1953 war ein gutes Jahr für die Bundesrepublik. Aus Bombenkratern wuchsen Häuser mit Zentralheizung, fließend Wasser und elektrischem Licht. Der Export kam in Gang. Die Kaufkraft stieg. Statt Steckrüben stand Schweinshaxe auf dem Tisch. Statt selbst gedrehter Kippen aus selbst angebautem Tabak gab's Eckstein-Zigaretten. Gesund leben war nicht angesagt. Satt sein war wichtig. Dicke Bäuche als Statussymbole. Deutschland war Wirtschaftswunderland.
1953 war kein gutes Jahr für Brigitte Heinz. Blutjung war sie – und schwanger. Viel weiß man nicht von ihr. Nur, dass sie am 24. November 1932 in Bamberg geboren wurde, dort in der Reußstraße wohnte, katholisch getauft wurde und als Hausmädchen arbeitete. Dass es für sie kein Wirtschaftswunder gab, ist offensichtlich.
Vom Vater ihres Kindes ist nichts bekannt. Bestimmt war Brigitte ein hübsches, deutsches „Fräulein“. Vielleicht war ihr Freund US-Soldat. Davon gab es viele damals in Franken. Der Name, den sie ihrem Sohn gab, spricht dafür: Robert Lee Heinz. Am 16. Februar 1953, neun Monate vor dem 21. Geburtstag seiner Mutter, kommt der kleine Kerl mit den großen Kulleraugen in der Valentin-Becker-Straße 9 in Würzburg zur Welt. So steht es in seiner Geburtsurkunde.
„Ich habe ja immer genügend Liebe bekommen, und das hat mir viel Kraft gegeben.“
Robert Lee Patrick (59),
aufgewachsen bei Adoptivmutter
Unter dieser Adresse gab es kein Krankenhaus. Vielleicht hat Robert Lee Heinz in der Wohnung einer Freundin seiner Mutter das Licht der Welt erblickt. Hausgeburten waren nicht selten damals. Vielleicht ist Brigitte Heinz auch hochschwanger von Bamberg nach Würzburg gereist, damit ihr Kind gleich nah bei seinen neuen Eltern ist.
Die junge Mutter gibt Robert Lee zur Adoption frei. Der in Würzburg stationierte Hauptfeldwebel der US-Armee Lee Roy Patrick und seine Frau Evelyn nehmen den Kleinen am 15. April 1953 an Kindes statt an. „Ich, Brigitte Heinz, weiß, dass meine Zustimmung zu der Adoption unwiderruflich ist“, heißt es in dem Papier, das die junge Frau bei einem Notar unterschreibt.
Aus Robert Lee Heinz wird Robert Lee Patrick. Mit seinen Adoptiveltern zieht er in den Grasweg 2 im Stadtteil Frauenland, nahe der Leighton Barracks. Fotos aus dieser Zeit zeigen ein rundes, fröhlich lachendes Baby und glückliche, stolze Eltern.
1955 oder 1956 geht die Familie zurück in die USA, ein paar Jahre später zerbricht die Ehe von Lee Roy und Evelyn. Der kleine Robert wächst umsorgt und geborgen bei seiner Adoptivmutter auf, studiert englische und französische Literatur, besucht eine Schauspielschule in Chicago. Evelyn Patrick stirbt 1982.
Heute ist ihr Adoptivsohn 59 Jahre alt, arbeitet als Galerist und Eventmanager, lebt im kalifornischen Laguna Niguel, sucht nach seinen Wurzeln – und eigentlich ist es ihm nicht wohl dabei. „Ich möchte niemanden verletzen“, schreibt Robert Patrick in einer sensibel formulierten e-Mail an die Redaktion, „weder meine leibliche Mutter, noch ihren Mann oder ihre anderen Kinder, wenn es welche gibt“.
Seine Eltern hätten ihm nie verheimlicht, dass er ein Adoptivkind ist. „Aber weil ich mein Leben lang von liebevollen Angehörigen umgeben war, verspürte ich nie den dringenden Wunsch, meine leibliche Mutter zu finden und etwas über ihr Leben zu erfahren“.
Nun aber arbeitet der 59-Jährige an seiner Biografie. Während des Schreibens wurde ihm klar, dass sein Leben ganz anders begonnen hat als das der meisten Menschen. „Deshalb möchte ich jetzt gerne wissen, wer meine leibliche Mutter war und welche Auswirkungen meine Adoption auf ihr Leben hatte.“ Robert Patricks sorgfältig gewählten Worten folgt ein ganz pragmatischer Satz: „Außerdem interessiert es mich natürlich, ob es erblich bedingte Krankheiten gibt.“
Dann wird die Wortwahl des 59-Jährigen wieder ganz einfühlsam: „Ich habe mich nie emotional beeinträchtigt gefühlt, weil ich meine leibliche Mutter oder eventuelle Halbgeschwister nicht kenne. Ich habe ja immer genügend Liebe bekommen und das hat mir viel Kraft gegeben.“
Wer Robert Patrick bei der Suche nach seinen Wurzeln helfen kann, soll sich bitte mit der Redaktion in Verbindung setzen: gisela.schmidt@mainpost.de