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Dieses Wahnsinns-Kribbeln im Bauch
Düsseldorf Lächeln, Tanzen, Pompons schwingen - die Leidenschaft der Lohrerin Maili Wagner. Als Cheerleader bei Rhein Fire Düsseldorf bietet sie Football-Fans in der europäischen Liga NFL eine professionelle Show.
Von unserem Redaktionsmitglied Natalie Gress
 |  aktualisiert: 16.12.2020 14:22 Uhr
Sie knipst ihre roten Lippen zu einem Lachen an. Wirft die langen Haare zurück. Spannt den schlanken Körper an. Und schlägt kokett die geschminkten Augen auf. Maili ist "on stage", wie die Cheerleader sagen. Ihre Bühne: die Arena auf Schalke. Knapp 40 Pyromaniacs stolzieren in schwarzen Sakkos über knappen Hotpants auf das Spielfeld. Tänzeln. Tippeln. Stapfen. Kreisen ihre Hüften sanft zur Melodie von "Is it cause I'm cool". Wackeln mit dem Po. Und drehen sich um Regenschirme.

Am Frühstückstisch in ihrer Düsseldorfer Wohnung gerät Maili Wagner ins Schwärmen. "In dieser riesigen Arena vor Tausenden von Fans zu stehen, das ist ein Wahnsinns-Kribbeln im Bauch", sagt sie und schiebt sich eine Traube in den ungeschminkten Mund. "Dafür lohnt sich die ganze harte Arbeit, jedes der bis zu fünf Trainings pro Woche."

16 Uhr auf Schalke. Die Pyromaniacs stürmen mit rot-goldenen Pompons aus einem riesigen aufblasbaren Football-Helm auf den Platz und bilden ein Spalier für die Spieler, die unter tosendem Beifall von knapp 19 000 Zuschauern in die Arena einlaufen. Ohrenbetäubende Kanonensalven durchschneiden zuckende Elektro-Beats. Zwei Feuerwehrmänner seitlich des Helms jagen Feuerstrahlen in die Luft. Und der Fernseh-Würfel hoch über der Arena blinkt: Es wird ge-fire-t!"

40 aus 200

Mailis Blick verklärt sich. "Bei diesem Spektakel dabei zu sein, bedeutet mir viel. Mit Spielern auf einem Platz zu stehen, die in der amerikanischen Football-League (NFL) millionenschwere Verträge haben und nur für die europäische Saison drei Monate nach Deutschland kommen, ist eine tolle Erfahrung." Und die ist nur wenigen vergönnt. Im Oktober vergangenen Jahres setzte sich die angehende Gymnasiallehrerin für Sport und Englisch in einem so genannten Tryout als eine von 40 jungen Frauen unter insgesamt 200 Bewerberinnen durch. In der prominenten Jury saßen unter anderm Fußballstar Christoph Metzelder, Rockröhre Doro Pesch und Fire-Chef Alexander Leipkind.

"Seither verwirkliche ich meinen Traum", sagt Maili. Verliebt in die Sportart American Football hat sich die 27-Jährige schon in der zehnten Klasse, als sie für ein Gastjahr vom Lohrer Gymnasium an eine Highschool in South Dakota im Mittleren Westen der USA wechselte. Dort tanzte sie ihre ersten Schritte als Cheerleader.

Nur noch wenige Sekunden bis zum Kickoff, dem Anpfiff der Partie Rhein Fire Düsseldorf gegen die Amsterdam Admirals an diesem Sonntag. Die Pyromaniacs positionieren sich vor Haupt- und Gegentribüne, mit den Gesichtern zu den Fans. Werbebanden trennen sie vom Spielfeld - und den Spielern.

"Für mich eine symbolische Abgrenzung", sagt Maili und stützt sich auf ihrem Küchentisch auf. "Denn auch außerhalb des Spielfeldes haben wir Cheerleader rein gar nichts mit den Spielern zu tun." Das ist Vorschrift, sie lautet: Während der Saison keine Altstadt-Besuche nach 20 Uhr, um die Football-Stars dort auch nicht zufällig zu treffen. "Sonst hätten wir genau das Image, das wir auf keinen Fall wollen: dass wir die Gespielinnen der Spieler sind. Daran haben wir keinerlei Interesse!" Ausrufezeichen. "Die meisten Mädchen haben feste Beziehungen. Oder sind schon verheiratet." So wie Maili Wagner, die früher Machat hieß.

Kein Alkohol, keine Zigaretten

Bei Rhein Fire sind sie in ein straffes Korsett aus Verhaltensregeln geschnürt. Darunter: kein Alkohol, keine Zigaretten und kein Essen im Kostüm. "Wir müssen darauf achten, dass die positive Ausstrahlung gewahrt bleibt, die wir verkaufen wollen", erklärt Maili. Eine perfekte Show des schönen Scheins? "Schein ist das nicht wirklich", hakt die Lohrerin ein, "denn ich wusste von Anfang an, worauf ich mich einlasse. Sobald ich ein Kostüm trage, vertrete ich eine bestimmte Position, wie ein Polizist, wenn er in seine Uniform steigt. Deshalb ist für mich Kritik daran nicht angebracht."

Auf dem Rasen im Stadion fallen gepanzerte Kolosse übereinander her und versuchen, Feld zu erobern. Das erste Viertel des Football-Spiels ist im Gange. Sobald die Schiedsrichter es unterbrechen - und das passiert zirka jede halbe Minute - unterhalten die Cheerleader die Zuschauer zu Musik aus den 70er Jahren bis in die aktuellen Charts mit so genannten "Eightcountern" und "Chants": kurze Schrittkombinationen, zum Teil mit Rufen wie "Go Fire" oder "Defense go". Professionell und sexy.

"Professionell sexy", verbessert Maili und richtet sich in ihrem Stuhl auf. "Wir sind zwar was für's Auge, aber wir sind niemals billige und primitive Hupfdohlen!"

Ein lauter Knall birst in die Schalke-Arena. Shockmain Davis von Rhein Fire hat sich durch die Defense der Admirals getankt und einen Touchdown geschafft. Die Cheerleader reißen ihre Pompons in die Höhe und hüpfen jubelnd auf und ab. Das scheinbar eingemeißelte Lächeln zerbröckelt in befreites Lachen. Als fiele die dicke Make-up-Maske von ihren Gesichtern ab. "Es ist eben ein bisschen wie Schauspielern", sagt Maili.

Ihr Mann Jan Wagner steht vom Küchentisch in der gemeinsamen Wohnung auf und kommt wenig später mit Zeitungsartikeln über seine Frau zurück. Der "Kölner Express" begleitete Maili beim Tryout im Oktober und dokumentierte ihren Weg - bis zum Sprung ins Team der Pyromaniacs. Wie sie das geschafft hat, weiß Maili bis heute nicht genau. "Tänzerisch brachte ich nicht so viel mit, aber wahrscheinlich habe ich das Talent, relativ schnell zu lernen", meint sie. Letztlich sei wohl ihre Gesamtwirkung ausschlaggebend gewesen. Und die ist beim Tryout entscheidend. "Körpergröße, Maße oder Haarfarbe spielen keine Rolle", erklärt Maili. "Wir sind Frauen aller couleur, im Alter zwischen 18 und 32. Wichtig ist eine positive Ausstrahlung, den straffen Bauch kann man trainieren." Die 1,76 m große Aerobic-Trainerin brachte beides schon mit: aus ihrem Sportstudium und vom Modeln auf Laufstegen.

Halbzeit auf Schalke. Zwischen Rhein Fire Düsseldorf und den Amsterdam Admirals steht es 14:3. Die Pyromaniacs sind dran. Auf ihren zusammen 2,13 Meter langen Beinen bewegt sie sich rhythmisch: Maili im Herzschlag der Pyromaniacs. 40 Frauen auf einem Haufen. Wie kann das nur gut gehen?

Maili antwortet diplomatisch: "Natürlich geraten wir auch aneinander, aber unterm Strich sind wir ein Team und können nur gut sein, wenn wir alle zusammen arbeiten." Die Pyromaniacs sind Teil eines großen Events des Unternehmens Rhein Fire, bei dem es um weit mehr geht als um den Sport American Football. Die Show ist ganzjährig und umfasst neben der Saison, die sechs europäische Teams austragen, auch wohltätige Aktionen und Promotion-Auftritte. "Wir sind quer durch Deutschland gebucht, an die 300-mal pro Jahr", sagt Maili. Wie viel sie damit verdient, verrät sie nicht.

Die letzten Minuten des Football-Spiels laufen. Der 20:13-Sieg von Rhein Fire ist ungefährdet. Eine Kamera fängt Maili ein und bannt sie für Sekunden in Großformat an den Stadionwürfel. Das lange Haar tanzt ausgelassen mit ihr mit. Ihre Augen lächeln. Und ihr roter Mund formt sich zum Kuss. Der Pompon trägt ihn davon.

 
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