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Ein Schoppen im Läuferhimmel
Der Schwanberglauf: Eine sportliche Herausforderung mit einem Weinfest als Belohnung.
Das Ziel im Blick: Nach dem Start in Iphofen geht's für die Läufer über den Schwanberg zum Casteller Weinfest.
Foto: Robert Haass | Das Ziel im Blick: Nach dem Start in Iphofen geht's für die Läufer über den Schwanberg zum Casteller Weinfest.
Von unserem Redaktionsmitglied Siegfried Sebelka
 |  aktualisiert: 27.10.2020 13:25 Uhr

Er stammt aus einer Zeit, als noch kaum jemand wusste, was Joggen ist, in der Langlauf noch was für Verrückte war. Es war die Zeit vor dem Laufboom, als im Juli 1984 der Startschuss für den ersten Schwanberglauf gefallen war. Der Lauf von Iphofen durch die Weinberge auf den Schwanberg und dann durch den Wald nach Castell ist inzwischen Kult. Mit 140 Teilnehmern am Anfang hat sich die Teilnehmerzahl mittlerweile auf um die 1000 eingependelt. Die kommen aus ganz Deutschland und werden zu Wiederholungstätern. Spätestens am Freitag, 19. Juli 2013, wenn die 30. Auflage des Laufes über die Bühne geht. Voraussichtlich ab Februar kann man sich anmelden, so Norbert Henneberger, der den Lauf maßgeblich organisiert.

Was macht die Faszination dieses Laufes aus? Warum treten Frauen wie Männer an, Jugendliche wie Senioren, die auch schon mal jenseits der 70 sind, ambitionierte Läufer neben Hobbyläufern, Walkern oder auch Wanderern?

Georg Will, alter Hase in der Kitzinger Laufszene und Chef des Laufteams der Turngemeinde Kitzingen (TGK), hat die Gründe im Jubiläumsheft zur 25. Auflage des Laufes so aufgezählt: Der Start in Iphofen im Flair des romantischen Rödelseer Tors. Die Herausforderung des steilen Anstiegs auf das Schwanberg-Plateau. Die Strecke durch den Wald entlang des geschichtsträchtigen Keltenwalles. Der Einlauf vor vielen Zuschauern im Schlosspark Castell und das Weinfest. Will kam zu dem Fazit: Es ist eine Mischung aus allem.

Dabei ist der Lauf für die Durchschnittsläufer eine echte Herausforderung: 200 Meter Höhenunterschied auf den ersten 2,6 Kilometern vom Start am Rödelseer Tor auf den Schwanberg sprechen für sich. Hat der Läufer dann noch Luft, kann er es laufen lassen oder Gas geben. Der weitaus größere Teil der Strecke ist flach oder geht bergab – bis zum Ziel auf dem Casteller Weinfest. Nach dem Lauf treffen sich alle dort. Wer in Castell zum Auftakt des ersten Weinfestwochenendes einmal die Stimmung und die Zwanglosigkeit erlebt hat, der kommt wieder. Das wissen die Veranstalter und die steigenden Teilnehmerzahlen, die der Lauf besonders seit Anfang der 90er Jahre zu verzeichnen hatte, haben das bewiesen. Und dazu kommt noch das Gefühl, mit der Teilnahme auch noch was Gutes zu tun. Der Erlös aus den Läufen für den guten Zweck, inzwischen dürften das rund 50 000 Euro sein, geht an den Förderverein der Klinik Kitzinger Land.

Die hieß 1984 noch Kreiskrankenhaus Kitzingen, als die Idee für den Lauf geboren wurde. Es war der noch junge Landtagsabgeordnete Franz Brosch, der die Möglichkeit suchte, Kontakte zu knüpfen. Für den sportlichen Iphöfer lagen das Laufen und das Radfahren nahe. Brosch organisierte Radrennen wie das „Rund um den Schwanberg“, das es schon lange nicht mehr gibt, und eben den Schwanberglauf. Brosch hatte gewettet, in 60 Minuten von Iphofen über den Schwanberg nach Castell laufen zu können. Der Lauf war geboren. Er schaffte es, die Mitarbeit von Polizei, Feuerwehren und Rotem Kreuz zu sichern. Das Sportereignis konnte starten. Zunächst machten überschaubare Teilnehmerzahlen es möglich, dass Brosch selbst noch die Joggingschuhe schnürte. Das war aber schnell vorbei. Mundpropaganda machte den Lauf über die Jahre bekannt. Mit der Joggerwelle stieg auch der Ehrgeiz der Sportler. Das forderte Opfer. Bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit musste so mancher unerfahrene Läufer Lehrgeld zahlen und feststellen, dass die Streckenführung es in sich hat. Es kam zu mehreren Zusammenbrüchen. Einsätze der Rettungswagen und dreimal sogar des Hubschraubers stehen in der Statistik.

Dass die Streckenführung ihre Tücken hatte, zeigte auch, dass sich trotz Markierungen Läufer verliefen. In Rödelsee, Wiesenbronn und Birklingen wurden Teilnehmer eingesammelt. Von Brosch ist überliefert, dass er einmal bei einsetzender Dunkelheit einen Amerikaner per Handy aus dem Wald nach Castell gelotst hat.

Dass der Schwanberglauf ein Phänomen ist, zeigte sich spätestens in den Jahren 2003 und 2004. Da zog sich Brosch aus der Organisation zurück. 2003 stand der Lauf vor dem Aus. Es gab zwar am 11. Juli einen Rundlauf mit Start und Ziel in Iphofen. Aber das war nicht das, was die Schwanberglauf-Fans wollten. Der Protest formierte sich. Eine Woche später standen 230 Läufer vor dem Rödelseer Tor und warteten wie seit 1984 am Freitagabend um 18.30 Uhr auf den Startschuss in Richtung Castell – auf der klassischen Route. „Ich laufe nur das Original“ war auf einem T-Shirt zu lesen und mit diesem Lauf war das Original wieder zurück.

Dafür hatte ein neues Organisationsteam mit Wolfgang Karmann vom Kitzinger Krankenhaus, Norbert Henneberger und Ulf Sengenberger gesorgt. Ein Jahr später liefen alle wieder und nur noch das Original. Karmann und Henneberger sind mit der Laufgruppe des Krankenhauses und dem Laufteam der Turngemeinde auch heute die Macher hinter dem Lauf, die sich auf viele ehrenamtliche Helfer verlassen können – und auf das Castell'sche Domänenamt, das jedem Läufer einen Bon für einen Schoppen zur Verfügung stellt. Der kommt dann, wenn es geschafft ist, zum Einsatz. Wie das ist beschreibt Wolfram Wende, bis 2005 Chefarzt in Kitzingen, in der eingangs erwähnten Festschrift: „Wir passieren das Tor zum fürstlichen Park. Es ist geschafft, wieder einmal. Da ist dann das anschließende Hochgefühl. Nur der kann es nachempfinden, der selbst einmal mitgelaufen ist. Erst eine Flasche Mineralwasser, dann ein trockener Casteller Schoppen, ein halbes Hähnchen – und wir sind im Läuferhimmel.“ Und das auch noch mit Schoppen-Bon.

Erschienen als Folge 73 der Serie 111 Dinge, die Sie in Mainfranken tun müssen.

 
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