
Ein Mädchen rennt durch den Wald, eine rote Schultasche hängt verlassen an einer Wand in der Schule, und eine Böses ahnende Mutter läuft verzweifelt durch das Dorf zur Seepromenade. Dort wird ihre tote Tochter gefunden, angebunden an einem Pfeiler der Seebrücke. So wird der Zuschauer förmlich hineingezogen in eine Tragödie, die ein ganzes Dorf an der Ostsee mitreißen wird – denn nahezu alle haben die 14-jährige Jennifer Broder gekannt. „Tod eines Mädchens“ heißt ein Zweiteiler, der an diesem Montag und am Mittwoch jeweils um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen ist.
Noch am Strand will Oberkommissarin Hella Christensen (Barbara Auer) die Ermittlungen übernehmen, doch dort wird sie bereits von ihrem neuen Chef aus Kiel erwartet, Simon Kessler (Heino Ferch). Im Gegensatz zu ihr kannte er das Opfer nicht, er kennt überhaupt niemanden aus der verschworenen Dorfgemeinschaft. Somit ist er emotional nicht belastet, was ihm aber keineswegs hilft – ohne seine Kollegin bekommt er fast nichts heraus. Selbst deren Sohn, Martin Christensen (Chris Veres), wird verhaftet.
Doch richtig verdächtig macht sich der Hotelbesitzer Uwe Hahn (Gustav Peter Wöhler), der Fotos und Filmaufnahmen von Jennifer versteckt. Aber auch ihr Vater, Hauke Broder (Jörg Schüttauf), verhält sich merkwürdig – ob er ahnt, dass seine Frau Silke (Anja Kling) ein Verhältnis mit seinem Bruder Torben (Hinnerk Schönemann) hat?
Jennifer jedenfalls hat davon gewusst und darüber in ihr Tagebuch geschrieben, das ihre kleine Schwester nun jedoch versteckt und später ins Kornfeld wirft, wo es nie gefunden wird. Wie es zum Tod des jungen Mädchens kam (das mehrfach im Film erscheint), das soll hier nicht verraten werden – ein Mord im klassischen Sinne war es am Ende gar nicht. Vielmehr wird in dem spannenden Zweiteiler allmählich deutlich, wie im Grunde alle Menschen rund um Jennifer versagt haben: die Eltern, die Nachbarn, die Freunde – im Grunde die ganze Dorfgemeinschaft, die nichts anderes ist als ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.
Es gibt viele Missverständnisse und Verdächtigungen, alle haben mehr gesehen und gewusst, als sie später zugeben werden – und so das tragische Ende erst ermöglicht. Den beiden Autoren Stefan Holtz und Florian Iwersen sowie Regisseur Thomas Berger ist eine ebenso dichte wie fesselnde Geschichte gelungen, die ganz nah an den Figuren bleibt und wahre Abgründe menschlichen Verhaltens aufzeigt. Das alles wird durch die Landschaft noch verstärkt; das fiktive Dorf namens Nordholm gibt es so nicht, gedreht wurde im holsteinischen Lütjenburg, Kellinghusen, Steinhorst und auf der dänischen Insel M?n.
Heino Ferch (51) ist sicher der Star des Films. „Der Simon Kessler ist eine ruppige, arrogante, sperrige Figur“, sagte Ferch. „Der platzt in dieses Wespennest hinein wie ein Stück Metall, in Anzug und Krawatte und mit Sonnenbrille. Da hatte ich unglaublich viel Lust, das zu spielen, denn normalerweise darf man im deutschen Fernsehen keine Sonnenbrille tragen, weil ja alle immer die Augen sehen wollen. Also der Simon ist schon angepisst, weil er in dieses Provinznest muss.“
Während andere Filme hoffnungslos überfrachtet sind mit unnötigen Figuren und störenden Nebensträngen, wird in diesem Krimidrama die Spannung eben nicht durch Verrätselung geschaffen, sondern man kann der Entwicklung und den Ermittlungen klar folgen. Nahezu alle Personen im Film haben Angst oder auch Sehnsüchte, keiner spricht mit dem anderen. So wie im echten Leben wohl auch.