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ST. PETERSBURG/WÜRZBURG
Bubka gegen Bach
Die Krawatte sitzt schief: Sergej Bubka und Thomas Bach posieren mit ihren Gattinnen Claudia Bach und Lilia Bubka (von rechts) bei einem Empfang während der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin. Jetzt sind die beiden Herren plötzlich Konkurrenten bei der Wahl des neuen IOC-Präsidenten.
Foto: Imago | Die Krawatte sitzt schief: Sergej Bubka und Thomas Bach posieren mit ihren Gattinnen Claudia Bach und Lilia Bubka (von rechts) bei einem Empfang während der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin.
Von unserem Redaktionsmitglied JÜRGEN HÖPFL
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:36 Uhr

Er war der Meister der Salamitaktik: Scheibchenweise, Zentimeter um Zentimeter, steigerte Sergej Bubka einst in den achtziger und neunziger Jahren seine ständigen Weltrekorde von 5,90 Metern beim Olympiasieg 1988 in Seoul bis zur heute noch gültigen Bestmarke von 6,14 Metern im Jahre 1993 (sowie 6,15 Metern in der Halle). Nun erweist sich der wohl berühmteste Stabhochspringer aller bisherigen Zeiten auch noch als ein Spezialist für Konterattacken – jener Begabung, die normalerweise gerne seinem deutschen Kollegen Thomas Bach als Ex-Fechter nachgesagt wird. Denn seelenruhig wartete Bubka ab, wie sich neben Bach auch noch vier weitere Herren als Kandidaten fürs Präsidentenamt im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) in die erste Gefechtsreihe bugsierten. Stets hielt er sich bedeckt, und anders als beim Tauberbischofsheimer Bewerber war bei ihm nicht schon ewig die Rede vom Interesse an der Nachfolge des im September ausscheidenden Jacques Rogge.

Doch am gestrigen Dienstag hat sich Sergej Bubka nun positioniert: Er wird der sechste Mann, der sich am 10. September in Buenos Aires zum Oberherrn der Ringe krönen lassen möchte. Seine Bewerbung ist, heißt es hinter den Kulissen, neben der von Thomas Bach, die aufsehenerregendste, zumal sie Sympathien und Stimmen im olympischen Kernkontinent Europa spalten wird. Und ganz sicher wird sie auch von den Mitbewerbern mit mächtig Respekt bewertet.

Denn Bubka hat sich nach dem Abschied vom Sport im Jahre 2000 längst unter der neuen Elite seines Heimatlandes Ukraine erfolgreich als richtig maßgeblicher Mann der Ex-Sowjetrepublik neu aufgestellt. Der 49-Jährige, dessen robuster Händedruck übrigens nichts für zartbesaitete Gemüter ist, war erst von 2002 bis 2006 Abgeordneter im ukrainischen Parlament für die Partei des heftig umstrittenen Präsidenten Wiktor Janukowytsch, dessen Vertrauter er wurde. Als Nachfolger des Staatschefs leitet er auch das Nationale Olympische Komitee, beruflich war er Präsident der Kiewer „Rodovid Bank“. Bis zu deren Verstaatlichung 2009 als Folge der Welt-Finanzkrise soll er einer der größten Bankhaus-Aktionäre gewesen sein, und sein Vermögen wird auf 350 Millionen US-Dollar geschätzt. Bubka, so darf man sagen, ist eine Art „Hardliner“, der der neuerdings um ein solideres, saubereres, einwandfreieres Auftreten bemühten olympischen Familie nicht nur Wertschätzung einbringen würde.

Mit 49 Jahren ist er der Jüngste

Zwar gilt Sergej Bubka – trotz der insgesamt 35 Weltrekorde – wegen des allzu speziellen Aufstiegs in die Politik und Finanzwelt der Ukraine nicht als Favorit der Wahl. Doch mit einem Pfund dürfte er noch gehörig wuchern und womöglich auch Bach Stimmen abziehen: Er ist der mit Abstand jüngste Bewerber im Feld, zehn Jahre jünger als der Deutsche, der heuer den 60. Geburtstag feiert. Ng Ser Miang aus Singapur zählt 64 Jahre, Richard Carrion aus Puerto Rico ist 60, Wu Ching-Kuo aus Taiwan und der Schweizer Denis Oswald sind 66. Nebenher streitet Bubka noch mit London-2012-Chef Lord Sebastian Coe um die Führung des Leichtathletik-Weltverbandes ab 2015 – Bubka, klarer Fall, drängt auf mehreren Ebenen mit Nachdruck in die Funktionärs-Spitze. Die nötige Nervenstärke hat der Machtmensch, der Sport hat ihn gestählt.

Bei der Bewerbungs-Bekanntgabe am Dienstag in St. Petersburg hob der Ukrainer natürlich pflichtgemäß die Werte des Sports als sein erstes Motiv für das höchste Amt im Weltsport emotional hervor. „Ich habe große Erfahrung in vielen Bereichen, als Athlet, als Funktionär und als Geschäftsmann. Ich habe genug Erfahrung, Antrieb, Leidenschaft und Energie, um die olympische Bewegung in eine zwar aufregende, aber auch herausfordernde Ära zu leiten“, sagte Bubka in gebrochenem Englisch: „Ich habe Sport immer geliebt. Sport steckt in meinem Blut, in meinen Genen. Ich möchte dem Sport etwas zurückgeben“, sagte der Überflieger von einst. Dann machte sich der Ex-Banker – derlei schlug zuletzt auch Jacques Rogge selbst vor – für eine Bezahlung des Präsidenten stark: „IOC-Präsident ist ein sehr ernsthaftes Business.“ Sein Salär wolle er dann aber an wohltätige Organisationen spenden. Mit Material von dpa

 
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