Dass Kirchen von Weitem zu sehen sind, ist nicht ungewöhnlich. Bei dieser Kirche aber schon: Denn diese Kirche liegt im Tal. „Ein Phänomen“, sagt der 79-jährige Augustinerpater und Wallfahrtsseelsorger Marcellus Jahnel und zitiert einen Spruch, der vermutlich älter ist als er selbst: „Fährbrück im Tal sieht man von überall.“
Fährbrück ist alt; die Geschichte des Ortes reicht bis in die vorchristliche Zeit zurück. Pater Marcellus zeigt auf ein Eichenwäldchen, das ein wenig höher gelegen ist als die Kirche und sich dunkel vom Sommerhimmel abhebt. Dort, am Eichelberg, sagt der Pater, habe die altgermanische Kultstätte gelegen, in der die Germanen wohl ihre Götter angerufen hätten. „Die Christen haben ja gerne solche Orte übernommen, die als heilig galten. Und hier haben sie das eben auch getan.“
Ein gut gewählter Ort für geistige Einkehr. Fährbrück ist, obwohl mittlerweile im 21. Jahrhundert angekommen, immer noch ruhig. Gelegentlich tuckert ein Traktor vorbei, sonst hört man nur Vögel zwitschern und die klostereigenen Hühner leise gackern. In dem winzigen Ort zwischen Bergtheim und Werneck leben neben den sechs alten Augustinern in ihrem Kloster nur ein Landwirt, der Schweinezucht betreibt, und ein Wirt, der in der „Hubertusklause“ auf Durstige wartet.
Aus christlicher Sicht beginnt die Geschichte Fährbrücks mit einem Kirchlein, das zur Zeit der Bauernkriege schon stand, aber baufällig war. Erwähnenswert ist weniger das Kirchlein als der Stein, den es barg – der sogenannte Gregoriusstein. Legenden zufolge soll der rote Stein, der wie ein Becken geformt war, Wunder gewirkt haben: Sein Wasser heilte. In hellen Scharen seien die Menschen gekommen, um von dem wunderbaren Wasser zu trinken.
Dann erst wurde statt des Kirchleins eine Kirche gebaut, eben jene barocke Wallfahrtskirche, die trotz der Hügel ringsum von Weitem zu sehen ist. Bezahlt hat den Bau – angeblich aus eigener Tasche – Johann Gottfried von Guttenberg, Bischof von Würzburg. In der rechten hinteren Ecke der 1697 fertiggestellten Kirche hat der Gregoriusstein seinen Platz gefunden; Wasser aber enthält der Stein nicht mehr. Das Becken ist leer.
Die Wallfahrer, die heute kommen, fühlen sich nach den Worten von Pater Marcellus mehr als vom Gregoriusstein von der Fährbrücker Madonnenstatue angezogen. Vor ihr können sie knien, sich an sie wenden im Gebet und im ausliegenden Gästebuch. Pater Marcellus, dessen Aufgabe im Orden es ist, die Wallfahrer zu betreuen, spricht von Wundern, die die Madonna bewirkt haben soll. Von Kindern, die auf die Welt gekommen seien durch die gnädige Hilfe der Muttergottes, von Krankheiten, die durch ihre Fürsprache geheilt worden seien.
Die Madonna von Fährbrück trägt eine Krone; sie hält ein lockiges, pausbäckiges Kind auf dem linken Arm, das ebenfalls gekrönt ist. Mit der rechten Hand schwingt Maria ein Zepter, mit dem Fuß zertritt sie eine Schlange. Diese Statue, 1798 vom Hofbildhauer Johann Peter Wagner gefertigt, hat erst vor wenigen Jahren ihren Platz in der hinteren linken Ecke der Kirche gefunden. Vorher stand sie vorne im Altarraum, jahrhundertelang, bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. „Davor haben die Priester ja auf lateinisch die Messe gehalten; dabei standen sie weit vorne im Altarraum, weit entfernt von den Gläubigen und mit dem Rücken zu ihnen“, erklärt Pater Marcellus.
Mit Blick auf die Votivgaben sagt Pater Marcellus: „Früher sind die Wallfahrer gekommen, um Maria um ihre Hilfe zu bitten. Wegen eines Kinderwunsches, einer Krankheit, wegen einer Viehseuche, wegen Trockenheit der Felder. Heute haben Wallfahrten eher einen spirituellen Charakter. Ich habe den Eindruck, heutige Wallfahrer brechen auf, um sich selbst zu erfahren im Unterwegssein.“ Etwa 25-mal im Jahr empfängt Pater Marcellus noch Wallfahrer in Fährbrück.
Neben dem Gregoriusstein und der Madonna dürften die großen Altarbilder die Aufmerksamkeit der Wallfahrer auf sich ziehen. Das Hauptaltargemälde von Oswald Onghers (1698) zeigt die Aufnahme Mariens in den Himmel; oben erwarten sie Engel, von unten sehen ihr die Apostel nach. Weitere Gemälde zeigen den Heiligen Hubertus und die Heilige Barbara. Wesentlich weniger auffällig, aber besonders schön sind vier kleinere Alabasterfiguren, die auf der Balustrade stehen, die den Altarraum vom Kirchenschiff trennt. Die geschnitzten Figuren, die Maria, Josef sowie Marias Eltern Anna und Joachim darstellen, blicken ernst, verhalten, wirken aber trotzdem so, als ob sie sich gerade erst bewegt hätten. Dabei sind sie alt – vermutet wird, dass die Figuren älter sind als die Kirche. Woher sie kommen und wer sie geschaffen hat, ist nicht geklärt. Die Wallfahrtskirche Fährbrück, die offiziell nach ihren zwei Schutzheiligen „Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt und Gregor der Große“ heißt“, birgt noch Geheimnisse.
Fährbrück
Die Kirche ist rund ums Jahr geöffnet. Marcellus Jahnel, Wallfahrtskurat der Kirche, berät Interessierte, die nach Fährbrück pilgern wollen (Tel. 09 367/90 640). Fährbrück ist eine Station auf dem 190 Kilometer langen Fränkischen Marienweg, der von Würzburg bis in die Rhön führt.
Die Wallfahrtskirche Fährbrück liegt nahe dem Ort Bergtheim im Landkreis Würzburg an der B 19. Von Würzburg aus befährt man die B 19 in Richtung Schweinfurt und biegt rund zwei Kilometer hinter Bergtheim links nach Fährbrück ab. Aus dem Norden kommend erreicht man Fährbrück über die Autobahnausfahrt „Gramschatzer Wald“ 100. Besucher biegen 1,5 Kilometer hinter Erbshausen-Sulzwiesen links ab.