„Ich will vor allem denen Gehör verschaffen, die nicht auf der Sonnenseite stehen – sozial Benachteiligten, Erwerbslosen, Kranken, Behinderten.“ So umreißt Doris Dörnhöfer ihre Ziele und ihre Motivation für die Bundestagswahl am 22. September. Die 60-Jährige bewirbt sich als Direktkandidatin für Die Linke im Wahlkreis Würzburg um ein Bundestagsmandat. Schuld daran ist nicht zuletzt ihr Sohn.
Der 20-jährige Jurij Johannes Dörnhöfer schlug die Parteigenossin Doris Dörnhöfer bei der Nominierungsversammlung vor. Sie wurde von den weniger als zehn anwesenden Mitgliedern gewählt – mit einer Stimme Mehrheit gegenüber dem einzigen Mitbewerber. „Mein Sohn hat mir davor von seinem Vorschlaf nichts gesagt, ich war völlig überrascht“, erzählt Dörnhöfer beim Gespräch im lauschigen Garten des Franziskaner-Klosters. Sie räumt offen ein, dass die Kandidatur nicht gerade ihr sehnlichster Wunsch war. „Aber einer muss es ja machen und die Ziele der Partei nach außen vertreten.“
Damit wird der Linkspartei-Wahlkampf im Herbst auch zu einer Familienangelegenheit: Jurij Dörnhöfer tritt als Direktkandidat für den Landtag im Wahlkreis Würzburg-Stadt an. Wird es gemeinsame Auftritte geben? „Eher nicht“, sagt Kandidatin und Mutter Dörnhöfer, die vor 40 Jahren nach Würzburg kam und mit ihrem Sohn unter einem Dach lebt. Da werde natürlich schon häufig über den Wahlkampf und linke Politik gesprochen – was ganz im Sinne der Familientradition ist.
„Mein Vater war ein ein aufrechter, linker Sozialdemokrat und Gewerkschafter, meine evangelische Mutter eine feministische Frau“, erzählt Dörnhöfer. Die Eltern im hätten ihr schon sehr früh beigebracht, ihre eigene Meinung zu bilden – „und diese dann auch lautstark zu vertreten“.
Dass sie sich damit nicht immer Freunde machte, zeigt ihre Biografie mit vielen Stationen. Ob auf der höheren Töchter-Schule im Geburtsort Bayreuth, in der Schwesternschule, als Rettungssanitäterin oder als Beschäftigte in einem Ein-Euro-Job – überall eckte sie an. „Weil ich Ungerechtigkeiten anprangerte oder Mauscheleien zur Sprache brachte.“ Der provozierenden Frage, ob man sie vorlaut und aufsässig nennen könne, entgegnet sie lächelnd: „Ja, stimmt.“
Politisch wechselte Dörnhöfer vor drei Jahren die Fronten, ging nach 17-jähriger SPD-Mitgliedschaft zur Linkspartei, denn „nur dort finde ich meine Ziele wieder“. Und diese heißen: Weg mit Hartz IV und Wiedereinführung des alten Arbeitslosengeldes II, eine Grundsicherung von 1050 Euro im Monat, zehn Euro Mindestlohn, eine anständige Bezahlung für Pfleger und Erzieher sowie im gesamten Gesundheitswesen, absolute Gleichberechtigung und keine Waffenexporte aus Deutschland und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Letztere Forderungen rühren nicht zuletzt aus der Friedensbewegung, „für die ich mich schon immer engagierte“.
Dass Dörnhöfer vor allem soziale Themen am Herzen liegen, hat auch mit ihrer Biografie zu tun. Nach ihrer Umschulung zur Kauffrau im Gesundheitswesen schrieb sie „Hunderte von erfolglosen Bewerbungen“. Seitdem ist sie in Erwerbslosenausschüssen der Gewerkschaft Verdi und im Jobcenterbeirat der Stadt aktiv.
Und sie beklagt die häufige Chancenlosigkeit von über 55-Jährigen, einen (neuen) Arbeitsplatz zu finden. „Mit deren Erfahrung gehen uns viele Resourcen flöten.“ Sie selbst kann von ihrer Arbeit nicht leben. Seit sechs Jahren führt sie für Meinungsforschungsinstitute Interviews auf Honorarbasis. Es es ist ein prekäres Arbeitsverhältnis – „ich bin ergänzend aus Hartz IV angewiesen.“
In der Linkspartei ist Dörnhöfer derzeit nicht aktiv. Beim kurzen Gastspiel von Peter Baumann als Kreisvorsitzender gehörte sie dem Vorstand an. Nach wie vor gebe es Querelen bei der Würzburger Linken. „Da versuchen ein paar Leute ihr eigenes Süppchen zu kochen“, vermisst Dörnhöfer ein ganzes Stück Solidarität.
Neben der Kandidatur für den Bundestag hat sie als Bezirkstags-Direktkandidatin für den Stimmkreis Würzburg-Land und als Listenkandidatin weitere Eisen im Feuer. Wenn alles danebengeht? „Dann fange ich mit der Kommunalwahl an“, sagt die Frau, die sich gerne und leicht aufregt. Aber dagegen hat sie ein Mittel: „Ich bin hoffnungslos optimistisch.“
Kandidaten-Check
Die drei wichtigsten Themen der Region in der nächsten Legislaturperiode?
Einen Sozial- und Kulturpass einführen nicht nur in Würzburg, sondern bundesweit; die größten Arbeitgeber (in der Stadt: Uni und Unikliniken) zwingen, die zeitliche Befristung aller neuen Arbeitsverhältnisse aufzugeben Würzburg behinderten-, fahrrad-, kinderwagengerecht machen und Durchfahrverkehr fernhalten ohne B26n
Ein Politiker, den Sie bewundern?
Nelson Mandela
Wie weckt man bei jungen Menschen Interesse an Politik?
Indem man Ihnen erklärt, welcher Teil der Politik sie jetzt schon selbst betrifft oder dass ein großer Teil der Politik sie irgendwann später betreffen wird.
Wie überzeugen Sie einen Nichtwähler?
Ich mache ihm klar, dass es nur dann eine Chance gibt, dass seine Vorstellungen verwirklicht werden, wenn er diejenige Partei wählt, die diese Vorstellungen nicht nur im Wahl-, sondern auch im Parteiprogramm aufführt.
Woher kommt Politikverdrossenheit?
Weil sich die Parteien (häufig) nach den Wahlen nicht mehr an die Versprechen vor der Wahl erinnern oder Koalitions- bzw. Sachzwänge vorschieben, um eine ganz andere Politik durchzusetzen.
Ein politischer Gegner, den Sie besonders schätzen?
Herbert Wehner
Sie machen Politik, weil . . .
. . . in dieser Welt endlich Frieden, Gerechtigkeit, Solidarität herrschen muss – es gibt nur die eine!
Heimat ist für Sie . . .
. . . die Gegend, in der mein Dialekt nicht auffällt.
Drei Dinge, die Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Einen Werkzeugkasten, Smartphone mit Kurbelaufladung, Insektenabwehrmittel
Ihr schönster Moment bislang in diesem Jahr?
Als ich einen verzweifelten Menschen vom Suizid abhalten konnte.
Was können Sie richtig gut?
Stricken, häkeln, plattdüütsch schnacken
Was sollten Sie besser lassen?
Die Weitschweifigkeit beim Erzählen und Erklären
Wo findet man Sie im Urlaub?
Je nach finanzieller Lage in der nordfriesischen Marsch oder auf Balkonien
Biografisches
Alter: 60
Beruf: Interviewerin prekär beschäftigt Ausbildung: Ausbildungen zur Apothekenhelferin (jetzt: Pharmazeutisch-Kaufmännische Assistentin), Rettungsassistentin und Umschulung zur Kauffrau im Gesundheitswesen Familienstand: nicht verheiratet, ein erwachsener Sohn
Geburtsort: Bayreuth Wohnort: Würzburg
Bei den Linken seit: Dezember 2010
Politische Funktionen: Sprecherin für Unterfranken bei der “Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Bayern Hartz IV muss weg“ der Linkspartei, Vorstand im VerDi-Landeserwerbslosenausschuss Bayern, Mitglied (Vertreterin Bayerns) im VerDi-Bundeserwerbslosenausschuss
Lieblingsessen: Boeuf Stroganoff mit Rösti und Spargelsalat, dazu Waldmeisterbowle oder Hollerblütensekt
Lieblingsmusik: Das Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll von Peter Tschaikowski, ansonsten Liedermacher Hannes Wader
Lieblingsbuch: „Via mala“, John Knittel
Lieblingsfilm: Fernsehen: Die Spätzünder, Kino: Die Möwe Jonathan
Lieblingsplatz in der Region: Der Arnsteiner Naturbadesee
Lieblingssport: Tango-/ Walzertanzen
Lebensmotto: Matthäus 25, 40: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Wenn Sie die Wahl hätten …Weißwurst oder Blaue Zipfel:
Vor 12 Uhr Weißwurst, nachmittags oder abends Blaue Zipfel
Münchner Bier oder Frankenwein: Frankenwein (oder ab und zu fränkisches Weißbier)
FC Bayern oder „Der Glubb“: Das ist mir schnurzegal, weil Fußball mich nicht die Bohne interessiert
Karl Valentin oder Erwin Pelzig: Erwin Pelzig, der lebt ja noch und kann deshalb noch mehr liefern!
Neuschwanstein oder Residenz: Residenz, aber wegen des Kopfsteinpflasters davor von der Gartenseite aus