Zerbricht die Regierungskoalition in Bayern am Streit um die Studiengebühren? Nur einen Tag, nachdem CSU und FDP ihre Nichteinigung sehr kreativ als Fortschritt im Diskussionsverlauf verkaufen wollten, zurrte Ministerpräsident Horst Seehofer zumindest verbal die Machtverhältnisse wieder zurecht: „Ich setze meine Positionen auch in der Gesellschaftspolitik um – früher oder später“, sagte der CSU-Boss vor der Präsidiumssitzung seiner Partei in München und spielte damit auf den Streit der beiden Koalitionspartner an.
Nachdem der bayerische Verfassungsgerichtshof jüngst ein von den Freien Wählern initiiertes Volksbegehren für zulässig erklärte, möchte die CSU aus Furcht vor einer Bürgerwatschn kurz vor der Landtagswahl im Herbst '13 die Studiengebühren lieber heute als morgen abschaffen. Innenminister Joachim Herrmann gab gestern die 14-tägige Einschreibungsfrist bekannt: Tragen sich vom 17. bis 30. Januar 2013 zehn Prozent der Stimmberechtigten (rund 940 000 Bürger) in die Listen ein, wird im Frühjahr in Bayern über die Studiengebühren abgestimmt.
Schon wird der Würzburger Landtagsabgeordnete Oliver Jörg (CSU), Vorsitzender des Hochschulausschusses, in „Zeit online“ so zitiert: Er habe „Hunderte, wenn nicht Tausende Rückmeldungen“ gegen die Studiengebühren erhalten. Die FDP indes pocht auf die Einhaltung der Regierungsvereinbarung und will festhalten an den 500 Euro pro Student und Semester. Im Januar soll neu diskutiert werden.
Die Opposition amüsiert sich
Bis dahin wird hinter den Kulissen gerungen werden – und die Opposition schaut amüsiert zu: „Wir begrüßen es, dass die CSU den Fehler, den sie mit der Einführung der Studiengebühren gemacht hat, korrigieren will“, sagt Natascha Kohnen, Chefin der Landtags-SPD. Es habe sich gezeigt, „dass die CSU nicht mehr die Macht hat, das in der bestehenden Koalition auf parlamentarischem Wege zu tun. Wir laden die CSU ein, sich dem Bündnis gegen Studiengebühren anzuschließen und mit uns das Volksbegehren zum Erfolg zu bringen.“
Sehr gespannt und mit Sorge verfolgt derweil Alfred Forchel, Präsident der Universität Würzburg, das politische Fingerhakeln. Zwischen 2007 und dem Sommersemester 2012 wurden allein in Würzburg rund 75 Millionen Studiengebühren eingenommen – „und wieder ausgegeben“, wie Forchel betont. Ein ersatzloser Wegfall der Beiträge ist für den 60-Jährigen „schlicht undenkbar. Selbst eine nur anteilige Ersatzlösung wäre eine Katastrophe.“
Sollten die Studiengebühren, die in Deutschland nur noch von Niedersachsen und Bayern erhoben werden, gestrichen werden, müssten sie vom Staat „in vollem Umfang und dynamisiert kompensiert werden, da wir in den nächsten Jahren noch weiter deutlich steigende Studierendenzahlen erwarten“. In Bundesländern, in denen Studiengebühren wieder abgeschafft worden sind, seien die Erfahrungen mit der Kompensation jedoch „sehr gemischt – gelinde gesagt“.
Große Demo am Donnerstag
Eine Verringerung der Studiengebühren auf etwa 300 Euro würde, so der Uni-Präsident, die Proteste nicht beenden: „Die Kritiker bestehen ja darauf, dass Bildung ein Grundrecht ist, das umsonst sein muss.“ Dafür könne er sogar Verständnis entwickeln, verweist aber auf die Kosten bei der beruflichen Bildung, etwa in der Qualifikation zum Meister in einem Handwerk: „Meine Frisörin musste rund 8000 Euro für ihren Meistertitel bezahlen. Warum gibt es dort hohe Kosten, während gleichzeitig die akademische Bildung kostenlos zugänglich sein soll“, fragt Forchel. „Im Rahmen eines gesellschaftlichen Kompromisses, halte ich Studienbeiträge für völlig vertretbar.“ Forchel erwartet, dass die Politik die Finanzierung der Hochschulen sicherstellt. Schon jetzt würden diese in vielen Bereichen Geldprobleme haben, „sodass wir keine weiteren Finanzierungsausfälle ohne dramatische Leistungseinbußen überstehen werden.“ Allein an der Uni Würzburg gebe es einen „Stau an kleineren Sanierungsmaßnahmen von zusammen 30 bis 40 Millionen Euro“.
Für Eduard Göbl, Vorsitzender des Sprecherrats der Uni Würzburg, führt indes kein Weg an der Abschaffung der Studiengebühren vorbei. „Bildung ist Allgemeingut, sie muss frei erhältlich und für jeden zugänglich sein“, sagt der 24-jährige Mathematikstudent. „Jetzt gilt es, für das Volksbegehren im neuen Jahr zu mobilisieren“, so Göbl.
Bereits am Donnerstag, 15. November, findet um 16 Uhr eine Demonstration gegen Studiengebühren in Würzburg im Rahmen des Bildungsstreiks statt. Beginn ist an der Neuen Universität am Sanderring, am Unteren Markt wird gegen 17.15 Uhr eine Kundgebung stattfinden, zu der sich namhafte Politiker sämtlicher Parteien aus der Region angesagt haben. „Wir erwarten mindestens 1000 Teilnehmer an der Demo“, sagt Eduard Göbl.