Der Kollege hat gefragt, was es denn Besonderes gäbe auf diesem Weg? Dem Weg ohne Namen. Welche Sehenswürdigkeiten? Welche Kulturschätze? Welche Kunst gar? Welche Burg? Wenigstens eine gut erhaltene Ruine, also bitte, das doch wenigstens, oder? Die Antworten auf all diese Fragen ist ein Kopfschütteln. Der Weg ist der Star. Die Besonderheit ist die Silberdistel am Saum des Pfades, der Quittenbaum die Sehenswürdigkeit, und die Kunst ist das Spinnennetz in den Zweigen, das der kühle Morgentau erst sichtbar gemacht hat. Das Einfache als Entdeckung.
Wer die Natur mag, ganz schlicht, wer sich freut, wenn er neugierig von einem Eichhörnchen beobachtet wird, der wird diesen Weg rund um Erlabrunn (Lkr. Würzburg) lieben. Er ist nur etwa acht Kilometer lang, aber er bietet eine in Franken seltene Vielseitigkeit auf engstem Raum: Saftige Wiesen mit Butterblumen und Löwenzahn. Schwarzkiefern mit knorrigen Wurzeln, die den Weg wie ein Geflecht aus Arterien überziehen. Wilderdbeeren. Efeu.
Es gibt Streuobstwiesen mit Kirsch-, Apfel- oder Zwetschgenbäumen, und oben auf dem 355 m hohen Volkenberg Trockenrasengebiete, wo der rare Deutsche Enzian genauso blüht wie die Küchenschelle und der Fliegen-Ragwurz. Dabei bietet die Strecke zu jeder Jahreszeit betörende Reize. Im Frühling sind es die duftenden Gräser und Blumen, die Blütenpracht der Obstbäume. Im Sommer ist es die angenehme Frische im Wald, wo die dichten Wipfel der Schwarzkiefern den Wanderer schützen vor der flirrenden Hitze. Im Herbst lassen die schillernden Rost- und Goldtöne der Blätter den Ort wie in einem prunkvollen Rahmen erscheinen. Der Frost des Winters schließlich verzaubert auf dem Berg die Nadeln der Bäume zu eisigen Borsten.
Es juckt in den Füßen?
Es juckt in den Füßen? Also dann, wandern wir los unten am Main, wo das Naherholungsgebiet mit seinen zwei Badeseen lockt. Interessanter aber ist ein kurzer Abstecher auf die in den 1930er Jahren erbaute Main-Staustufe, wo durch die Gitterroste des Stegs auf die gewaltigen Turbinen geblickt werden kann. Ist die Bundesstraße unterquert, muss sich der Fußgänger links halten. Nach etwa 100 Metern führt der Weg dann sanft bergan, er wird gesäumt von Obstbäumen. Sind die ersten Weinberge erreicht, entscheiden Sie sich am besten an der Gabelung für die rechte Variante. Oberhalb Erlabrunns führt ein geteerter Umflutgraben in nördlicher Richtung, bis ein Holzbildstock mit dem Gekreuzigten den geschotterten Weg aufwärts weist in Richtung Steinbruch. Dort haben Sie die ersten zwei Kilometer hinter sich. Wer Zeit hat und ein Hämmerchen, der kann sich an der bröseligen Wand aus Kalkgestein als Archäologe versuchen. Mit etwas Glück findet sich die Versteinerung einer Muschel oder Pflanze.
Wie ein spiegelverkehrtes Fragezeichen windet sich hier der Weg um den Steinbruch, die ersten Kiefernbäume und Harzgeruch lassen den nahen Wald ahnen. Der Weg wird nun zum Pfad und durch die Bäume schweift der Blick nach Thüngersheim und sein Rebenmeer. Ein paar Meter geht es steil bergan. Oben dann das Dorado für Spaziergänger, die größte zusammenhängende Schwarzkiefernkultur Deutschlands. Hier gibt es ein Netz an Wegen, aber wir biegen rechts ab und folgen dem Zeichen mit dem feuerroten Fuchs.
Der Wald war auf dem kahlen Volkenberg erst in den Jahren zwischen 1880 und 1914 angepflanzt worden, insgesamt wurden damals 120 Hektar mit Schwarzkiefern aufgeforstet. Mittlerweile wird in großen Teilen auf eine Naturverjüngung mit Buchen und Eichen gesetzt, auch eher seltene Baumarten wie Wildkirschen und Mehlbeeren sind zu finden. Nach etwa 400 Metern stoßen wir auf einen breiteren Schotterweg. Dem könnten Sie nun in nordwestlicher Richtung folgen, schöner aber ist der wenige Meter daneben verlaufende Pfad mit seinem weichen Waldboden.
Kleine Fenster im Wald
Die Tour führt nun auf dem Rücken des Volkenbergs entlang Richtung Käppele. Waldameisen und Käfer krabbeln über das Moos, wer aufmerksam ist, kann hier auch Orchideen wie die Berg-Waldhyazinthe finden. Und immer wieder öffnet ein kleines Fenster das Dicht des Waldes und gibt einen Blick frei hinunter auf das Maintal. Im Gegenlicht am Morgen schimmern die Kiefernsprösslinge am Boden wie silberner Flaum, die letzten 200 Meter bis zum Käppele laufen wir dann schon auf dem Fränkischen Marienweg. Das Kirchlein auf dem Volkenberg hat 1875 die Witwe Katharina Küffner aus Oberleinach erbauen lassen zu Ehren der Gottesmutter Maria.
Das Kleinod im Kiefernwald ist einer der Lieblingsplätze des früheren Bischofs von Würzburg, Paul-Werner Scheele. Die Spaziergänge dort liebt er vor allem deshalb: „Wandern, bewusst atmen, die Natur – der Sinn der ganzen Schöpfung wird einem so bewusst vor Augen geführt.“ Ein Wald für die Seele also. Für Scheele ist das Käppele ein „wunderbarer Ausdruck der Volksfrömmigkeit“, wie er dieser Zeitung einmal verriet.
Die Hälfte der Wanderung ist geschafft. Weiter geht es auf dem Marienweg, der bald nach einer Rechtskurve steil abfällt. Dort, wo der Wald nun ausfranst wie ein zerrissenes Tuch, da bekommt das Auge Platz. Der Blick reicht über Zellingen und Retzbach bis nach Karlstadt. Wir folgen jetzt dem Teerweg in südlicher Richtung und erreichen die Erlabrunner Weinbergslage Mehle. Durch die Rebhänge geht es nun auf den kleinen Weinort zu, vorbei an herrlichen Streuobstwiesen und dem „Roten Loch“, das früher eine Müllkippe war. Heute steht hier im Grünen eine Steele, und einmal im Jahr endet dort die Flurprozession der Kirchengemeinde St. Andreas.
Bald ist der Ort erreicht. Einfach immer geradeaus, vorbei am Friedhof und altem, schön hergerichteten Fachwerk. In der Ortsmitte biegen wir hinunter in die Maingasse und lassen den Meisnerhof, in dem im Jahre 1520 einmal der berühmte Maler Albrecht Dürer Station gemacht hat, linker Hand liegen. Am Main entlang begleiten uns kleine Schrebergärten, ehe wir an der Staustufe unser Ausgangsziel erreichen: Ein bisschen müde vielleicht, aber mit frischen Erinnerungen an ein vielfältiges Stück Franken.
Genügt das, Kollege?
Wanderweg „Rund um Erlabrunn“
Charakter: leichte Tour, Rundweg.
Ausgangspunkt/Endpunkt: Staustufe in Erlabrunn (Lkr. Würzburg). Parkmöglichkeiten befinden sich an beiden Badeseen.
Einkehrmöglichkeiten: Der Weinort Erlabrunn bietet ein umfangreiches gastronomisches Angebot. Im Dorf gibt es sechs Restaurants/Wirtshäuser (teils mit Biergarten).
Aussichtspunkt: Vom Sporn des Volkenbergs sowie am Käppele bieten sich wunderbare Ausblicke ins Maintal.
Sehenswürdigkeiten: Das ist die Natur. Im Ort lohnt ein Abstecher in die St.-Andreas-Kirche mit ihrem Kirchturm im Echter-Stil.
ONLINE-TIPPS
In der Gruppe „Auf Schusters Rappen“ können alle Wanderfreunde ihre Erlebnisse teilen. Klicken Sie doch mal rein unter:
www.main.de/wandern