Lernen und dabei die Welt sehen: Im Rahmen seines VR-Verbundstudiums verbrachte Stefan Roth, Auszubildender der Genobank Rhön-Grabfeld, die vergangenen vier Monate im Rahmen eines Auslandssemesters an der internationalen „Shih Chien University“ in Taipeh, um Einblicke in die asiatische Kultur und Lehre zu nehmen. Seit Kurzem ist der 22-Jährige wieder zurück in seiner Heimat. Die interessanten Erfahrungen und Eindrücke einer völlig anderen Welt schilderte der Stadtlauringer in einem Erlebnisbericht:
Die Globalisierung lässt auch die Finanzmärkte zusammenwachsen und eröffnet Chancen und Risiken für private Anleger. Insbesondere die Entwicklung in Asien wird in Zukunft mehr Einfluss auf den weltweiten Handel haben. Immer wieder hört man vom Aufstreben der asiatischen Märkte. Als ich diese Aussage von Meng Si beim Anlegerforum der Genobank in der Mellrichstädter Oskar-Herbig-Halle im September 2009 hörte, dachte ich mir, dass man sich doch mal selbst ein Bild vom Leben und von der Wirtschaft in Asien machen müsste.
Dank meines Verbundstudiums bei der Genobank Rhön-Grabfeld (Ausbildung zum Bankkaufmann mit parallelem Betriebswirtschaftsstudium) wurde dieser Gedanke innerhalb von zwei Jahren Wirklichkeit. Bereits während meines ersten Aufenthalts an der Fachhochschule (FH) Würzburg habe ich von dem Studenten-Austausch mit der „Shih Chien University“ in Taipeh erfahren. Meine Ausbildungsleiterin Sibylle Schwarz zeigte sich von der Idee, ein Auslandssemester in Asien zu verbringen, begeistert und konnte auch den Vorstand der Genobank für diese Idee gewinnen.
Nach einigen Gesprächen mit den zuständigen Professoren und Dank der Freistellung durch die Genobank stand ich am 1. September 2011 am Frankfurter Flughafen bereit. Die Koffer voll mit jeder Menge Erinnerungsstücke an Freunde, Familie und Kollegen und natürlich bepackt mit einer gehörigen Portion Aufregung. Im Fernen Osten angekommen, musste ich mich zunächst mal von der langen Anreise erholen. Diese war zwar unkomplizierter als das erste Probeliegen im etwas zu klein geratenen Bett, aber dennoch hat das lange Fliegen ganz schön geschlaucht. Apropos zu klein geraten: „Bis zur ersten Nacht hatte ich mit meinen knapp zwei Metern keine Probleme. An zu kleine Betten gewöhnt man sich auch recht schnell. Lediglich die viel zu klein geratene Bettdecke hat mir zu schaffen gemacht. Aber zum Glück gibt es auch im fernen Taipeh schwedische Möbelhäuser.
Die Fahrten in der U-Bahn werden mir besonders in Erinnerung bleiben: Aufgrund meiner Größe konnte ich sehen, was sich in Lüftungsschlitzen von asiatischen U-Bahnen tummelt – absolut nichts, wie ich zu meinem Erstaunen feststellte. Was die Sauberkeit der Stadt anbelangt, können sich deutsche Großstädte eine gehörige Portion abschneiden. Ganze Putzkolonnen, die durch die Millionenstadt gehen, um Unrat zu beseitigen, sorgen für ein ungeheuer sauberes Bild.
Um keinen Kulturschock zu erleiden, haben wir deutschen Auslandsstudenten uns auf Empfehlung gleich am ersten Wochenende mit ein paar Kommilitonen zusammengetan und eine Diskothek besucht. Bis auf die Tatsache, dass Taiwanesen wenig Alkohol vertragen und eingelegte Pflaumen essen, um mehr trinken zu können, hat es sich in der Großraumdiskothek überraschenderweise tatsächlich sehr „westlich“ angefühlt. Beim Feiern unterscheiden sich die verschiedenen Kulturen überhaupt nicht. Auch in fernöstlichen Clubs werden vorrangig die bei uns gängigen Musiktitel aufgelegt.
Generell kann man sagen, dass man nach seiner Ankunft in Taipeh nicht viel falsch machen kann. Die Großstadt hat durchweg westlichen Charakter. Dass anstatt Currywurst-Buden „Stinky Tofu“-Stände die Straßen pflastern, daran gewöhnt man sich schnell. Den beißenden Geruch nimmt man nach zwei Tagen schon gar nicht mehr wahr. Bei der Esskultur gibt es meines Erachtens generell den größten Anpassungsbedarf. Was man als Europäer bei seinem ersten Asien-Besuch tunlichst vermeiden sollte: auf offener Straße versuchen, gebratenen Reis mit Stäbchen zu essen. Mein erster Versuch sorgte mitten in der Fußgängerzone der Millionenstadt Taipeh für rege Unterhaltung bei meinen taiwanesischen Studienkollegen.
Der Uni-Alltag ist mit dem der Würzburger FH nicht zu vergleichen. Jeden Morgen findet man tatsächlich schlafende Studenten in den Klassenzimmern und hat manchmal das Gefühl, dass sie dort besser schlafen als im eigenen Bett. Deshalb werden die wirklich relevanten Themen und Fächer erst ab 11 Uhr besprochen, sobald ein Großteil der Studenten auch geistig anwesend ist. Kein Wunder, dass sich eine amerikanische Kaffeekette auf dem Campus niedergelassen hat. Auch die Tatsache, dass es in der ganzen Stadt von 7-Eleven-Shops wimmelt, die 24 Stunden geöffnet haben, zeigt die Auswirkung der Globalisierung. Im Übrigen ähnelt die taiwanesische Hauptstadt Großstädten in Europa oder den USA ungemein.
Neben den ganzen kulturellen Eindrücken war das Studium der Betriebswirtschaft natürlich wesentlicher Bestandteil meines Auslandssemesters. Aufgrund der geringen Teilnehmer eines Kurses (maximal 20 Studenten in einem Kurs) fühlt man sich eher wie in einer Schulklasse – so entstehen viel mehr Gelegenheiten, sich individuell mit einem Thema auseinanderzusetzen und bei den Professoren auch mal nachzuhaken. Die Anforderungen gegenüber dem Studium in Deutschland sind keinesfalls geringer. Die Vorlesungen wurden von internationalen Professoren gehalten. Insbesondere die Finanzkrise und deren Auswirkungen, Chancen und Risiken für die internationalen Finanzmärkte wurden dabei analysiert und bewertet.
Für die individuelle Evaluation der Studenten mussten Leistungsnachweise in Form von Gruppenarbeiten, Hausarbeiten und schriftlichen Prüfungen erbracht werden. Besonders auffallend ist das Interesse der Taiwanesen an der deutschen Kultur. Jeden Tag stellten mir die Mitstudenten Fragen zur deutschen Lebensweise, und ich durfte, gemeinsam mit einem Kollegen, einer ganzen Klasse sogar einige deutsche Wörter beibringen. Zu meinem Studium in der Millionen-Metropole gehörten aber auch Grundkurse in der chinesischen Sprache und der chinesischen Kultur.
Trotz all der interessanten Eindrücke und Erfahrungen, die ich in Taipeh gesammelt habe, freue ich mich nun, wieder bei meiner Familie und meinen Freunden zu sein – und selbstverständlich auf die gewohnte Arbeitsumgebung in der Genobank. Vor allem habe ich mich auf den Sauerbraten meiner Mutter gefreut, den sie mir an meinem ersten Abend zu Hause gleich serviert hat.