schnell wachsenden Markt: „Da geht es schon um ein paar Millionen Passagiere im Jahr.“ Dadurch, hofft man bei den Verbraucherzentralen, werde bei den Preisen ein heilsamer Druck auf das Unternehmen Bahn entstehen.

Lukas, der junge Mann, der in Würzburg auf den FlixBus wartete, formuliert drastischer. „Ich wäre froh, wenn dieses kriminelle Bahnmonopol endlich gebrochen würde.“

Fernbusse rollen durch Deutschland

Die Busse durch Deutschland kommen langsam ins Rollen. Sechs Wochen nach Wegfall der Schranken kann man noch nicht durch die ganze Republik fahren, das Angebot konzentriert sich auf die großen Städte, wobei der Süden und Westen der Republik besser angebunden sind als der Norden und Osten. Größter Anbieter im Fernbusverkehr ist der Berlin Linien Bus, ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. Die Firma bedient mehr als 30 Linien, die meisten laufen über Berlin, hier dürfen Fernbusse schon länger fahren, weil Bahnverbindungen während der deutschen Teilung unsicher waren. Vor allem im süddeutschen Raum verkehrt Dein Bus. Das Unternehmen war als Mitfahrzentrale konzipiert, mittlerweile werden mehr und mehr feste Städteverbindungen angeboten. Seit dieser Woche fahren die Busse von FlixBus. Eine der ersten Linien fährt Würzburg an, Ende Februar soll eine Linie zwischen Köln und Dresden eröffnet werden. Mein Fernbus bot zunächst vorwiegend Strecken im Süden und Westen an, inzwischen gibt es auch Verbindungen nach Berlin, Leipzig und Düsseldorf. Der Bus von Berlin nach Freiburg macht Halt in Würzburg. Die Deutsche Touring bietet Busfahrten in ganz Europa an, nun will man auch auf innerdeutschen Strecken Tickets verkaufen.


Geschäftsführer Jochen Engert                                                Foto: FlixBus
| Geschäftsführer Jochen Engert Foto: FlixBus
 
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