Lage am Schweinfurter Hauptbahnhof ruhig
Die Lage am Schweinfurter Hauptbahnhof ist am frühen Samstagvormittag entspannt. Güterzüge und Regionalbahnen stehen still, die Bahnsteige sind fast leer. Der Notfallfahrplan ist bekannt, die Reisenden haben sich auf den Streik eingestellt und umdisponiert. Viele sind auf die Fernreisebusse umgestiegen und auch in den Autovermietungen am Bahnhof ist mehr los.
Am Schalter der Deutschen Bahn ist es trotzdem ruhig, einige Fahrgäste warten recht gelassen, nervös sind nur zwei Russinnen. Sie müssen dringend nach Nürnberg und von dort weiter nach Wien. Auf Englisch erhalten sie die Auskunft: ja der Zug nach Wien fährt planmäßig, aber der nach Nürnberg nicht, die zwei sind ratlos.
Nach Nürnberg wollten auch die fünf gutgelaunten Sennfelderinnen, der Shoppingtrip ist ewig geplant. Sie machen erstmal einen Sekt auf, beratschlagen sich und nehmen den Regionalzug um 9.18 Uhr nach Würzburg. In der Bahnhofsmission macht sich gerade Elmar Rachle bereit. Mehrmals täglich kümmert er sich um „gestrandete“ Fahrgäste, hat die neusten Infos aus dem Internet parat und die kostenlose Servicenummer der Deutschen Bahn.
Jessica aus Aschaffenburg ist bis Schweinfurt problemlos gekommen, doch nun ist Schluss, die Bahnverbindung nach Bad Kissingen ist eingestellt. „Nicht so schlimm“ lacht sie „die Oma kommt“. Am Busbahnhof wartet auch der reguläre Fernreisebus nach Berlin, Isabella Walter aus Schweinfurt will gerade einsteigen. Eigentlich wollte sie per Bahn in die Hauptstadt, hat dann aber am Freitagabend doch lieber ein Busticket gebucht, das hat gedauert, die Homepage des Busunternehmens war komplett überlastet. Sie ärgert sich über den Zeitpunkt des Streikes „Unmöglich gerade an diesem Ferienwochenende“. Helena und Sabrina fahren auch mit dem Bus nach Berlin, aber das war geplant, die Bahnfahrt zu teuer. Die zwei sind überrascht: „ach, heute ist der Streik“, sie sind ja auch nicht betroffen.
Richtig sauer ist dafür Walter Müller von „Müllers Einkaufsshop“ direkt im Bahnhof. Der Laden ist leer, wenige belegte Brötchen zieren die Auslage. Weit über 50 Prozent weniger Umsatz befürchtet er im Vergleich zu einem streikfreien Oktobersamstag im Vorjahr. Für ihn ist der „Bogen überspannt“, die Verantwortung sieht er an höherer Stelle der GDL.
Auch die anderen Geschäfte sind betroffen, am leeren Taxistand ziehen die zwei Russinnen unverrichteter Dinge wieder mit ihren Trolleys ab, wie sie nach Nürnberg kommen sollen, wissen sie immer noch nicht und langsam wird die Zeit bedenklich knapp.
Gewerkschaft hält an Plänen fest
Die Deutsche Bahn hatte der Gewerkschaft am Freitag ein Angebot vorgelegt, das für die Lokführer eine dreistufige Einkommenserhöhung um insgesamt 5 Prozent bei einer Vertragslaufzeit von 30 Monaten vorsieht. Die Bahn bekräftigte, auch über andere Berufsgruppen mit der GDL sprechen zu wollen.
GDL-Chef Claus Weselsky sprach am Freitagabend von einem «Scheinangebot», mit dem die Solidarität unter den GDL-Mitgliedern ausgehebelt werden solle. Es sei nicht geeignet, in Verhandlungen einzusteigen. Das Bahn-Angebot erfüllt nicht die Kernforderung der GDL, bei Tarifgesprächen für das gesamte Zugpersonal verhandeln zu können.
Bahn-Vorstand Ulrich Weber kritisierte den Streikaufruf der Lokführergewerkschaft scharf. «So kurzfristig und in dieser Dimension sind die Streiks völlig verantwortungslos und an der Grenze zur Irrationalität», sagte der Manager der «Bild»-Zeitung (Samstag). Am Freitag hatte die Bahn der GDL vorgeworfen, Amok zu laufen.
Von dem zweitägigen Streik profitieren im Fernverkehr vor allem Busse. Bereits am Freitag hatte die Nachfrage die Kapazitäten von Fernbus-Anbietern weit überschritten. MeinFernbus verzeichnete etwa eine Verdreifachung der Buchungen. Auf Omnibusbahnhöfen in ganz Deutschland herrschte am Samstagmorgen reger Andrang.