Stinkefinger oder nicht? Fälschung oder nicht? Satire oder nicht? Eine Geste des griechischen Finanzministers Giannis Varoufakis hat vor ein paar Tagen für helle Aufregung gesorgt. In einem Video, das bei Günther Jauch gezeigt wurde, soll Varoufakis den Mittelfinger gezeigt haben.
Die Nation rätselte, ob das nun eine bewusste Beleidigung war, und wenn ja, gegen wen. Dann behauptete der Moderator Jan Böhmermann, er habe den Film gefälscht (gefakt, wie das korrekt heißt), und zwar in satirischer Absicht. Bis das ZDF wiederum verlauten ließ, die Behauptung, das Video sei gefakt, sei ihrerseits Satire.
„Nichts ist unglaubwürdiger als die Wirklichkeit“, sagt Dostojewski, weswegen es im Grunde egal ist, was nun tatsächlich stimmt. (Außer vielleicht der Aspekt, dass das Video aus dem Zusammenhang gerissen worden war und ohnehin kaum zu jedweder Wahrheitsfindung hätte beitragen können.)
Die Angelegenheit hat – mal wieder – die Frage nach der Wahrhaftigkeit der Medien im allgemeinen und der neuen Medien im besonderen aufgeworfen. Zugegeben: Die Möglichkeiten sind beängstigend. Gute gemachte Fakes sind kaum mehr als solche zu erkennen. Aber Täuschung ist eine uralte Disziplin. Klassiker sind die Fotos aus der Frühzeit der Sowjetunion: Wer immer bei Lenin oder Stalin in Ungnade gefallen war, verschwand rückstandsfrei von allen gemeinsamen Aufnahmen (und als Person sowieso).
Seit es Bilder gibt, gibt es Manipulation. Und das nicht nur in totalitären Regimes. In der kapitalistischen Konsumwelt werden Himmel blauer, Landschaften pittoresker, Models perfekter, Bösewichter finsterer. Sie werden „gefotoshopt“, was schon fast wieder wie eine eigene Kulturleistung klingt. Immer wieder verschwimmen die Grenzen zwischen Information, Entertainment, Kommerz und Satire.
Seriöse Medien allerdings sind weiterhin aufgerufen, mit größtmöglicher Wahrhaftigkeit zu arbeiten, und der Versuchung zu widerstehen, vermeintlich unattraktive Inhalte aufzuhübschen. Dass Manipulation so leicht geworden ist und dass so viele manipulieren, rechtfertigt gar nichts.
Womit wir – mal wieder – bei der Frage angekommen wären, was denn überhaupt Wirklichkeit sei. Die Frage lässt sich auf diesen letzten paar Zeilen wohl nicht mehr letztgültig klären. Aber vielleicht hilft es ja, ein wenig über diesen Satz von Goethe nachzudenken: „Der Geist des Wirklichen ist das Wahre Ideelle.“