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WÜRZBURG
Doris Dörnhöfer: Aufsässig, für Gerechtigkeit und optimistisch
„Hoffnungslos optimistisch“: Doris Dörnhöfer ist Spitzenkandidatin der Linkspartei im Bundestagswahlkampf.
Foto: Thomas Obermeier | „Hoffnungslos optimistisch“: Doris Dörnhöfer ist Spitzenkandidatin der Linkspartei im Bundestagswahlkampf.
Von unserem Redaktionsmitglied Holger Welsch
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:56 Uhr

„Ich will vor allem denen Gehör verschaffen, die nicht auf der Sonnenseite stehen – sozial Benachteiligten, Erwerbslosen, Kranken, Behinderten.“ So umreißt Doris Dörnhöfer ihre Ziele und ihre Motivation für die Bundestagswahl am 22. September. Die 60-Jährige bewirbt sich als Direktkandidatin für Die Linke im Wahlkreis Würzburg um ein Bundestagsmandat. Schuld daran ist nicht zuletzt ihr Sohn.

Der 20-jährige Jurij Johannes Dörnhöfer schlug die Parteigenossin Doris Dörnhöfer bei der Nominierungsversammlung vor. Sie wurde von den weniger als zehn anwesenden Mitgliedern gewählt – mit einer Stimme Mehrheit gegenüber dem einzigen Mitbewerber. „Mein Sohn hat mir davor von seinem Vorschlaf nichts gesagt, ich war völlig überrascht“, erzählt Dörnhöfer beim Gespräch im lauschigen Garten des Franziskaner-Klosters. Sie räumt offen ein, dass die Kandidatur nicht gerade ihr sehnlichster Wunsch war. „Aber einer muss es ja machen und die Ziele der Partei nach außen vertreten.“

Damit wird der Linkspartei-Wahlkampf im Herbst auch zu einer Familienangelegenheit: Jurij Dörnhöfer tritt als Direktkandidat für den Landtag im Wahlkreis Würzburg-Stadt an. Wird es gemeinsame Auftritte geben? „Eher nicht“, sagt Kandidatin und Mutter Dörnhöfer, die vor 40 Jahren nach Würzburg kam und mit ihrem Sohn unter einem Dach lebt. Da werde natürlich schon häufig über den Wahlkampf und linke Politik gesprochen – was ganz im Sinne der Familientradition ist.

„Mein Vater war ein ein aufrechter, linker Sozialdemokrat und Gewerkschafter, meine evangelische Mutter eine feministische Frau“, erzählt Dörnhöfer. Die Eltern im hätten ihr schon sehr früh beigebracht, ihre eigene Meinung zu bilden – „und diese dann auch lautstark zu vertreten“.

Dass sie sich damit nicht immer Freunde machte, zeigt ihre Biografie mit vielen Stationen. Ob auf der höheren Töchter-Schule im Geburtsort Bayreuth, in der Schwesternschule, als Rettungssanitäterin oder als Beschäftigte in einem Ein-Euro-Job – überall eckte sie an. „Weil ich Ungerechtigkeiten anprangerte oder Mauscheleien zur Sprache brachte.“ Der provozierenden Frage, ob man sie vorlaut und aufsässig nennen könne, entgegnet sie lächelnd: „Ja, stimmt.“

Politisch wechselte Dörnhöfer vor drei Jahren die Fronten, ging nach 17-jähriger SPD-Mitgliedschaft zur Linkspartei, denn „nur dort finde ich meine Ziele wieder“. Und diese heißen: Weg mit Hartz IV und Wiedereinführung des alten Arbeitslosengeldes II, eine Grundsicherung von 1050 Euro im Monat, zehn Euro Mindestlohn, eine anständige Bezahlung für Pfleger und Erzieher sowie im gesamten Gesundheitswesen, absolute Gleichberechtigung und keine Waffenexporte aus Deutschland und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Letztere Forderungen rühren nicht zuletzt aus der Friedensbewegung, „für die ich mich schon immer engagierte“.

Dass Dörnhöfer vor allem soziale Themen am Herzen liegen, hat auch mit ihrer Biografie zu tun. Nach ihrer Umschulung zur Kauffrau im Gesundheitswesen schrieb sie „Hunderte von erfolglosen Bewerbungen“. Seitdem ist sie in Erwerbslosenausschüssen der Gewerkschaft Verdi und im Jobcenterbeirat der Stadt aktiv.

Und sie beklagt die häufige Chancenlosigkeit von über 55-Jährigen, einen (neuen) Arbeitsplatz zu finden. „Mit deren Erfahrung gehen uns viele Resourcen flöten.“ Sie selbst kann von ihrer Arbeit nicht leben. Seit sechs Jahren führt sie für Meinungsforschungsinstitute Interviews auf Honorarbasis. Es es ist ein prekäres Arbeitsverhältnis – „ich bin ergänzend aus Hartz IV angewiesen.“

In der Linkspartei ist Dörnhöfer derzeit nicht aktiv. Beim kurzen Gastspiel von Peter Baumann als Kreisvorsitzender gehörte sie dem Vorstand an. Nach wie vor gebe es Querelen bei der Würzburger Linken. „Da versuchen ein paar Leute ihr eigenes Süppchen zu kochen“, vermisst Dörnhöfer ein ganzes Stück Solidarität.

Neben der Kandidatur für den Bundestag hat sie als Bezirkstags-Direktkandidatin für den Stimmkreis Würzburg-Land und als Listenkandidatin weitere Eisen im Feuer. Wenn alles danebengeht? „Dann fange ich mit der Kommunalwahl an“, sagt die Frau, die sich gerne und leicht aufregt. Aber dagegen hat sie ein Mittel: „Ich bin hoffnungslos optimistisch.“

Kandidaten-Check

Die drei wichtigsten Themen der Region in der nächsten Legislaturperiode?
Einen Sozial- und Kulturpass einführen nicht nur in Würzburg, sondern bundesweit; die größten Arbeitgeber (in der Stadt: Uni und Unikliniken) zwingen, die zeitliche Befristung aller neuen Arbeitsverhältnisse aufzugeben Würzburg behinderten-, fahrrad-, kinderwagengerecht machen und Durchfahrverkehr fernhalten ohne B26n

Ein Politiker, den Sie bewundern?
Nelson Mandela

Wie weckt man bei jungen Menschen Interesse an Politik?
Indem man Ihnen erklärt, welcher Teil der Politik sie jetzt schon selbst betrifft oder dass ein großer Teil der Politik sie irgendwann später betreffen wird.

Wie überzeugen Sie einen Nichtwähler?
Ich mache ihm klar, dass es nur dann eine Chance gibt, dass seine Vorstellungen verwirklicht werden, wenn er diejenige Partei wählt, die diese Vorstellungen nicht nur im Wahl-, sondern auch im Parteiprogramm aufführt.

Woher kommt Politikverdrossenheit?
Weil sich die Parteien (häufig) nach den Wahlen nicht mehr an die Versprechen vor der Wahl erinnern oder Koalitions- bzw. Sachzwänge vorschieben, um eine ganz andere Politik durchzusetzen.

Ein politischer Gegner, den Sie besonders schätzen?
Herbert Wehner

Sie machen Politik, weil . . .
. . . in dieser Welt endlich Frieden, Gerechtigkeit, Solidarität herrschen muss – es gibt nur die eine!

Heimat ist für Sie . . .
. . . die Gegend, in der mein Dialekt nicht auffällt.

Drei Dinge, die Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Einen Werkzeugkasten, Smartphone mit Kurbelaufladung, Insektenabwehrmittel

Ihr schönster Moment bislang in diesem Jahr?
Als ich einen verzweifelten Menschen vom Suizid abhalten konnte.

Was können Sie richtig gut?
Stricken, häkeln, plattdüütsch schnacken

Was sollten Sie besser lassen?
Die Weitschweifigkeit beim Erzählen und Erklären

Wo findet man Sie im Urlaub?
Je nach finanzieller Lage in der nordfriesischen Marsch oder auf Balkonien

Biografisches
Alter:
60
Beruf: Interviewerin prekär beschäftigt Ausbildung: Ausbildungen zur Apothekenhelferin (jetzt: Pharmazeutisch-Kaufmännische Assistentin), Rettungsassistentin und Umschulung zur Kauffrau im Gesundheitswesen Familienstand: nicht verheiratet, ein erwachsener Sohn

Geburtsort: Bayreuth Wohnort: Würzburg

Bei den Linken seit: Dezember 2010

Politische Funktionen: Sprecherin für Unterfranken bei der “Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Bayern Hartz IV muss weg“ der Linkspartei, Vorstand im VerDi-Landeserwerbslosenausschuss Bayern, Mitglied (Vertreterin Bayerns) im VerDi-Bundeserwerbslosenausschuss

Lieblingsessen: Boeuf Stroganoff mit Rösti und Spargelsalat, dazu Waldmeisterbowle oder Hollerblütensekt

Lieblingsmusik: Das Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll von Peter Tschaikowski, ansonsten Liedermacher Hannes Wader

Lieblingsbuch: „Via mala“, John Knittel

Lieblingsfilm: Fernsehen: Die Spätzünder, Kino: Die Möwe Jonathan

Lieblingsplatz in der Region: Der Arnsteiner Naturbadesee

Lieblingssport: Tango-/ Walzertanzen

Lebensmotto: Matthäus 25, 40: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

Wenn Sie die Wahl hätten …Weißwurst oder Blaue Zipfel:
Vor 12 Uhr Weißwurst, nachmittags oder abends Blaue Zipfel

Münchner Bier oder Frankenwein: Frankenwein (oder ab und zu fränkisches Weißbier)

FC Bayern oder „Der Glubb“: Das ist mir schnurzegal, weil Fußball mich nicht die Bohne interessiert

Karl Valentin oder Erwin Pelzig: Erwin Pelzig, der lebt ja noch und kann deshalb noch mehr liefern!

Neuschwanstein oder Residenz: Residenz, aber wegen des Kopfsteinpflasters davor von der Gartenseite aus

 
 
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