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Eine neue Zeitung für die Region
1945: Die Main-Post erhält die Lizenz für eine demokratische Tageszeitung – Michael Meisner holt seinen Jugendfreund Karl Richter zurück und vermeidet einen Konkurrenzkampf
Erfolgreicher Wiederaufbau: Das Main-Post-Gebäude in der Plattnerstraße symbolisiert den Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch heute ist dort noch eine Geschäftsstelle beheimatet.
Foto: Walter Röder | Erfolgreicher Wiederaufbau: Das Main-Post-Gebäude in der Plattnerstraße symbolisiert den Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch heute ist dort noch eine Geschäftsstelle beheimatet.
Von unserem Redaktionsmitglied Peter Krones
 |  aktualisiert: 27.10.2020 13:24 Uhr

Zunächst nur zweimal die Woche erschien die neue Main-Post, mehr gab die Papierproduktion unmittelbar nach dem Weltkrieg nicht her. Allerdings zeigten sich die Amerikaner als Lizenzgeber so großzügig, dass mit einer Anfangsauflage von 100 000 Exemplaren losgelegt werden konnte. Als achtes Blatt in Bayern hatte Würzburg eine Zeitungslizenz erhalten, und die beiden Lizenznehmer, Heinrich G. Merkel und Richard Seubert, ließen auf den alten Satz- und Druckmaschinen von Karl Richter in der Würzburger Innenstadt produzieren.

Das Führungsgespann war nicht von langer Dauer. Richard Seubert starb im August 1946, gerade mal 61 Jahre alt. Sein Nachfolger wurde 1947 Hans Weber, der jedoch über seine frühere Mitarbeit für NS-Zeitungen stolperte und Ende 1948 die Lizenz vom obersten US-Zensor wieder entzogen bekam. Kurz danach wechselte Heinrich Merkel nach Nürnberg und zu Jahresbeginn 1949 übernahm mit Michael Meisner ein Würzburger Rechtsanwalt als Lizenznehmer und Alleinherausgeber das Blatt.

Harmonisches Führungsduo

Meisner holte nach kurzer Zeit den früheren WGA-Verleger und Drucker Karl Richter, mit dem er seit seiner Jugendzeit befreundet war, wieder in die Verlagsleitung. Mit diesem Schachzug schlug Meisner die Brücke zwischen alter und neuer Zeitung und vermied zugleich einen eventuell drohenden Konkurrenzkampf. Zog sich doch die US-Militärregierung in Bayern aus der Lizenzierung zurück, und somit hätte Richter – als entlastet eingestuft – sogar den Würzburger General-Anzeiger wieder aufleben lassen können. Doch Meisner und Richter wählten den gemeinsamen Weg. Das neue Führungsduo harmonierte und bildete von nun an für zwei Jahrzehnte die Spitze der aufblühenden Zeitung.

Mit der Währungsreform 1949 und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung wurde für die Main-Post der Weg frei in die Region Mainfranken. Die Zeitung führte lokale Wechselseiten ein und erschien als eigenständiges Lokalblatt bald auch in der Rhön, in Kitzingen und im Spessart. In Schweinfurt suchte man den Schulterschluss mit dem Schweinfurter Tagblatt, der sich als dauerhaft erfolgreich zeigen sollte. Das Konzept funktionierte so, dass das Schwesterblatt vor Ort inhaltlich mit eigener Lokalredaktion und Anzeigenabteilung erstellt wurde. Teile der technischen Produktion blieben ebenfalls am Traditionsstandort Zeughaus in der Innenstadt. Der überregionale Teil lief über die Redaktion in Würzburg, wo auch die komplette technische Fertigstellung und der Druck erfolgten. Ein Vorgang, der, einschließlich der nächtlichen Lieferung per Autotransporter, auch 2013 noch bestens funktioniert.

So blieb der Kugellagerstadt unter dem Dach der Mediengruppe Main-Post eine lokal eigenständige Zeitung erhalten, bis heute! Getreu diesem Prinzip entstanden Main-Post-Ausgaben in Karlstadt, Gemünden, Lohr und Marktheidenfeld, in Gerolzhofen, Kitzingen, Ochsenfurt und Tauberbischofsheim, in Bad Kissingen, Hammelburg und Bad Brückenau, in Bad Neustadt, Mellrichstadt und in Bad Königshofen; der Bote vom Haßgau in Hofheim konnte als Zukauf gewonnen werden. Wesentlich unruhiger verlief der Weg der zunächst konkurrierenden Zeitungen Volksblatt und Volkszeitung (siehe Beitrag auf Seite 22).

Die Innenstadt wird zu eng

Das Main-Post-Zeitungshaus hatte Schwung aufgenommen und entwickelte sich in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren prächtig. Die Gesamtauflage der Zeitungen lag längst weit über 100 000 Exemplaren, die werktägliche Erscheinungsweise war eine Selbstverständlichkeit geworden. Parallel dazu produzierte der Verlag in der Würzburger Innenstadt neben der Zeitung eine große Menge an Büchern, Katalogen und vielem mehr, was die „Schwarze Zunft“ zu bieten hatte. Kurzum: Die Altstadt war zu eng geworden für den Betrieb, der sich anschickte, einer der ganz Großen in Deutschlands Druckerlandschaft zu werden.

Bereits Mitte der 1960er hatten die Planungen für eine Umsiedlung begonnen und bald wurde als Ziel der damals noch unerschlossene Würzburger Stadtteil Heuchelhof ins Auge gefasst. 1970 begannen die Bauarbeiten auf dem 84 000 Quadratmeter großen Gelände an der Berner Straße und 1971 konnte das erste Richtfest gefeiert werden. Stück für Stück zogen technische Einheiten, Verlag und Verwaltung des damals noch Mainpresse genannten Verlages von der Innenstadt in die neuen Hallen und Räumlichkeiten. Den Abschluss machte an Ostern 1974 die Redaktion, die daraufhin am 16. April im Blatt meldete: „Die Main-Post kommt jetzt von der Höh‘!“

An historischer Stelle in der Plattnerstraße verblieb eine Geschäftsstelle, die es auch 2013 noch gibt. Dort können Leserinnen und Leser nach wie vor Kleinanzeigen aufgeben, Leserreisen buchen oder Artikel aus dem Zeitungsshop erwerben. Einige Hundert Meter entfernt, in der Schönthalstraße fanden die Würzburger Lokalredakteure und die Kundenberater eine neue Heimat.

Rund 1200 Menschen arbeiteten zu Beginn der 1970er Jahre für die Mainpresse, die sich im Prinzip in zwei große Geschäftsbereiche teilte, nämlich die Main-Post-Zeitungen und den Auftrags- und Lohndruck mit dem Namen Richterdruck. Etwa die Hälfte arbeitete in Redaktion, Technik, Verlag und Verwaltung für die Zeitung. 600 Menschen produzierten im Auftrag anderer Verlage – was in der Fachsprache Akzidenz genannt wird – Prospekte, Kataloge, Bücher, Zeitschriften, Etiketten und vieles mehr.

Richterdruck zählte bis in die 1980er hinein zu den 15 größten Druckereien in der Bundesrepublik Deutschland. Das Jubiläumsbuch „100 Jahre Zeitungen im Hause Richter“ blickt 1983 voller Stolz auf Zeitung und Akzidenz, verschweigt aber nicht, dass man sich nach wie vor in der Blei-Ära befand. Das Blei steht als Synonym für den ursprünglichen, handwerklich anspruchsvollen Schriftsatz, der sich plötzlich elektronischer Konkurrenz erwehren musste. Niemand ahnte, dass die bevorstehende technische Evolution zur Revolution geraten sollte und die gesamte Branche radikal umkrempeln würde.

Richterdruck in Schwierigkeiten

Überall in Deutschland mussten sich traditionsreiche Druckereibetriebe, oft eng mit der lokalen Tageszeitung verbunden, ungewohnten Mitbewerbern stellen. Neue Firmen nutzten die neuen digitalen Techniken in Satz sowie Druck und waren schneller, oft auch billiger als die bleierne Konkurrenz. Und Ende der 1980er erwuchs mit der unerwarteten Grenzöffnung zum Osten zusätzliche Druckkonkurrenz, die nicht-tagesaktuelle Produkte, beispielsweise Bücher, deutlich preisgünstiger anbieten konnte, als deutsche Betriebe. Kurzum: Auf Richterdruck kamen schwierige Zeiten zu.

Die vier Töchter von Karl Richter waren nach dessen Tod 1969 die alleinigen Besitzerinnen von Zeitung und Druckereibetrieb. Franz Josef Weixler, ein Schwiegersohn Richters, führte von 1969 bis 1984 die Geschäfte, geraume Zeit unterstützt von Karl Rauch († 1978). 1982 wurde Johannes von Guttenberg in die Verlagsgeschäftsführung berufen, ein Jahr später kam Gerhard Wiesemann als Geschäftsführer mit dem Schwerpunktbereich Technik dazu.

Die beiden hatten mit den beiden Dickschiffen Tageszeitung und Druckerei schwere Gewässer zu befahren. Das Jubiläumsbuch „Zeitenwandel – Seitenwandel“, erschienen zum Main-Post-Zeitungsjubiläum 1995, zieht für die Zeit Ende der 1980er eine unerwartete Bilanz: „Lange war man stolz auf den Heuchelhof-Neubau gewesen – umso bitterer empfand man die Erkenntnis, dass das Unternehmen Speck angesetzt hatte (. . .), dass man beachtliche Überkapazitäten geschaffen hatte (. . .), dass die Akzidenz hier oben noch nie einen roten Heller verdient hat. Das schockierte.“

Es kam zu einem spektakulären Besitzerwechsel. Die weltweit agierende, in Stuttgart beheimatete Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck übernahm 1991 von den Richter-Töchtern das Unternehmen zu 100  Prozent. Inhaltlich, das war für die Leserinnen und Leser das Wichtigste, blieb die Main-Post das unabhängige und überparteiliche Blatt, das es von Beginn an war.

Dem zweiten großen Unternehmensbereich, dem Richterdruck, gelang der Sprung in die 1990er nicht. Trotz hoher Arbeits- und Produktqualität, bei allem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnte der Betrieb nicht weitergeführt werden, verschiedene Rettungs- und Sanierungsversuche scheiterten. Die Druckerei Richter, formell längst vom Zeitungsverlag getrennt, musste im März 1994 die Arbeit einstellen. Die Tageszeitung Main-Post und ihre weiteren Titel, nämlich Schweinfurter Tagblatt, Bote vom Haßgau, Volksblatt und Volkszeitung überstanden den Wirbel um Besitzerwechsel und Akzidenz-Schließung weitgehend unversehrt.

Die Auflagen lagen relativ stabil um die 150 000 Exemplare und auch das Anzeigengeschäft, zweites Standbein einer jeden Zeitung, gab nur wenig Anlass zur Klage. Doch Medien bewegen sich immer im wirtschaftspolitischen und gesellschaftlichen Umfeld, und so war klar, dass mit dem Sprung ins neue Jahrtausend völlig neue und unerwartete Herausforderungen auf die Main-Post warten würden.
 
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