Einen festen Posten an der Musikhochschule, das wünschen sich viele Musikerinnen und Musiker aus Würzburg. Clemer Andreotti zum Beispiel. Seit 1988 ist der Konzertgitarrist an der Musikhochschule tätig. Neun Stunden lehrt er derzeit pro Woche. Andreotti übernimmt einen festen Teil der Musikerausbildung. Und bekommt dafür einen Bruchteil dessen, was Musikprofessoren verdienen.
Seine Aufgabe besteht nicht nur darin, Gitarrestudenten auf die Abschlussprüfung vorzubereiten: „Ich unterrichte auch Methodik und Didaktik.“ Die Hochschule profitiert von der umfangreichen praktischen Erfahrung des gebürtigen Brasilianers. Weil Andreotti nebenbei Kinder unterrichtet, kann er seinen Studierenden gut vermitteln, was sie beim Unterrichten beachten müssen. Auch die Erfahrungen aus seiner Konzerttätigkeit kommen den Studierenden zugute.
Doch richtig anerkannt wird das alles nicht, findet der Dozent: „Wir Lehrbeauftragte haben das Gefühl, Personal zweiter Klasse zu sein.“ Das soll sich ändern. Dafür sammelte Andreotti jetzt mit Kollegen in der Fußgängerzone Unterschriften.
Die meisten Musikstudenten träumen davon, eines Tages auf der Bühne zu stehen – als umjubelte Stars, als Spitzenleute ihres Fachs. Ihr Ehrgeiz ist deshalb enorm, sagt Lehrbeauftragte Michaela Schlotter, die seit 1998 an der Musikhochschule tätig ist: „Zu Recht erwarten sie Dozenten auf hohem Niveau.“ Um ein musikalisch hohes Niveau zu halten, heißt es für alle Lehrbeauftragten, täglich zu üben. Doch das fließt in den Durchschnittshonorarsatz von 25 Euro pro gehaltener Stunde nicht ein.
Auch Michaela Schlotter ärgert, dass der Unterschied zwischen den Lehrbeauftragten und den fest angestellten Dozenten inzwischen so riesig ist: „Dabei leisten wir mehr als die Hälfte des Lehrbetriebs.“ Das war früher nicht so. Vor vielen Jahren waren Lehrbeauftragte Leute, die irgendwo einen guten Job hatten und ihre praktischen Erfahrungen ergänzend in den Hochschulbetrieb einbrachten.
Das ist heutzutage völlig anders. Ohne die freien Dozenten würde der Lehrbetrieb zusammenbrechen. Dennoch werden die Lehrbeauftragte auf eine für Schlotter unsägliche Art und Weise behandelt – die jede Zukunftsplanung zunichte macht. Jedes Semester wird neu entschieden, wer einen Lehrauftrag erhält. Und wie umfangreich der ist: „Ich habe vor zwei Wochen meinen Vertrag im Fach gehabt. Doch ich unterrichte seit Beginn des Semesters. Also schon seit sechs Wochen.“
Ist der Dozent krank, gibt es kein Geld. Ebenso nicht, wenn der Unterricht ausfällt. Unterrichtet wird nur im Semester. Während der Semesterferien fließen wochenlang keine Einnahmen. Das karge Honorar für den Lehrauftrag ist zu versteuern, außerdem müssen davon Beiträge zur Krankenversicherung und zu einer privaten Altersvorsorge berappt werden. Viel leisten können sich die Lehrbeauftragten nicht. „Wir wussten zu Beginn des Semesters nicht einmal, ob wir unser Kind in die Krippe geben können“, so Dozentin Verena Witzemann. Zunächst erhielt die 30 Jahre alte Pianistin auch nur fünf Wochenstunden. Und das Kind blieb daheim.
Weil zufällig eine Kollegin krank wurde, stockte die Hochschule das Deputat auf zehn Wochenstunden auf: „Jetzt können wir uns die Krippe doch leisten.“ Auch Verena Witzemann sammelte in der vergangenen Woche in der Fußgängerzone Unterschriften für eine Verbesserung der Lage. Viele Passanten reagierten aufgeschlossen, binnen dreier Stunden waren schon zehn Listen voll.
Der Umgang mit freiberuflichen Musikdozenten ist kein regionales Problem. Bundesweit wurde am Donnerstag auf die prekäre Situation der mit Dumpinglöhnen abgespeisten Dozenten aufmerksam gemacht. Die in Bayern gesammelten Unterschriften gehen an die Staatsregierung. Die erstellte inzwischen auch ein Konzept, nach dem künftig nur noch höchstens ein Viertel der Lehre von Lehrbeauftragten bestritten werden soll. Der Rest soll von Professoren und hauptamtlich Beschäftigten abgedeckt werden. Auch soll die Vergütung um zehn Euro erhöht werden.
Doch wird das Versprechen, etwas für die Lehrbeauftragten zu tun, auch eingelöst? 2,7 Millionen Euro wären für die Umsetzung der staatlichen „Minimallösung“ nötig. Allein 1,1 Millionen Euro müssten nach Würzburg fließen. Allerdings: „Im vorliegenden Entwurf des Doppelhaushalts 2015/16 fehlen entsprechende Mittel“, fanden die Grünen im Landtag heraus. Vor etwa zwei Wochen forderten sie in einem Antrag, das Geld einzustellen.