Der Familienbund der Katholiken (FDK) wurde 1953 in Würzburg gegründet als bundesweite Interessengemeinschaft, die familienbezogene Anliegen in Kirche, Staat und Gesellschaft vertreten will. Dahinter steht der Gedanke, dass Familien es selbst in die Hand nehmen müssen, wenn sie sich die ideelle und materielle Beachtung in der Gesellschaft sichern wollen. Der FDK bezeichnet sich als mitgliederstärksten Familienverband, parteipolitisch unabhängig, konfessionell gebunden. Wir sprachen mit dem Diözesanvorsitzenden, Michael Kroschewski, über die Familienarbeit gestern, heute und morgen.
Michael Kroschewski: Insgesamt hatte die Politik in dieser Zeit nach dem verlorenen Krieg eine Menge drängender Themen – und die spezifischen Belange der Familien blieben auf der Strecke. Überhaupt waren familienpolitische Leistungen, besonders das Kindergeld in Deutschland durch das Naziregime, das eine „Kinderbeihilfe“ für Arier gezahlt hatte, diskreditiert. So gab es 1953 noch kein Kindergeld, erst 1954 begannen die Berufsgenossenschaften 25 Mark pro Kind auszuzahlen – aber erst ab dem dritten Kind.
Kroschewski: Das Thema Familienferien beschäftigt uns heute nicht mehr sehr. Wir und unsere Verbände machen nach wie vor Angebote, der Staat bezuschusst unter bestimmten Bedingungen auch in erfreulichem Umfang – aber heute sind die Angebote auf dem freien Markt sehr viel breiter und attraktiver. Dafür erleben wir einen Trend zur Familienbildung: Erst seit gut zehn Jahren bieten wir den Kurs „Kess erziehen“ an. Das Interesse daran hatte sich schnell entwickelt und ist bis heute ungebrochen. Daher entwickeln wir auch unser Angebot in diesem Bereich ständig fort und bieten heute unterschiedliche Module vom Kleinkindalter bis zur Pubertät an – 2013, dem „Jahr des Glaubens“ zum Beispiel „Kess staunen. Fragen. Gott entdecken“ komplett kostenfrei.
Kroschewski: Das ist natürlich heute wesentlich differenzierter. Die Einverdienerehe mit mehreren Kindern als fast alleiniges Familienmodell ist auf dem Rückzug. Heute leben zwar immer noch die meisten Kinder bei Mama und Papa – aber die gelebten Modelle sind sehr vielfältig geworden. Und wenn es schon schwierig geworden ist, Familie gültig zu definieren, dann kann man sich vorstellen, dass die Konstruktion geeigneter Unterstützungsmaßnahmen auch schwierig geworden ist. Und wie schwierig es ist, gemeinsame Interessen zu benennen und durchzukämpfen.
Kroschewski: Ich vermute, diese Interessen sind so breit wie die gelebten Familienmodelle. Ein Beispiel: Die Einkind-Familie hat eher Interesse an Infrastrukturmaßnahmen, hier möchten häufig beide Partner zügig wieder ihrer Erwerbsarbeit nachgehen. Ab drei Kindern wissen wir, dass die meisten Familien dringend finanzielle Hilfen benötigen, denn hier will einer der beiden Partner oft viel Zeit für die Familienarbeit aufbringen. Dementsprechend sind ja auch in Deutschland leider mehrere Kinder fast die beste „Chance“, in die Armutsgefährdung oder gar die Armut abzurutschen. Wir sagen deswegen: Es muss Gerechtigkeit gegenüber den Familien und deren Lebensentwürfen herrschen, sodass sie selbst entscheiden können, auf welche Weise sie ihre Familie leben.
Kroschewski: Das ist sehr einfach zu beantworten: Auch meine Generation möchte im Alter Renten erhalten – und Menschen finden, die Pflegedienste übernehmen. Die Regierung möchte Steuereinnahmen, die Wirtschaft Arbeitskräfte und Aktienkäufer. Es gibt ein hässliches, aber treffendes Wort: Gesellschaft, Wirtschaft, Staat brauchen „Humankapital“. Für die Zurverfügungstellung dieses Humankapitals brauchen umgekehrt die Familien Unterstützung. Mal in Ziffern: Laut Berechnung des Ifo-Instituts erwirtschaftet jede Familie mit jedem Kind bezogen auf das Jahr 2000 77 000 Euro in die Bilanz der BRD, das wären heute knapp 100 000 Euro! Und da sind sämtliche angeblich so tollen „familienpolitischen Leistungen“, alle staatlichen Leistungen für Kitas und Schulen schon gegengerechnet!
Kroschewski: Die Sorge habe ich auch – man denkt manchmal, Karl Marx wäre superfroh, wenn er das erleben könnte! Wir verwirklichen heute eins zu eins seine Forderungen. Dennoch: Subjektiv ist es immer eine gute Zeit, Familienvater zu werden und zu sein. Ich habe gerade mal wieder sehr dicht erfahren dürfen, dass dann, wenn es wirklich wichtig und existenziell wird, vor allem die Familie zählt. Objektiv gesehen gibt es leider eine „strukturelle Rücksichtslosigkeit“ gegenüber Familien, wir leben im Zustand des seit 1992 mehrfach attestierten, dauerhaften Verfassungsbruches. Dennoch: Familien sind stark – und irgendwann werden sie auch wieder so einig für ihre gemeinsamen Interessen streiten, wie das nötig ist.
Kroschewski: Der Familienbund ist ein Familienverband – für unseren Aufgabenbereich gibt es keine Unterscheidung der Interessen von Kindern und Eltern, auch wenn das oft anders dargestellt wird. Für die eigenen Interessen von Kindern und Jugendlichen gibt es entsprechende Jugendverbände. Manchmal müssen sicher die Interessen der Kinder gegen ihre Eltern geschützt werden, aber das sind die Ausnahmen und insofern nicht das primäre Feld der Politik, sondern der Jugendhilfe.
Kroschewski: Vergleichen Sie mal die Etats etwa einer Pharmalobby mit dem der gesamten Familienlobby! Außerdem nehmen auch im Bereich der Mandatsträger (übrigens auch der Journalisten) die Familienmütter und –väter ab – und aus dem Bereich der bedürftigen Familien dürfte kein einziger Mandatsträger Erfahrungen im eigenen Umfeld haben. Aber ich will nicht schwarz malen: Es gibt natürlich auch Mandatsträger, die die Belange der Familie klar im Visier haben – inwieweit sie dann ihre Positionen noch durch die politischen Sachzwänge retten können, ist eine andere Frage.
Kroschewski: Die Verfassungsgerichtsurteile von 1992 und 2001 endlich umsetzen: Der generative Beitrag von Eltern muss auch bei den Beiträgen zur Sozialversicherung angemessen berücksichtigt werden, spätestens ab dem zweiten Kind müssen diese Beiträge deutlich niedriger werden.
Kroschewski: Gerade im Bistum Würzburg wird schon einiges für Familien getan und angeboten, so wird die Bildungsarbeit des FDK finanziell unterstützt. Wünschen würde ich mir, dass die gesamte Kirche ihre gesellschaftspolitische Aufgabe wieder ernster nehmen und sich im Sinne der Soziallehre in die öffentliche Debatte einbringen würde. Außerdem – warum nicht mal was Verrücktes, warum nicht mal versuchen, etwa in einer Gemeinde eine Art Erziehungsgeld für Familien mit drei oder mehr Kindern zu organisieren? In Österreich hat das übrigens schon mal funktioniert.
Kroschewski: Aus dem Wörterbuch der Unmenschen: Da hat jemand einen dummen, aber einprägsamen Begriff gefunden und damit die wichtige Debatte um die Wertschätzung familiärer Erziehung unter Stammtischniveau gedrückt.
Kroschewski: Findet auf den ersten Blick natürlich jeder toll, aber wo bleibt der Platz für „Erziehung“, für „Bindung“ – und traut sich mal jemand darüber nachzudenken, ob ein verabsolutierter und einseitig verengter Bildungsbegriff vielleicht auch in Zusammenhang mit der eklatanten Zunahme an psychischen Erkrankungen unter unseren Kindern stehen könnte?
Kroschewski: Der Begriff „Führerschein“ suggeriert schon wieder etwas völlig Dämliches – nämlich Verpflichtung und Kostenpflichtigkeit. Durch mein Autofahren gefährde ich potenziell mich und andere, durch meine Kinder sichere ich Zukunft – das kann man nicht einfach nebeneinanderstellen.
Kroschewski: Urlaub? Oder doch eher ehrenamtliche (Vollzeit-)Arbeit für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft? Es ist halt leider so, dass die medial einfach verwertbaren Begriffe eine polemische Engführung beinhalten, die gründliches Nachdenken oft unmöglich macht.
Kroschewski: Ich bin zu ungeduldig und (selbst-)kritisch, um diese Frage beantworten zu können.
Kroschewski: Wir alle im FDK tun alles dafür, dass sie mit Wertschätzung und Respekt zurückblicken können – der Rest liegt nicht in unserer Hand.
Der Familienbund der Katholiken
60-jähriges Bestehen feiert der Familienbund der Katholiken (FDK) in Deutschland am Gründungsort Würzburg im Rahmen der Bundesdelegiertenversammlung am Wochenende im Kolping-Center Mainfranken. Prominenter Redner zum Auftakt ist Paul Kirchhof, Bundesverfassungsrichter a.D. Er spricht über „Perspektiven einer familiengerechten Gesellschaft“, teilt der Pressedienst der Ordinariats (POW) mit. Bei der Podiumsdiskussion am Samstag, 16. März, ab 15 Uhr debattieren Martin Werding, Ruhr-Universität Bochum, Fabienne Becker-Stoll, Institut für Frühpädagogik München, Jörg Althammer, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, sowie FDK-Präsidentin Elisabeth Bußmann über familiengerechte Politik. Um 18.30 Uhr feiert Bischof Friedhelm Hofmann im Würzburger Neumünster Gottesdienst. Um 20 Uhr beginnt der Empfang der Staatsregierung in der Würzburger Residenz. Es sprechen unter anderem die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer und Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Der erste Familienrat wurde am 8. April 1953 in Würzburg gegründet, nachdem 1952 die Fuldaer Bischofskonferenz beschlossen hatte, einen Verband ins Leben zu rufen, der die Belange der Familien vertreten sollte. Bis 1956 beauftragten im Bistum Würzburg 88 000 und bundesweit über eine Million Familien den FDK in einer Unterschriftenaktion, ihre Interessen in Politik, Gesellschaft und Kirche wahrzunehmen.
Im kirchlichen Bereich befasste sich der FDK intensiv mit der Lage von wiederverheirateten Geschiedenen. Politisch setzt sich der FDK aktuell dafür ein, dass Erziehungsleistung im Familienleistungsausgleich, bei Rentenversicherung und Verbrauchersteuern anerkannt wird. Das 2001 gestartete Internetportal „INTAKT“ für Eltern von Kindern mit Behinderung arbeitet bayernweit und erreicht 2000 Besucher am Tag. Schwerpunkt in der Eltern- und Familienbildung sind die rund 50 „Kess erziehen“-Kurse jährlich für Eltern und Gesprächstrainingskurse für Paare.
Infos: www.familienbund-wuerzburg.de.