
Die Plagiatsaffäre um die Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat den fränkischen Narren am Freitagabend eine Steilvorlage geliefert.
Komiker Oti Schmelzer aus dem Steigerwald frotzelte bei der „Fastnacht in Franken“ in Veitshöchheim: „Fühlt Ihr Euch schlapp und Euch fehlen die geistigen Mittel, dann schreibt doch einfach ab, dann schafft auch Ihr den Doktortitel.“ Allerdings warnte er bei der live im Bayerischen Fernsehen übertragenen Prunksitzung des Fastnacht-Verbandes Franken auch: „Doch lasst Euch nicht erwisch', sonst ist der Doktortitel vom Tisch.“
Die Frankenfastnacht ist alljährlich der Quotenrenner im Bayerischen Fernsehen. Mit dabei sind oft viele Mitglieder des bayerischen Kabinetts. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte dieses Jahr allerdings abgesagt, weil er zuvor bei der Trauerfeier für die drei in Afghanistan getöteten Soldaten war.
Das Wort des Jahres, es kommt in weinroter Wollstrickmütze und Parka daher, von der Brust leuchten Buttons gegen Atomkraft und für den Weltfrieden: der Wutbürger. In seiner 21. Büttenrede bei „Fastnacht in Franken“ besticht der 48-jährige Erzieher Peter Kuhn als deutscher Demonstrant: „Was lange gärt, wird endlich Wut.“
Der Fasenachter aus Oberwerrn näselt sich anschließend durch die Themen der Zeit, geißelt die Scheinheiligkeit von Jürgen Trittin („Die Grünen sind für gegen alles!“), den Hochmut von Außenminister Guido Westerwelle und beschreibt mit spitzer Zunge den schwäbischen Widerstand gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21: „Nach 16 Jahren Planung bloß, ging's schon mit den Protesten los.“
Dem Publikum bei der Generalprobe zur beliebtesten Fernsehsendung der Bayern hat's gefallen, und wer das dreieinhalbstündige Programm in seiner Gänze bewertet, kommt zu dem Schluss: Der Dino der fränkischen Fastnacht hat wieder kräftig zugebissen und beste Unterhaltung geliefert.
Seltsam spröde jedoch bleibt am Vorabend der Sendung in den Veitshöchheimer Mainfrankensälen Bernd Händel. Der Nürnberger ist ein wirklich guter Stimmenimitator, vielleicht aber muss er sich als Sitzungspräsident zu sehr verstellen. Vor allem die Nummer als Gstanzlsänger über „Seehofers Traum“ hätte sich der 54-Jährige, seit 2006 Conférencier des Programms, nicht nur inhaltlich sparen können: Sie war auch überflüssig, weil Otti Schmelzer, der Steigerwald-Franke, mit seinem Schifferklavier die Kunst der gesungenen Kurztexte wirklich beherrscht.
Ein wenig aufpassen muss derweil die Altneihauser Feierwehrkapell'n aus der Oberpfalz, damit sich das mal so wunderbar erfrischende Draufschlagen auf die Franken nicht zu sehr abnutzt. Ihre Blechmusik aber ist weiter herrlich schräg, und wenn der schwergewichtige Paukenspieler Reinhard Stummreiter als Affenkönig King Louie das Lied „Ich wär' so gern wie Du“ aufs Dschungelcamp umdichtet und mit Louis-Armstrong-Stimme singt: „Ich ess gern Ragout vom Känguru und Dirk Bach dazu“, dann haben die Feierwehrler eine ihrer besten Szenen. Mit Glitzeranzug und Haartolle steht Sänger Bruno Gold den „Parodis“ vor, die Westerwelle das Walter-Scheel-Gedächtnislied widmen: „Hoch auf dem gelben W-a-a-gen, sitzt ein Versager vorn.“
Grandios ist der Nachwuchs der TSG Veitshöchheim. Mit „Rettet Eure Heimat“ lesen die 28 prächtig als Außerirdische verkleideten Kinder den Erdenbewohnern tänzerisch die Leviten. Für diese akkurat einstudierten und intensiven fünf Minuten haben die Kleinen nahezu ein Jahr lang trainiert.
Gerlinde Heßler und Werner Hofmann haben nicht nur ihre Probleme beim Leserbriefschreiben, und Oliver Tissot, der die Worte in seinem Mund dreht und wendet wie ein Würstchen auf dem Grill, ehe sie gar sind, arbeitet sich im Stakkatostil an der Politik ab.
Ein starkes Debüt legt Bauchredner Pierre Ruby hin, der nicht nur mit seinem Nilpferd Amanda, sondern auch als Entertainer überzeugt. Die beiden Födder Volker Heißmann und Martin Rassau treiben diesmal als bayerische Finanzbeamte ihren Klamauk und reservieren für Bayerns Umweltminister Markus Söder eine Doppelrolle im nächsten Krippenspiel auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt: „Als Ochs' und Esel.“
Am Ende entert Michl Müller die Bühne. Als „Mann vom Bau“ braucht der 38-Jährige etwas, bis er warm wird. Aber dann! Vuvuzelas, Spiegelsocken, Sex im Alter, Molchtunnel unter der A 3, die Themen sind bunt wie ein Konfettiregen. Schließlich: Karl-Theodor zu Guttenberg! „Hoffentlich wird er nit krank“, fleht Müller und stakst über die Bühne. „Hoffentlich wird er nit krank, jetzt, wo er doch keen Doktor mehr hat.“
Splitter aus Veitshöchheim
Beste Kostüme: Hingucker des Abends war Markus Söder. Der Bayerische Umweltminister erschien grandios verkleidet als Sänger der Hardrockgruppe Kiss, seine Frau Karin als Groupie. „Es gab immer einen Streit wer besser ist: AC/DC oder Kiss“, sagte Söder, ganz in Leder und mit E-Gitarre um den Hals. „Ich bin für Kiss, weil ich 'I was born for loving you' besser finde als 'Highway to hell'.“
Markus Söder pries die Prunksitzung als deutsches Faschingshighlight: „Wer Franken verstehen will, muss nach Veitshöchheim gehen.“ Als Burgfräulein erschien Christine Scheel, Bundestagsabgeordnete der Grünen: „Veitshöchheim bietet immer ein super tolles und abwechslungsreiches Programm, anders als beispielsweise in Mainz.“
Als SPD-Harmonists im roten Frack erschienen Markus Rinderspacher, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag, und Florian Pronold, Vorsitzender der SPD-Landesgruppe im Bundestag. Arthur Steinmann, der Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes, kam nicht als Tetrapak, sondern witzig verkleidet als silberner Korkenzieher. Bayerns früherer Ministerpräsident Günther Beckstein, stets in einem der schillerndsten Kostüme, kam als Casanova mit gepuderter Perücke.
Abwesend: Durch die Absage von Ministerpräsident Horst Seehofer, Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, die alle am Freitagnachmittag bei der Trauerfeier für die gefallenen Soldaten im niederbayerischen Regen weilten, schmolz die Riege der Prominenten. Ins Zentrum des Spotts rückten so der bayerische Umweltminister Markus Söder, Sozialministerin Christine Haderthauer sowie der bayerische SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher.
Die Mitwirkenden: Oliver Tissot (Nürnberg), Tanzmariechen Michelle Maldonado (Coburg), Otti Schmelzer (Oberschwappach), Peter Kuhn (Oberwerrn), Kinder-Schautanz (Veitshöchheim), Gerlinde Heßler und Werner Hofmann (Karlstadt), Gemischte Garde (Nürnberg), Pierre Ruby (Würzburg), Die Parodis, Volker Heißmann & Martin Rassau (Fürth), Altneihauser Feierwehrkapell'n, Königsgarde (Coburg), Michl Müller (Garitz).
Ein Vierteljahrhundert Tradition: In 25 Jahren fand „Fastnacht in Franken“ am Freitag zum 24. Mal statt. Nur 1991 fiel die Sendung aus – wegen des Golfkriegs. Nur die Premiere der Prunksitzung des Fastnacht-Verbandes Franken fand nicht in Veitshöchheim statt.