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WÜRZBURG
Eberhard Fiebig fordert: Schafft den Kulturpreis ab!
Angelika Summa: Die Kulturpreisträgerin 2014 entwickelt komplexe Skulpturen aus metallenem Draht.  (Foto: Wolf-Dietrich Weissbach)
Foto: Wolf-Dietrich Weissbach | Angelika Summa: Die Kulturpreisträgerin 2014 entwickelt komplexe Skulpturen aus metallenem Draht. (Foto: Wolf-Dietrich Weissbach)
Wolfgang Jung
Wolfgang Jung
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:30 Uhr

Als Eberhard Fiebig seinen letzten Satz gesprochen hatte, kamen Muchtar Al Ghusains Gesichtsmuskeln langsam zur Ruhe. Der 84-jährige emeritierte Kunstprofessor aus Kassel hatte die Verleihung des Kulturpreises und der Kulturförderpreise zu einem Akt gemacht, den man, meinte Würzburgs Kulturreferent Al Ghusain tags darauf, „so schnell nicht vergisst“.

Fiebig, lange Haare, scharfer Verstand, hatte seine Laudatio auf die Kulturpreisträgerin Angelika Summa zu einem 45-minütigen Ritt durch die Theorie und die Praxis der Kunst genutzt. Sein Ziele: Das Unvermögen und die Unlust von Kulturverwaltungen, angepasste Künstler, die Verleihung von Kulturpreisen.

Im Kulturspeicher, vor über 200 Zuhörern, kanzelte er, eingeladen von der Preisträgerin, die Kulturpreisverleihung als eine Plazeboveranstaltung ab, „die darüber hinweg täuschen soll, dass die Künste und die Künstler den Kulturbürokraten schnuppe sind“. Nichts anderes sei zu erwarten, wo „der Sportdezernent gleichzeitig Kulturdezernent ist“. Würzburgs Sport- und Kulturreferent Al Ghusain schaute, als habe er in eine Zitrone gebissen.

Fiebig legte nach: Die Auguren der Stadt hätten beschlossen, den Kulturpreis „nicht länger mit einer schnöden Geldgabe von 7500 Euro zu belasten. Sie würden Summa zum Essen einladen, aber der Teller der Künstlerin bleibe leer. Da hellte sich Al Ghusains Miene wieder auf. Auch er meinte zur Eröffnung des Festaktes, ein „undotierter Ehrenpreis bietet nicht den gerechten Lohn“. Schließlich grinste Al Ghusain, als schaue er einem Eulenspiegel zu. Denn Fiebig plädierte allen Ernstes dafür, den Kulturpreis ersatzlos zu streichen, damit die „Repräsentanten der Stadt“ nicht mehr „das Ammenmärchen vom innigen Verhältnis zwischen den Künsten, dem Glanz und den Tugenden des Staates“ pflegen könnten.

„Wir brauchen Träumer, die das Ideal denken und malen, um ihm so nah wie möglich zu kommen.“
Homaira Mansury über Maneis Arbab

Gelegentlich kam Fiebig auf Angelika Summa zu sprechen. Unter Tausenden von Bildhauern gebe es „nur eine Handvoll, deren Werke sich weder einer Schule, noch einer Tendenz zuordnen lassen“. Summa gehöre zu ihnen. In ihren Skulpturen verberge sich „weder eine Lehre, noch ein Geheimnis“. Fiebig meint, es wäre paradox, ihr Werk zu interpretieren, denn die Kunst der Bildhauer sei, „die Dinge den Wörtern zu entziehen, um das nicht Benennbare in Erscheinung zu bringen“. Sie verwandle die in ihrem Material, dem Draht, „angelegte Potenz“ in eine „von niemandem vorhergesehene Gestalt“. Summa sei eine „Wirklichkeit schaffende Bildhauerin“ , die mit hochdifferenzierten Skulpturen“ das „Typisch-Bedeutende erkennbar“ mache, indem sie das „Ungewordene, doch Mögliche“ erscheinen lasse. Sie sei eine der wenigen Bildhauerinnen der Epoche, „die diesen hohen Anspruch nicht verraten haben“.

Fiebig hat das Publikum polarisiert, Homaira Mansury hat es berührt. Die SPD-Stadträtin hielt die Laudatio auf Maneis Arbab. Der iranische Cartoonist und Zeichner ist einer von drei Trägern des mit je 2500 Euro dotierten Kulturförderpreises. In seiner Heimat arbeitete er als Hochschullehrer und Werbegrafiker, bis er 2009 wegen regimekritischen Äußerungen in Gefahr geriet und floh.

Mansury beschrieb Arbabs Karikaturen als „Bollwerke der politisch und humanitär motivierten Kritik“. Beinahe fünf Jahre lang lebte Arbab mit 450 anderen in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in der Veitshöchheimer Straße. Mansury sagte, er sei mit seinen Karikaturen auch ein Sprachrohr der Asylsuchenden geworden. Es gebe Momente, in denen komme er ihr „wie ein Mensch vor, der träumt, der nicht in der Realität weilt“. Würzburg, „unsere Gesellschaft und unsere Seelen“ bräuchten Träumer, „die das Ideal denken und malen, um ihm so nah wie möglich zu kommen“.

Arbab dankte. Der Kulturförderpreis sei sein zweiter „kostbarer Preis“. Der erste sei „das Gefühl von Freiheit und Sicherheit“, das er hier erfahren habe. Seit fünf Jahren könne er „viele schwierige Erfahrungen in Kunst umsetzen“. In seiner alten Heimat „wäre so was undenkbar“.

Als Arbab sich nach langem Applaus setzte, war eine emotionale Achterbahnfahrt beendet. Der nächste Preisträger, der Architekt Matthias Braun, beschäftigt das Publikum mit gewitzten Installation wie der Balthasar-Badewanne in Randersacker oder mit dem grellgrünen Entwurf fürs Mobiliar in der Kaiserstraße. Sein Laudator Reinhold Jäcklein beschrieb ihn als intelligenten, vielseitigen und subtilen Gestalter. Braun interessiere das Zusammenspiel von Architektur, Raum und Mensch. Er wolle „dem räumlichen Kontext eine neue Wahrnehmungsebene hinzufügen.

Für den festlichen Abschluss sorgte die dritte Kulturförderpreisträgerin, die Mezzosopranistin Julia Rutigliano. Die 36-Jährige feiert Erfolge auf großen Bühnen. Unter anderem arbeitete sie in Bayreuth mit Frank Castorff und und in Tel Aviv mit Zubin Mehta. Ihre Laudatorin Renate Freyeisen zitierte, was die Berliner Zeitung über ihre „Carmen“ unter der Regie von Volker Schlöndorff schrieb: Rutigliano singe fantastisch und verkörpere perfekt das Vollweib, das dem armen Don José den Kopf verdreht. Die Preisträgerin bedankte sich mit vier Liedern von Richard Strauss, am Klavier begleitet von Stellario Fagone.

Julia Ratigliano: Die Mezzosopranistin arbeitet mit den Großen der Zunft.  (Foto: Daniel Peter)
Foto: Fotos (4): Daniel Peter | Julia Ratigliano: Die Mezzosopranistin arbeitet mit den Großen der Zunft. (Foto: Daniel Peter)
Maneis Arbab: Der Karikaturist ist als Flüchtling aus dem Iran nach Würzburg gekommen. (Foto: Daniel Peter)
| Maneis Arbab: Der Karikaturist ist als Flüchtling aus dem Iran nach Würzburg gekommen. (Foto: Daniel Peter)
Matthias Braun: Er ist der Architekt, der mit schrägen Ideen den Witz in die Städte bringt. (Foto: Daniel Peter)
| Matthias Braun: Er ist der Architekt, der mit schrägen Ideen den Witz in die Städte bringt. (Foto: Daniel Peter)
Eberhard Fiebig: Der Laudator der Kulturpreisträgerin forderte die Abschaffung des Kulturpreises. (Foto: Daniel Peter)
| Eberhard Fiebig: Der Laudator der Kulturpreisträgerin forderte die Abschaffung des Kulturpreises. (Foto: Daniel Peter)
 
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