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WÜRZBURG
Eine Kauffrau wird Medienmanagerin
Im Gesellenstudium: Bürokauffrau Julia Dietrich (vorn) entdeckt im Studiengang Medienmanagement an der Fachhochschule Würzburg zusammen mit ihrer Kommilitonin Lara Baumann die Funktionsweisen einer Profikamera.
Foto: Pat Christ | Im Gesellenstudium: Bürokauffrau Julia Dietrich (vorn) entdeckt im Studiengang Medienmanagement an der Fachhochschule Würzburg zusammen mit ihrer Kommilitonin Lara Baumann die Funktionsweisen einer Profikamera.
Von unserer Mitarbeiterin Pat Christ
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:56 Uhr

„Mit diesen Zahlen hätten wir nie gerechnet“, gibt Würzburgs Fachhochschulpräsident Professor Dr. Heribert Weber zu. 171 Männer und Frauen studieren derzeit ohne formale Hochschulzulassungsberechtigung an seiner Fachhochschule. Noch ist dies nicht Standard – der Anteil der sogenannten Meister- und Gesellenstudenten liegt bei knapp zwei Prozent. Immerhin, so Weber: „Rund 60 Meister, Techniker und Fachwirte fangen jährlich neu bei uns zu studieren an.“

Ein Technikerzeugnis ist zwar noch immer nicht offiziell dem Abi gleichgestellt. Seit der Novellierung des Bayerischen Hochschulgesetzes zum Wintersemester 2009/10 können jedoch auch Techniker sowie Gesellen nach einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung und einer anschließenden mindestens dreijährigen Berufspraxis fachgebunden studieren. Der Meisterbrief ist hingegen mittlerweile so viel wert wie die Hochschulreife. Meisterinnen und Meister dürfen jedes Studium, das sie beginnen möchten, an allen staatlichen Hochschulen aufnehmen. Ein bestimmter Prozentsatz von Studienplätzen muss heute für all die, die ohne Abitur studieren wollen, reserviert sein.

Julia Dietrich ist an der Würzburger Fachhochschule gerade dabei, sich zur Medienmanagerin zu qualifizieren. „Ich würde später gern einmal vor oder hinter der Kamera stehen“, sagt die 24-jährige Bürokauffrau. Vor ihrem Studium war „Mediale Gestaltung“ für Dietrich ein unerschlossenes Gebiet: „Ich hatte zum Beispiel keine Ahnung, wie Verpackungen auf dem Computer designed werden.“ Viel Neues muss sich die junge Frau nun aneignen. Was sie gern tut: „Mir war es auf Dauer zu wenig, Bürokauffrau zu sein.“ Und ständig von anderen gesagt zu bekommen, was zu tun ist. Julia Dietrich, die ihre Lehre 2008 beendete, möchte endlich eigene Entscheidungen treffen.

Dass vergleichsweise viele Meisterinnen und Meister Interesse an einer akademischen Weiterbildung haben, ist auch für die Handwerkskammer Unterfranken (HWK) Anlass zur Freude. „Wir wollen, dass unsere Leute studieren!“, betont Frank Weth, für Berufliche Bildung zuständiger Geschäftsführer der HWK. Jahrelang kämpfte das Handwerk für eine Aufwertung der beruflichen Bildung. Zu Recht, wie sich nun zeigt. Laut Weth sind Meister, die an eine Fachhochschule oder Universität gehen, meistens „hochmotiviert“. Was auch für Gesellen zu gelten scheint. Darauf verweist zumindest eine Auswertung der Fachhochschule, der zufolge von sieben Gesellen, die im Wintersemester 2010/2011 zur Probe aufgenommen wurden, sechs die Probezeit bestanden haben.

„Mir war es auf Dauer zu wenig, Bürokauffrau zu sein.“

Julia Dietrich Gesellenstudentin

An Hochschule oder Uni anzukommen, ist für Meister, Fachwirtinnen und Techniker allerdings noch immer nicht einfach. Noch, so Frank Weth, würden derzeit zu wenige Brücken ins Studium gebaut. Um nach dem Meister- oder Gesellenabschluss zu studieren, genügt es schließlich nicht, eine Ader für ein spezielles Fachgebiet zu haben. Notwendig sind auch Grundkenntnisse, die an Haupt-, Real- und Berufsschulen, an Techniker- und Meisterschulen nicht vermittelt werden. Hiermit plagen sich nicht wenige Meisterstudenten herum. „Deshalb bieten wir Vorkurse an“, so FH-Präsident Weber. Dort werden Kenntnisse zum Beispiel in Englisch, Mathematik und Physik vermittelt.

Es bräuchte aber noch viel mehr Motivation von außen, um Meister dazu zu bewegen, sich eine Auszeit für Bildung zu nehmen, erklärt der aus Marktheidenfeld stammende Dr. Thorsten Gerberich. Der gelernte Werkzeugmechaniker begann bereits 2002 an der Fachhochschule Kaiserslautern ein Studium zum Diplomwirtschaftsingenieur. Vor ziemlich genau einem Jahr schloss er seine Doktorarbeit ab. Die Anfänge seiner akademischen Karriere waren überaus holprig, erinnert sich Gerberich: „Hochschulvertreter lachten mich aus, wie ich denn auf die Idee kommen würde, ohne Fachabitur studieren zu wollen. Andere haben mich sogar höflich vom Gelände gebeten.“

 
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